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Mercer, Bambi und Sheridan kamen gemeinsam aus dem Hotel, schwerlich wie eine unbekümmerte kleine Familie anzusehen, und kletterten in einen großen bereitstehenden Wagen mit Chauffeur, der sie augenblicklich von dannen trug.

Keine Xanthe. Auch keine Xanthe im Bus. Rose und Cumber Young waren ohne sie eingestiegen. Xanthe, vermutete ich, saß wieder einmal im Schmollwinkel.

Nell, die etwas auf ihr Klemmbrett schrieb und auf die Uhr blickte, entschied, daß es keine Interessenten mehr für den Bus gab. Sie stieg ein und schloß die Tür, und ich sah zu, wie er davonrollte.

Kapitel 15

Ich ging in den Bergen spazieren und dachte an die unerwarteten Geschenke, die ich erhalten hatte.

Lenny Higgs. Die Kombinationen der Aktentaschenschlösser. Nells Freundschaft. Mrs. Baudelaire. Die Gelegenheit, Szenen für Zak zu erfinden.

Hauptsächlich dies beschäftigte mich, während ich den Weg entlangging, der um den kleinen See herumführte; und die Pläne, die ich für das Manuskript zu entwickeln begann, hatten viel mit dem Ende meines Gesprächs mit Bill Baudelaire zu tun, das beunruhigend gewesen war.

Nachdem er sich bereit erklärt hatte, einen Aushilfspfleger für Laurentide Ice zu besorgen, sagte er, er habe in Assiniboia Downs versucht, mit Mercer Lorrimore zu reden, aber nicht viel damit erreicht.

«Worüber haben Sie geredet?«fragte ich.

«Über unser Objekt. Es erschreckte mich, wie sehr er sich mit den Lorrimores angefreundet hatte. Ich nahm Mercer Lorrimore beiseite und erinnerte ihn an den Prozeß, aber er fertigte mich ziemlich kurz ab. Werde ein Mensch für unschuldig befunden, sagte er, dann sei der Fall erledigt. Er hält anscheinend jeden für gut — und das ist zwar hochanständig, aber nicht vernünftig. «Bills Stimme wurde vor Ernüchterung noch tiefer.»Unser Objekt kann, wie Sie wissen, unwahrscheinlich freundlich sein, wenn er es darauf anlegt. Das tut er mit Sicherheit. Die arme Daffodil hat ihm ja praktisch auch aus der Hand gefressen, und ich möchte wissen, was sie jetzt von ihm hält.«

Ich konnte den Nachhall seiner Stimme in den Bergen hören.

«Eher hochanständig als vernünftig. «Mercer war ein Mensch, der Gutes sah, wo nichts Gutes vorhanden war. Der sich danach sehnte, auch einen guten Sohn zu haben, und für den Unverbesserlichen ewig zahlen würde.

Der Weg um den See führte bergauf, bergab, wand sich streckenweise durch dichtstehende Kiefern, bot dann plötzlich eine atemberaubende Sicht auf die stummen Riesen, die über ihm emporragten, oder gab den Blick frei auf das dunkel türkisblaue Wasser drunten in seiner vollendeten Schale. Während der Nacht hatte es geregnet, so daß die ganze Landschaft im Morgensonnenschein klar und funkelnd dalag; und auf den Bergspitzen und dem Gletscher war der Regen als Schnee niedergegangen, wodurch sie jetzt weißer erschienen, reiner und näher als am Tag zuvor.

Die Luft war kalt, stieg wahrnehmbar wie ein Gezeitenstrom von den vereisten Gipfeln herab, doch die Sonne, in ihrem herbstlichen Höchststand am Himmel, spendete noch immer so viel Wärme, daß das Spazierengehen ein Vergnügen war, und als ich zu einer Stelle kam, wo man vor einem fantastischen Rundblick auf See, Chateau und den Berg dahinter eine Bank postiert hatte, war es auch warm genug, zu rasten und mich hinzusetzen. Ich wischte ein paar Regentropien von der Sitzfläche, ließ mich auf die Bank fallen, vergrub die Hände in den Taschen und schaute geistesabwesend auf das Bilderbuchpanorama, mit den Gedanken im zweiten Gang bei Filmer.

Ich konnte Gestalten sehen, die im Schloßgarten beim Seeufer umherliefen, und dachte ohne Eile daran, vielleicht das Fernglas herauszuholen, um festzustellen, ob einer von ihnen Julius Apollo war. Nicht, daß es viel gebracht hätte, wenn er dort gewesen wäre. Er würde im Blickfeld der Fensterreihen des Chateaus keine brauchbaren Straftaten begehen.

Jemand mit leisen Sohlen kam aus dem Schutz der Bäume den Pfad entlang, blieb stehen und schaute auf den See herunter. Jemand Weibliches.

