«Was haben Sie ihm gesagt?«fragte ich mit plötzlicher Besorgnis.
«Ich sagte, ich hätte es aus der Luft gegriffen. «Er sah, wie ich mich ein wenig entspannte, und fragte:»Wie sind Sie denn darauf gekommen?«
«Vor nicht allzu langer Zeit hörte ich von jemand, der genau das getan hat.«
«Verrückt.«
«M-hm. «Ich hielt inne.»Wer hat Sie gefragt?«
«Weiß ich nicht mehr. «Er dachte nach.»Könnte sein, daß es Mr. Young war.«
Das konnte allerdings sein, dachte ich. Ezra Gideon war sein Freund.
Es konnte auch Filmer gewesen sein. Ezra Gideon war sein Opfer.
«Sind Sie sicher?«fragte ich.
Er überlegte noch einmal.»Ja — Mr. Young. Er saß da mit seiner entzückenden Frau, und er stand auf und kam durch den Saal, um zu fragen.«
Ich trank Wein und sagte im Plauderton:»Hat sonst noch jemand reagiert?«
Zaks Aufmerksamkeit, niemals tief schlummernd, erwachte zu einer intuitiven Erkenntnis.
«Wittere ich da«, sagte er,»einen Hauch von Hamlet?«
«Wie meinen Sie das?«fragte ich, obwohl ich genau wußte, was er meinte.
«Das Schauspiel sei die Schlinge, in die den König sein Gewissen bringe? Richtig? War es das, was Sie vorhatten?«
«In milder Form.«
«Und morgen?«
«Morgen auch«, gab ich zu.
Er sagte grübelnd:»Sie bringen doch keinen von uns in Schwierigkeiten? Nicht, daß man uns einen Beleidigungsprozeß anhängt oder so was?«
«Ich gebe Ihnen mein Wort darauf.«
«Vielleicht sollte ich Sie das Manuskript für morgen nicht schreiben lassen.«
«Sie müssen tun, was Sie für das Beste halten. «Ich nahm das fertige Manuskript vom Tisch neben mir und reckte mich vor, um es ihm zu geben.»Lesen Sie’s erst mal, dann entscheiden Sie.«
«Okay.«
Er setzte sein Glas ab und begann zu lesen. Er las bis zum Ende und hob schließlich ein lächelndes Gesicht.
«Das ist toll«, sagte er.»All meine ursprünglichen Ideen, überlagert von Ihren.«
«Gut. «Ich war erleichtert, daß es ihm gefiel, und fand ihn großzügig.
«Wo klingt da Hamlet an?«
«Bei dem, der nicht weislich liebt, sondern zu sehr.«
«Das ist Othello.«
«Pardon.«
Er dachte nach.»Mir kommt es ja ganz harmlos vor, aber…«
«Ich will nichts weiter«, sagte ich,»als bestimmten Leuten die Augen öffnen. Sie warnen vor dem Weg, den sie beschreiten. Ich kann nicht gut hingehen und es ihnen auf den Kopf zu sagen, oder? Von Tommy würden sie den Rat nicht annehmen. Sie würden ihn wahrscheinlich von keinem annehmen. Aber wenn sie etwas gespielt sehen… daraus können sie lernen.«
«Wie Hamlets Mutter.«
«Ja.«
Er trank einen Schluck Whisky.»Wen möchten Sie warnen und wovor?«
«Das sage ich Ihnen lieber nicht, dann trifft Sie auch keine Schuld.«
«Wozu sind Sie eigentlich wirklich im Zug?«fragte er stirnrunzelnd.
«Das wissen Sie doch. Um alle bei Laune zu halten und den Bösen einen Strich durch die Rechnung zu machen.«
«Und dabei hilft diese Szene?«»Ich hoffe es.«
«Na schön. «Er entschloß sich.»Ich habe nichts dagegen, den Bösen ins Handwerk zu pfuschen. Wir werden unser Bestes tun.«
Plötzlich grinste er.»Der Hamlet-Aspekt wird den anderen gefallen.«
Ich erschrak.»Nein… bitte sagen Sie ihnen nichts davon.«
«Warum denn nicht?«
«Die Fahrgäste sollen denken, jede Ähnlichkeit zwischen der Handlung und ihrem eigenen Leben sei rein zufällig. Ich möchte nicht, daß ihnen die Schauspieler hinterher sagen, daß alles beabsichtigt war.«
Er lächelte schief.»Also doch üble Nachrede?«
«Nein. Da besteht keine Gefahr. Es ist nur… sie sollen nicht herausbekommen, daß ich es bin, der so viel über sie weiß. Falls jemand die Schauspieler fragt, woher die Handlung stammt, wäre es mir viel lieber, sie würden sagen, von Ihnen.«
«Damit ich in der Scheiße lande?«Er sagte es aber gutgelaunt.
