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«Ich glaube, es ist sehr schwierig, sehr reich zu sein, wenn man sehr jung ist.«

«Wirklich?«Sie war erstaunt.»Aber das wünscht sich doch jeder.«

«Wenn man alles haben kann, vergißt man, wie es ist, etwas entbehren zu müssen. Und wenn man alles bekommt, lernt man nie sparen.«

Das tat sie mit einer Handbewegung ab.»Sparen ist sinnlos. Meine Großmutter hat mir Millionen vermacht. Und Sheridan auch. Wahrscheinlich finden Sie das furchtbar. Er glaubt, er hat’s verdient. Er glaubt, er kann sich alles erlauben, weil er reich ist.«

«Sie könnten das Geld weggeben«, sagte ich,»wenn Sie es furchtbar finden.«

«Würden Sie das tun?«

Ich sagte bedauernd:»Nein.«

«Na bitte.«

«Ich würde einen Teil weggeben.«

«Ich habe Treuhänder, und die erlauben mir das nicht.«

Ich lächelte schwach. Ich hatte Clement Cornborough gehabt. Treuhänder, so hatte er mich einmal streng belehrt, waren dazu da, Vermögen zu bewahren und zu mehren, nicht aber, um zuzulassen, daß es verpulvert wurde; und er werde einem Fünfzehnjährigen nicht erlauben, eine Farm für ausgediente Rennpferde zu finanzieren.

«Wieso glauben Sie, daß Reichsein schwer ist?«wollte sie wissen.»Es ist leicht.«

«Sie sagten doch gerade, das Leben wäre einfach, wenn Sie arm wären«, erwiderte ich neutral.

«Ja, schon. Das meinte ich wohl nicht ernst. Oder nicht so ganz. Ich weiß nicht, ob ich das ernst gemeint habe. Warum ist es schwierig, reich zu sein?«

«Zuviel Versuchung. Zuviel Schädliches, was man sich leisten kann.«

«Meinen Sie Drogen?«

«Alles mögliche. Zu viele Paar Schuhe. Selbstüberhebung.«

Sie zog ihre Füße auf die Bank, schlang die Arme um ihre Knie und sah mich darüber hinweg an.»Diese Unterhaltung wird mir keiner abnehmen. «Sie schwieg.»Wären Sie gern reich?«

Es war eine unbeantwortbare Frage. Ausweichend sagte ich wahrheitsgemäß:»Ich würde nicht gern verhungern.«

«Mein Vater meint«, erklärte sie,»man ist nicht besser, weil man reicher ist, sondern reicher, weil man besser ist.«

«Hübsch.«

«Er sagt dauernd solche Sachen. Manchmal verstehe ich sie nicht.«

«Ihr Bruder Sheridan«, sagte ich vorsichtig,»scheint nicht sehr glücklich zu sein.«

«Glücklich!«Sie war geringschätzig.»Der ist doch nie zufrieden. Den hab ich fast in seinem ganzen Leben noch nicht froh und glücklich gesehen. Außer, daß er manchmal über Leute lacht. «Sie war unschlüssig.»Wenn er lacht, muß er wohl auch froh sein. In Wirklichkeit verachtet er sie aber — deshalb lacht er. Ich wünschte, ich könnte Sheridan gern haben. Ich wünschte, ich hätte einen tollen Bruder, der sich um mich kümmert und mit mir rumzieht. Das würde Spaß machen. Aber mit Sheridan geht das natürlich nicht, da gibt es bloß Ärger. Er ist fürchterlich auf dieser Reise. Viel schlimmer als sonst. Ich meine, es ist doch peinlich mit ihm.«

Sie runzelte die Stirn, mochte ihre Gedanken nicht.

«Irgend jemand sagte«, tippte ich an, ohne mein starkes Interesse durchblicken zu lassen,»er habe in England ein bißchen Ärger gehabt.«

«Ein bißchen Ärger? Ich dürfte es Ihnen nicht sagen, aber er hätte ins Gefängnis gehört, nur daß sie nicht auf einer Anklage bestanden haben. Ich glaube, mein Vater hat sie mit Geld abgefunden… und das ist jedenfalls der Grund, weshalb Sheridan im Augenblick tut, was meine Eltern sagen — sie haben gedroht, ihn vor Gericht stellen zu lassen, wenn er auch nur piep sagt.«

«Könnte er noch vor Gericht gestellt werden?«fragte ich ohne Nachdruck.

«Was ist Verjährung?«

«Eine Frist«, sagte ich,»nach der man für eine bestimmte Straftat nicht mehr belangt werden kann.«

«In England?«

«Ja.«

«Sie sind Engländer, nicht wahr?«fragte sie.

