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Ich seufzte nur ein wenig, da ich nichts anderes erwartet hatte. Sie war der Dreh- und Angelpunkt der Reise: die meistbeachtete Person, deren Verhalten ständig analysiert wurde.

«Ihr Zimmer liegt in einem der Flügel«, sagte sie und gab mir eine Karte mit einer Nummer darauf.»Sie brauchen sich nur am Empfang einzutragen, dann bekommen Sie den Schlüssel. Ihre Tasche müßte schon oben sein. Die meisten Schauspieler sind auch in dem Flügel. Keiner von den Besitzern.«

«Sind Sie dort?«

«Nein.«

Sie sagte nicht, wo ihr Zimmer war, und ich fragte nicht danach.

«Wo essen Sie denn?«sagte sie unsicher.»Ich meine… sitzen Sie im Speiseraum bei den Schauspielern?«

Ich schüttelte den Kopf.

«Aber auch nicht bei den Besitzern.«

«Es ist eben ein einsames Leben«, sagte ich.

Sie sah mich mit plötzlicher Aufmerksamkeit scharf an, und ich dachte kläglich, daß ich ihr viel zu viel gesagt hatte.

«Soll das heißen«, fragte sie gedehnt,»Sie tun das immer? Sie spielen immer eine Rolle? Nicht nur in dem Zug?«

«Nein«, lächelte ich.»Ich arbeite allein. Das ist alles, was ich damit sagen wollte.«

Sie fröstelte geradezu.»Sind Sie jemals Sie selbst?«

«Sonntags und montags.«

«Allein?«»Ja… schon.«

Ihre Augen, ruhig und grau, blickten nur mäßig bekümmert.

«Sie scheinen über ihre Einsamkeit nicht unglücklich zu sein«, stellte sie fest.

«Natürlich nicht. Meistens suche ich sie. Aber nicht, wenn eine reizende Alternative sich hinter einem Klemmbrett versteckt.«

Der Panzer lag im Augenblick auf ihrem Schoß, vom Dienst befreit. Sie strich mit der Hand darüber, während sie bemüht war, nicht zu lachen.

«Morgen«, sagte sie und flüchtete sich in Sachlichkeit,»begleite ich einen Bus voll Passagiere zu einem Gletscher, dann nach Banff zum Mittagessen, dann fahren wir mit der Seilbahn auf einen Berg.«

«Hoffentlich wird’s schön für Sie.«

«Die Lorrimores haben einen Wagen mit Chauffeur für sich.«

«Sonst noch jemand?«

«Seit Mrs. Quentin weg ist, nicht mehr.«

«Die arme alte Daffodil«, sagte ich.

«Arm?«rief Nell aus.»Wußten Sie, daß sie den Spiegel in ihrem Abteil zertrümmert hat?«

«Ja, ich habe davon gehört. Nimmt Mr. Filmer an der Busfahrt teil?«

«Weiß ich noch nicht. Er wollte wissen, ob es hier eine Sporthalle gibt, weil er gern Hanteln stemmt. Der Bus steht jedem Interessenten offen. Wer da alles teilnimmt, kann ich wohl erst sagen, wenn wir losfahren.«

Ich würde die Abfahrt beobachten müssen, dachte ich, und das versprach schwierig zu werden, da ich ihnen allen inzwischen halbwegs bekannt war und kaum für längere Zeit unsichtbar herumstehen konnte.

«Die Unwins sind runter in die Halle gekommen und steuern auf uns zu«, sagte Nell, den Blick von mir abgewandt.

«Gut.«

Ich stand ohne Hast auf, ging mit der Karte, die sie mir gegeben hatte, zum Empfang und trug mich ins Register ein. Hinter mir hörte ich die australischen Stimmen der Unwins zu ihr sagen, sie wollten ein Stück am Ufer spazierengehen und es sei die schönste Reise, die sie jemals unternommen hätten. Als ich mich mit meinem Schlüssel in der Hand umdrehte, traten sie gerade durch die Glastür hinaus in den Garten.

Ich hielt noch einmal bei Nell an, die jetzt aufstand.»Vielleicht sehen wir uns«, sagte ich.

«Vielleicht.«

Ich lächelte ihr in die Augen.»Falls irgend etwas Merkwürdiges geschieht.«

Sie nickte.»Sie sind in Zimmer sechs-zwoundsechzig.«

«Was wird nach Vancouver?«fragte ich.