Ich blickte ohne Neugierde zu ihr hinüber, sah eine Rückansicht von Jeans, blauem Parka, weißen Turnschuhen und einer weißen Strickmütze mit purpurroten Bommeln; dann drehte sie sich um, und ich sah, daß es Xanthe Lorrimore war.

Sie schien enttäuscht, die Bank bereits besetzt zu finden.

«Stört es Sie, wenn ich mich hersetze?«sagte sie.»Es ist ein langer Weg. Ich habe müde Beine.«

«Nein, natürlich nicht. «Ich stand auf und wischte den restlichen Teil der Bank für sie trocken.

«Danke. «Sie lümmelte sich nach Teenagerart hin, und ich nahm meinen Platz wieder ein, mit einem Meter Abstand zwischen uns.

Sie zog die Stirne kraus.»Hab ich Sie nicht schon mal gesehen?«fragte sie.»Sind Sie aus dem Zug?«

«Ja, Miss«, sagte ich, denn es zu leugnen war zwecklos, da sie mich bald wieder im Speisewagen sehen und mich erkennen würde.»Ich gehöre zum Personal.«

«Oh. «Sie schickte sich unwillkürlich an aufzustehen, beschloß dann im nächsten Moment aus Müdigkeit, es doch nicht zu tun, und entspannte sich.»Sind Sie«, sagte sie gedehnt, auf Distanz bleibend,»einer von den Kellnern?«

«Ja, Miss Lorrimore.«

«Derjenige, der mir sagte, ich müsse die Cola bezahlen?«

«Ja, tut mir leid.«

Sie zuckte die Achseln und sah auf den See runter.»Wahrscheinlich«, sagte sie in ungehaltenem Ton,»ist das ja alles ziemlich doll, aber im Grunde langweilt es mich.«

Sie hatte dichtes, nahezu glattes kastanienbraunes Haar, das ihr in einer Welle über die Schultern fiel, und sie hatte feine helle Haut und wunderbare Augenbrauen. Sie würde einmal schön sein, dachte ich, außer wenn sie zuließ, daß der mürrische Zug um den Mund ihr nicht nur das Gesicht, sondern das ganze

Leben verdarb.

«Manchmal wünschte ich, ich wäre arm wie Sie«, sagte sie.

«Dann wäre alles einfach. «Sie warf mir einen Blick zu.»Wahrscheinlich halten Sie mich für verrückt, daß ich das sage. «Sie hielt inne.»Meine Mutter würde sagen, ich sollte sowieso nicht mit Ihnen reden.«

Ich tat, als wollte ich aufstehen.»Ich gehe, wenn Sie möchten«, sagte ich höflich.

«Nein, bleiben Sie. «Sie war unerwartet heftig und staunte sogar selbst darüber.»Ich meine… sonst ist doch keiner da, mit dem man reden kann. Ich meine… na ja.«

«Ich verstehe schon«, sagte ich.

«Ja?«Sie war verlegen.»Ich wollte eigentlich auch mit dem Bus fahren. Meine Eltern glauben, ich sei in dem Bus. Ich wollte mit Rose… Mrs. Young… und mit Mr. Young los. Aber er. «Sie verstummte, doch das kindliche Verlangen zu reden war wieder sehr stark bei ihr und fegte ihre Zurückhaltung über Bord.»Er ist nie so nett zu mir wie sie. Ich glaube, er hat mich satt. Cumber, ist das nicht ein blöder Name? Cumberland eigentlich. Das ist eine Gegend in England, wo seine Eltern die Flitterwochen verbracht haben, sagt Rose. Albert Cumberland Young heißt er. Rose fing an, ihn Cumber zu nennen, als sie sich kennenlernten, weil sie fand, das klinge gemütlicher, aber der ist überhaupt nicht gemütlich, wissen Sie, der ist steif und zugeknöpft. «Sie brach ab und blickte zum Chateau hinunter.»Warum gehen die ganzen Japaner zusammen auf Hochzeitsreise?«

«Ich weiß es nicht.«

«Vielleicht nennen sie ihre Kinder alle Lake Louise.«

«Sie könnten es schlechter treffen.«

«Wie heißen Sie denn?«fragte sie.

«Tommy, Miss Lorrimore.«

Dazu äußerte sie sich nicht. Sie fühlte sich nur halb wohl in meiner Gesellschaft, war sich zu sehr meiner Stellung bewußt. Vor allen Dingen aber wollte sie reden.

«Kennen Sie meinen Bruder Sheridan?«sagte sie.

Ich nickte.

«Das Dumme bei Sheridan ist, daß wir zu reich sind. Er glaubt, er ist allen anderen überlegen, weil er mehr Geld hat. «Sie schwieg.»Was halten Sie davon?«Es war teils eine Herausforderung, teils eine verzweifelte Frage, und ich antwortete ihr aufrichtig.