«Ja.«

«Er sagte: >Sparen Sie sich die Worte. Verjährung läuft nicht.««

«Wer sagte das?«

«Ein Rechtsanwalt, glaube ich. Was hat er damit gemeint? Soll das heißen, Sheridan ist… ist…«»Verwundbar?«

Sie nickte.»Für… immer?«

«Vielleicht für lange Zeit.«

«Zwanzig Jahre?«Ein unvorstellbarer Zeitraum, besagte ihr Tonfall.

«Es müßte schon sehr schlimm gewesen sein.«

«Ich weiß nicht, was er getan hat«, sagte sie verzweifelt.»Ich weiß nur, daß es diesen Sommer verdorben hat. Absolut verdorben. Und eigentlich müßte ich jetzt in der Schule sein, aber sie haben mich mit auf die Reise genommen, weil sie mich nicht allein im Haus lassen wollten. Na ja, nicht ganz allein, aber allein bis auf die Dienstboten. Und zwar deshalb nicht, weil meine Kusine Susan Lorrimore, die ist siebzehn, im Sommer mit dem Sohn ihres Chauffeurs abgehauen ist, und dann haben die geheiratet, und es gab einen Aufstand in der Familie. Dabei kann ich verstehen, warum sie’s getan hat — dauernd haben sie sie in dem Riesenhaus allein gelassen und sind nach Europa getourt; sie ist fast vergangen vor Langeweile, und überhaupt scheint der Chauffeurssohn blitzgescheit und süß zu sein, und sie hat mir eine Karte geschrieben, daß sie rein gar nichts bereut. Meine Mutter hat eine Heidenangst, jetzt würde ich auch abhauen mit irgend so einem.«

Sie unterbrach sich jäh, blickte mich ein wenig verstört an und sprang auf.

«Ich hab’s vergessen«, sagte sie.»Ich hab nicht mehr dran gedacht, daß Sie ein.«

«Ist schon gut«, sagte ich, ebenfalls aufstehend.»Wirklich.«

«Wahrscheinlich rede ich zuviel. «Sie war besorgt und unsicher.»Sie werden doch nicht.«

«Nein. Kein Wort.«

«Cumber riet mir, meine Zunge im Zaum zu halten«, sagte sie verärgert.»Er weiß ja nicht, wie es ist, wenn man in einem

Mausoleum lebt, wo jeder den anderen finster ansieht und Daddy krampfhaft lächelt. «Sie schluckte.»Was würden Sie tun«, wollte sie wissen,»wenn Sie an meiner Stelle wären?«

«Ihren Vater zum Lachen bringen.«

Sie war verwirrt.»Meinen Sie. ihm Freude machen?«

«Er braucht Ihre Liebe«, sagte ich. Ich deutete auf den Weg zurück zum Chateau.»Wenn Sie vorgehen wollen — ich komme dann nach.«

«Gehen Sie doch mit mir.«

«Nein. Besser nicht.«

In einem Wirrwarr von Gefühlen, zu dessen Klärung ich wenig beigetragen hatte, brach sie auf, schaute sich noch zweimal um, bis sie in einer Wegbiegung verschwand, und ich setzte mich, obwohl mir jetzt kalt wurde, wieder auf die Bank, dachte über das nach, was sie erzählt hatte, und war dankbar wie eh und je für Tante Viv.

Mit Xanthe war nicht viel verkehrt, dachte ich. Einsam, bekümmert, zuwendungsbedürftig, noch fremd in der Welt der Erwachsenen, sehnte sie sich in erster Linie nach genau dem gleichen, was sich Mercer selbst wünschte — eine freundliche Familiengemeinschaft. Es war ihr nicht eingefallen, ihre Eltern vor den Kopf zu stoßen, indem sie sich an einen Kellner kuschelte; ganz im Gegenteil. Sie hatte mich ihre Distanz spüren lassen, war jedoch keineswegs falsch oder unaufrichtig zu mir gewesen. Ich hätte nichts gegen eine jüngere Schwester wie sie einzuwenden gehabt, mit der ich herumziehen und etwas Lustiges hätte unternehmen können. Ich hoffte, sie würde lernen, in Frieden mit ihrem Geld zu leben, und dachte, daß vielleicht ein Monat Dienst an anderen Leuten, bei einem guten Team wie Emil, Oliver und Cathy, die beste Erziehung wäre, die sie bekommen könnte.

Nach einer Weile suchte ich das ganze Schloß und seine Gärten mit dem Fernglas ab, konnte Filmer aber nicht entdecken, was nicht weiter verwunderlich war. Schließlich brach ich auf, machte einen Umweg hinauf zum Fuß des Gletschers und stapfte den rissigen, verharschten, gräulich braungrünen Rand des Eisflusses entlang.