«Ich hab den Klipper gebucht, der mich sofort nach den Rennen wieder nach Toronto bringt.«

«Was für einen Klipper?«

«Den Nachtflug.«

«So schnell?«

«Wie konnte ich wissen, daß mir nichts daran liegen würde?«

«Das«, sagte ich,»soll mir fürs erste genügen.«

«Kommen Sie nicht auf Gedanken«, meinte Nell gelassen,»die Ihrem niederen Stand unangemessen sind.«

Sie entfernte sich mit schelmisch glitzernden Augen, und ich ging zufrieden in den sechsten Stock des Flügels hinauf, in dem keine Besitzer wohnten, und stellte fest, daß das mir zugewiesene Zimmer nahe dem Ende des Flurs lag und gleich neben Zaks.

Seine Tür war weit offen, Donna und Pierre standen halb drinnen, halb draußen.

«Kommen Sie rein«, sagte Donna, als sie mich sah.»Wir gehen gerade die Szene für heute abend durch.«

«Und wir stecken in einer ganz verfluchten Krise«, setzte Pierre hinzu.»Wir können jede Anregung gebrauchen.«

«Aber Zak möchte vielleicht nicht…«begann ich.

Er kam selbst zur Tür.»Zak nimmt sogar Vorschläge von Schimpansen entgegen«, sagte er.

«Okay. Dann ziehe ich bloß meinen Mantel aus. «Ich zeigte mit dem Finger.»Wohne direkt nebenan.«

Ich ging in mein Zimmer, das die gleiche überwältigende Aussicht auf Berge, See, Bäume und Gletscher bot wie die Halle, wenn nicht sogar eine noch bessere, da es höher lag. Ich schlüpfte aus dem Regenmantel und der Uniform, die er verborgen hatte, zog einen Trainingsanzug und Turnschuhe an und kehrte zu Zaks Gefecht zurück.

Die Krise bestand in der Abwesenheit eines Schauspielers, der erwartet worden war, sich aber hatte entschuldigen lassen.

«Alles Ausreden!«schäumte Zak.»Er hat sich heute morgen den blöden Arm gebrochen und kommt nicht. Ich bitte Sie! Ist ein gebrochener Arm denn eine Entschuldigung?«

Die anderen, die ganze Truppe, waren eher nicht der Ansicht.

«Er sollte Angelicas Mann sein«, sagte Zak.

«Was war denn mit Steve?«fragte ich.

«Der war ihr Liebhaber und ihr Geschäftspartner. Sie wurden beide von Giles umgebracht, weil sie gerade entdeckt hatten, daß er das gesamte Firmenkapital veruntreut hatte und die Vollblutagentur bankrott war. Nun betritt Angelicas Mann die Bühne und fragt, wo ihr Geld ist, denn sie hat ihr Testament nicht geändert, und er beerbt sie. Er hat beschlossen, ihren Tod selbst zu untersuchen, weil er findet, daß weder der Mountie noch ich ordentliche Arbeit geleistet haben. Und jetzt ist er nicht mal hier.«

«Nun«, sagte ich,»warum decken Sie nicht auf, daß in Wirklichkeit Raoul Angelicas erbberechtigter Mann ist, womit er ja ein Riesenmotiv hätte, da er noch nicht weiß, daß Giles das Geld unterschlagen hat, oder? Keiner weiß das. Und Raoul steht es nur frei, Donna zu heiraten, weil Angelica tot ist, was den Bricknells hysterische Anfälle bescheren kann. Und was wäre, wenn Raoul sagt, nicht er, sondern die Bricknells selbst hätten ihre Pferde gedopt, aber sie streiten das ab und hoffen schwer, daß alles an ihm hängenbleibt, nachdem für sie feststeht, daß er ihre Tochter nicht heiraten kann, weil er wahrscheinlich ein Mörder ist und ins Gefängnis kommt. Und wie wäre es, wenn sich rausstellt, daß tatsächlich das Pferd der Bricknells entführt werden sollte, aber von Giles, wie Sie später aufdecken können, der es verkaufen und mit dem Ertrag außer Landes fliehen wollte, sobald er heil in Vancouver angekommen wäre.«

Sie staunten mit offenem Mund.

«Ich weiß nicht, ob das wirklich Hand und Fuß hat«, meinte Zak schließlich.

«Egal, darauf wird wohl niemand achten.«

«Sie zynischer Hund, Sie.«

«Ich wüßte nicht, wieso es nicht gehen sollte«, sagte Donna.

«Und ich kann eine hübsche Heulszene mit Pierre einlegen.«

«Warum?«sagte Zak.

«Die spiele ich gern.«

Alle kugelten sich vor Lachen, und bald darauf probten sie dramatische (Zak von Dritten zugespielte) Enthüllungen über Raouls Heirat mit Angelica fünf Jahre zuvor, die auf dem Bahnhof Toronto beide verschwiegen hatten, weil sie, wie Raoul wenig überzeugend sagte, beide erschrocken waren, den anderen dort anzutreffen, denn Raoul hatte nur Donna und Angelica nur