«Sie sind doch über jeden Verdacht erhaben. «Ich lächelte schwach.»Abgesehen von zu vereitelnden Schurkenstreichen heißt Erfolg für mich, daß ich bis zum Schluß hinter Tommy verborgen bleibe und aus dem Zug steige, ohne enttarnt worden zu sein.«
«Sind Sie eine Art Agent?«
«Ein Sicherheitsbeamter, sonst nichts.«
«Kann ich Sie in mein nächstes Stück reinbringen? Meinen nächsten Eisenbahnkrimi?«
«Bitte sehr.«
Er lachte, gähnte, stellte sein Glas hin und stand auf.
«Also, Sportsfreund, wer immer Sie auch sind«, sagte er,»es war lehrreich, Sie kennenzulernen.«
Nell rief früh um sieben in meinem Zimmer an.»Sind Sie wach?«sagte sie.
«Hellwach.«
«Heute nacht hat es wieder geschneit. Die Berge sind weiß.«
«Ich kann sie sehen«, sagte ich,»von meinem Bett aus.«
«Schlafen Sie bei offenen Vorhängen?«
«Immer. Sie auch?«
«Ja.«
«Sind Sie angezogen?«fragte ich.
«Ja. Womit hat das denn was zu tun?«
«Mit Abwehrbereitschaft, auch am Telefon.«
«Ich hasse Sie.«
«Man kann nicht alles haben.«
«Hören Sie zu«, sagte sie streng, ein Lachen unterdrückend.
«Mal vernünftig jetzt. Ich wollte fragen, ob Sie heute nachmittag, wenn die Reise weitergeht, wieder zum Bahnhof laufen oder mit dem Personalbus runterfahren möchten.«
Ich überlegte.»Mit dem Bus, denke ich.«
«Okay. Dieser Bus fährt um 15 Uhr 35 vor dem Gesindehaus ab. Nehmen Sie Ihre Tasche mit.«
«In Ordnung. Danke.«
«Der ganze Zug mit Pferden, Rennbahnbesuchern und allem trifft von Banff kommend um 16 Uhr 15 auf dem Bahnhof Lake Louise ein. So haben die Fahrgäste reichlich Zeit, einzusteigen und wieder ihre Abteile zu belegen, und können in Ruhe mit dem Auspacken anfangen, bevor wir Lake Louise um Punkt 16 Uhr 35 verlassen. Da der reguläre Zug — der Canadian — wieder hinter uns ist und Lake Louise um 17 Uhr 10 verläßt, müssen alle beizeiten an Bord sein, damit wir pünktlich abfahren können.«
«Versteht sich.«»Das alles werde ich den Fahrgästen beim Frühstück erzählen und auch, daß wir um halb sechs im Speisewagen Sekt und Appetithappen für jedermann servieren, und um sechs gibt’s die Auflösung des Krimis und danach Cocktails für den, der mag, und dann das Galabankett. Anschließend kommen die Schauspieler zu Fotoaufnahmen und Diskussionen beim Cognac wieder. Das hört sich alles teuflisch an.«
Ich lachte.»Es wird wie am Schnürchen laufen.«
«Wenn ich damit fertig bin, gehe ich ins Kloster.«
«Da wüßte ich aber Besseres.«
«Was denn zum Beispiel?«
«Hawaii?«
Es war plötzlich still in der Leitung. Dann sagte sie:»Ich muß zurück an meinen Schreibtisch…«
«Den Schreibtisch könnten wir mitnehmen.«
Sie kicherte.»Ich hör mich mal nach den Frachtmöglichkeiten um.«
«Also abgemacht?«
«Nein… ich weiß nicht… Ich gebe Ihnen in Vancouver Bescheid.«
«Vancouver«, sagte ich,»ist morgen früh.«
«Dann eben nach den Rennen.«
«Und vor dem Klipper?«
«Geben Sie jemals auf?«
«Das kommt auf die Signale an«, sagte ich.
Kapitel 16
Filmer klebte während des Transports vom Chateau zur Bahn in Lake Louise an seinem Aktenkoffer, auch wenn er seinen Reisekoffer mit denen der übrigen Gesellschaft zum Bahnhof hatte bringen lassen, wo sie zu einer langen Reihe nebeneinandergestellt wurden und darauf warteten, daß Gepäckträger sie in den Zug luden.