Walter gab sich geschlagen.»Ich überlasse Giles das Pferd.«
Allgemeine Bestürzung folgte. Mavis erhob Einspruch. Giles sei zwar ein sehr netter, angenehmer Mensch, aber sie kennten ihn kaum, sagte sie.
Raoul sagte verbittert, Walter hätte ihm das Pferd geben sollen. Er habe so hart gearbeitet…
Giles sagte, Walter habe ihm, Giles, das Pferd angeboten, und natürlich habe er ja gesagt. Nach dem Rennen am Dienstag werde er über Calculators Zukunft entscheiden.
Walter starrte vor sich hin. Giles gab sich furchtbar nett.
Donna löste sich unvermittelt von Pierre und sagte ziemlich heftig:»Nein, Daddy, ich lasse nicht zu, daß du das tust. Ich weiß schon, was los ist… das kommt nicht in Frage.«
Walter herrschte sie an, den Mund zu halten. Donna ließ sich nicht bremsen. Es sei ihre Schuld, daß ihr Vater erpreßt werde, und sie werde nicht zulassen, daß er sein Pferd weggebe.
«Sei still«, befahl Walter.
«Ich habe Mutters Schmuck gestohlen«, sagte sie unglücklich in die Runde.»Ich stahl ihn, um Pierres Schulden zu begleichen. Sie sagten, sie würden ihn verprügeln, wenn er nicht zahle. Der Schmuck hätte doch eines Tages sowieso mir gehört, das steht in Mutters Testament… ich habe mich also eigentlich nur selbst bestohlen… aber dann hat er’s gemerkt…«
«Wer hat es gemerkt?«wollte Zak wissen.
«Giles«:, sagte sie.»Er sah mich aus Mutters Zimmer kommen. Ich nehme an, ich sah erschrocken aus… vielleicht auch schuldbewußt. Ich hatte ihren Schmuck in einer Einkaufstasche. Wahrscheinlich hat er das erst erraten, als Mutter dann ankam und sagte, jemand habe ihn gestohlen… Er zwang mich, ihm den Schmuck zu geben. sonst würde er dafür sorgen, daß man mich verhaftet, sagte er, und das würde meinen Eltern nicht gefallen.«
«Haltet ihn!«schrie Zak plötzlich, als Giles auf den Vorraum losstürmte, und Raoul, ein kräftiger Bursche, schnitt ihm den Weg ab und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Giles mimte Schmerzen.
Zak bat Walter zu sprechen.
Walter sagte verzweifelt, Giles habe ihm angedroht, öffentlich zu beweisen, daß Donna den Schmuck gestohlen hatte, wenn Walter ihm das Pferd nicht gebe. Selbst wenn Walter nicht gerichtlich gegen seine Tochter vorgehe, hatte Giles gesagt, werde alle Welt erfahren, daß sie eine Diebin sei. Walter gab zu, daß Giles gesagt hatte:»Was ist schon ein Pferd gegen den Ruf Ihrer Tochter?«Walter hatte geglaubt, keine Wahl zu haben.
Donna weinte. Mavis weinte. Das halbe Publikum weinte.
Filmer war erstarrt. Ebenso Mercer, Bambi und Sheridan; alle saßen bewegungslos auf ihren Plätzen.
«Es war nicht vernünftig, Ihre Tochter so sehr zu lieben«, sagte Raoul.»Sie hat die Juwelen gestohlen. In so einem Fall sollten Sie sie nicht decken. Sie sehen ja, wohin das führt. In die Hände eines Erpressers, und zum Verlust des Pferdes, an dem Ihr Herz hängt. Und dachten Sie, es wäre bei dem einen Pferd geblieben? Sie haben noch zwei, die ich betreue, vergessen Sie das nicht.«
«Es reicht«, sagte Mavis und verteidigte jetzt Walter.»Er ist ein wunderbarer Mann, wenn er seinen liebsten Besitz hergibt, um seine Tochter zu retten.«
«Ein Dummkopf ist er«, sagte Raoul.
Während dieses Dialogs kam Zak in den Vorraum, wie um eine Nachricht entgegenzunehmen, dann kehrte er zur Mitte des Speisewagens zurück, riß einen Umschlag auf und las den Inhalt.
Er sagte, der Brief sei von Ben, der neulich um Geld gebettelt habe — erinnerten sie sich? Sie erinnerten sich.
Ben, sagte Zak, habe es mit der Angst zu tun bekommen und sei deshalb aus dem Zug geflohen, habe aber diesen nach seinem Weggang zu öffnenden Brief hinterlassen. Zak las den Brief mit bedeutungsschwerer Stimme vor.
«Ich weiß, wer Ricky umgebracht hat. Ich weiß, wer ihn aus dem Zug geworfen hat. Ricky sagte mir, er wisse, wer diese Frau, diese Angelica Soundso, getötet habe. Ricky sah den Mörder mit einem großen Stück zusammengerolltem Plastik. Da ahnte er wohl noch nicht, daß es ein Mörder war. Der Mann kam den Zug rauf, in den Abschnitt, wo die Pfleger sind, und er war in dem Verbindungsgang zwischen zwei Schlafwagen und zwängte die Plastikplane durch einen Spalt im Boden, bis sie glücklich rausfiel, und dann sah er, daß Ricky ihm zuschaute. Ricky dachte sich nichts weiter dabei, bis wir von Angelica Soundso und der Plane mit ihrem Blut erfuhren, da kriegte er Angst und sagte mir alles. Und dann wurde er aus dem Zug gestoßen. Ich weiß, wer das war, es war mir sonnenklar, aber ich habe geschwiegen. Ich wollte nicht tot neben den Eisenbahnschienen enden. Aber jetzt, wo ich in Sicherheit bin, sage ich es Ihnen, und zwar ist es dieser Gutaussehende, den sie auf dem Bahnhof von Toronto Giles genannt haben. Da habe ich ihn nämlich gesehen, genau wie Ricky auch. Der war es.«
Zak hörte auf zu lesen, und Giles wand sich in Raouls Griff und schrie, das sei Unsinn. Lügen. Alles erfunden.
Raoul sah aus, als würde er Giles am liebsten den Arm brechen wegen der Ermordung Angelicas, die schließlich seine Frau war, auch wenn sie sich getrennt hatten.
Wie könnte ein Stallbursche wie Ben so etwas erfinden? sagte Zak, mit dem Brief wedelnd. Es sei wohl an der Zeit, daß jemand Giles’ Abteil durchsuche, um den Schmuck und anderes belastendes Material zu sichern.
«Dazu haben Sie kein Recht. Sie haben keinen Durchsuchungsbefehl. Und dieser Mann bricht mir den Arm.«
«Sie haben seine Frau ermordet, was erwarten Sie denn?«sagte Zak,»und einen Durchsuchungsbefehl brauche ich nicht. Ich bin der Chef der Eisenbahnkripo, denken Sie dran. In Zügen ermittle und suche ich, wo es mir paßt. «Er marschierte davon, ging schwankend an mir vorbei den Gang hinunter, hielt am Ende der Küchenwand an, wo er eine Sporttasche mit Requisiten stehen hatte, und kam alsbald zurückmarschiert. Die anderen Darsteller hatten sich inzwischen ihren Rollen entsprechend über die Enthüllung erregt, daß Giles sowohl ein Mörder wie auch ein Erpresser war. Zak ging mit der Sporttasche — zufällig, wie mir schien — zu dem Tisch gegenüber den Lorrimores. Die Leute, die dort saßen, räumten ihre Gläser und leeren Teller in eine Ecke, und Zak stellte die Tasche auf das rosa Tischtuch und öffnete ein paar Reißverschlüsse.
Zu niemandes Überraschung zog er den Schmuck hervor. Mavis bekam ihn wieder, und ihre Freude war ein wenig gedämpft durch das Wissen, wer ihn gestohlen hatte. Vorwurfsvolle Blicke und so weiter.
Dann entdeckte Zak eine Mappe mit Papieren.
«A-HAH!«sagte er.
Giles wand sich, doch vergebens.
Zak sagte:»Hier haben wir auch das Motiv für die Ermordung Angelicas. Hier ist nämlich ein Brief an Giles von Steve, Angelicas Liebhaber und Geschäftspartner, der sich bitter beklagt, daß er nachgeprüft hat, was mit seinem und Angelicas Geld geschehen ist, und daß Giles in seiner Eigenschaft als Vollblutagent nicht die Pferde gekauft hat, für die das Geld gedacht war und die gekauft zu haben er behauptet. Steve stellt klar, daß er, wenn Giles nicht eine gute Erklärung bei der Hand hat, zur Polizei gehen wird.«
«Lügen«, brüllte Giles.
«Hier steht es doch. «Zak schwenkte den Brief, den sich später, zusammen mit Bens Nachricht, alle anschauten. Beides sah authentisch aus: Zaks Requisiten waren perfekt.»Giles hat das Geld von Angelica und Steve veruntreut«, sagte er,»und als sie damit drohten, ihn bloßzustellen, brachte er sie um. Dann brachte er den Pfleger um, der zuviel wußte. Dann erpreßte er Walter Bricknell, der seine Tochter zu sehr liebte. Dieser Giles ist Abschaum. Ich werde veranlassen, daß der Zugführer ihn festnimmt und ihn in Revelstoke abführen läßt, wo wir in zwei Stunden anhalten.«
Er ging wieder auf den Vorraum zu.
Giles riß sich endlich doch von Raoul los, schnappte sich die Pistole, die Zak in einem Holster an der Hüfte trug, und fuchtelte damit herum.»Legen Sie das hin«, warnte Zak.»Die Waffe ist geladen.«