Выбрать главу

Kapitel 21

Bill Baudelaire, der sie überredet hatte, mit ihm nach Vancouver zu kommen, räusperte sich, und es klang, als sei er bemüht, nicht zu lachen.

«Mrs. Quentin«, sagte er zur Allgemeinheit,»ist bereit auszusagen.«

«Und wie!«unterbrach Daffodil.

«… daß Sie ihr gedroht haben, sie wegen der Tötung eines ihrer Pferde anzuzeigen, wenn sie Ihnen nicht ihren verbliebenen Anteil an Laurentide Ice überläßt — wenn sie Ihnen den nicht schenkt.«

«Sie haben mich ausgenutzt«, sagte Daffodil wütend.»Sie haben sich eine Karte für den Zug gekauft und aus allen Poren Ihren Charme verströmt, und Ihr einziges Ziel war, sich bei Mercer Lorrimore einzuschmeicheln, damit Sie ihn verhöhnen und ihm weh tun und ihm sein Pferd wegnehmen konnten. Ich finde Sie zum Kotzen.«

«Das brauche ich mir nicht anzuhören«, sagte Filmer.

«Das tun Sie jetzt sehr wohl, verdammt noch mal. Es wird Zeit, daß Ihnen mal jemand ins Gesicht sagt, was für ein mieser, aufgeblasener Schleimpfropfen Sie sind, und Ihnen etwas von dem Haß zurückgibt, den Sie säen.«

«Ehm«, sagte Bill Baudelaire.»Wir haben hier einen gestern abgefaßten Brief von Mrs. Quentins Versicherung, der besagt, daß man sich durch eingehende Untersuchung ihres an einer Kolik gestorbenen Pferdes von der Rechtmäßigkeit ihres Versicherungsanspruches überzeugt hat. Ferner haben wir hier eine eidesstattliche Erklärung des Stallburschen Lenny Higgs, aus der hervorgeht, daß er Ihnen bei einem Ihrer ersten Besuche im Pferdewaggon von der Kolik und von den eigens numerierten

Futtermitteln für Laurentide Ice erzählt hat. Des weiteren schwört er, daß man ihn später eingeschüchtert hat, damit er zugibt, dem Pferd, das dann an der Kolik starb, auf Geheiß von Mrs. Quentin irgendein Futter verabreicht zu haben. «Er räusperte sich.»Wie Sie gehört haben, ist die Versicherungsgesellschaft überzeugt, daß das Futter, was immer es nun war, nicht den Tod des Pferdes herbeigeführt hat. Ferner sagt Lenny Higgs aus, daß der Mann, der ihn eingeschüchtert hat, indem er sagte, er würde ins Gefängnis kommen, sich dort mit Aids infizieren und sterben-, daß dieser Mann ein ehemals bei der VIA Rail angestellter Gepäckarbeiter namens Alex Mitchell McLachlan ist.«

«Was?« Zum erstenmal lag Angst in Filmers Stimme, und das war Musik für mich.

«Lenny Higgs erkennt ihn zweifelsfrei auf diesem Foto.«

Eine Pause entstand, während Bill Baudelaire es hinüberreichte.

«Der Mann ist unter dem Namen Johnson im Rennbahnbesucherabschnitt des Zuges gereist. Das Foto wurde gestern ausgiebig unter VIA-Angestellten in Toronto und Montreal herumgezeigt, und man hat ihn mehrmals als Alex McLachlan identifiziert.«

Filmer hätte jetzt reden können, doch es blieb still.

«Man hat beobachtet, wie Sie mit McLachlan sprachen.«

«Na, und ob«, unterbrach Daffodil.»Sie haben mit dem geredet… sich mit ihm gezankt — in Thunder Bay, und er gefiel mir nicht. Das auf dem Foto ist er. Ich erkenne ihn auch. Sie haben ihn benutzt, um Lenny einzuschüchtern, und mir sagten Sie, Lenny würde gegen mich aussagen, und ich ahnte ja nicht, daß Sie dem armen Jungen mit so einer furchtbaren Drohung Angst gemacht hatten. Sie sagten mir, er könne mich nicht ausstehen und werde mich frohen Herzens verleumden. «Die Ungeheuerlichkeit all dessen raubte ihr fast die Sprache.»Ich weiß nicht, wie Sie damit leben können. Ich begreife nicht, wie jemand so voller Sünde sein kann.«

In ihrer Stimme schwang die ganze alte Bedeutung des Wortes mit: eine Verfehlung gegen Gott. Es war stark, dieses Wort, dachte ich, und es hatte Filmer vollends zum Schweigen gebracht.

«Es mag gegenüber dem Vorhergehenden harmlos erscheinen«, sagte der Brigadier nach einer Pause,»aber wir wenden uns jetzt einer gänzlich anderen Angelegenheit zu. Sie wird demnächst auch den Ordnungsausschuß des Jockey Club am Portland Square beschäftigen. Ich spreche vom Besitz eines Grundstücks, das beim Katasteramt als SF90155 verzeichnet ist.«

Der Brigadier erzählte mir später, daß Filmer an dieser Stelle grau im Gesicht wurde und zu schwitzen anfing.

«Dieses Grundstück«, fuhr seine Soldatenstimme fort,»ist als der West-Hillside-Stall bei Newmarket bekannt. Ein Stall, der Ivor Horfitz gehörte und von dessen Privattrainer auf so unredliche Weise geführt wurde, daß man Ivor Horfitz auf Lebenszeit vom Rennsport — und vom Rennstallbetrieb — ausschloß. Er wurde angewiesen, West Hillside zu verkaufen, da er keinen Fuß mehr dort hinsetzen durfte, und man nahm an, er habe es getan. Aber nun möchte der neue Eigentümer seinerseits verkaufen und hat auch einen Interessenten gefunden, doch die Anwälte des Interessenten haben gründlich nachgeforscht und dabei entdeckt, daß Horfitz überhaupt nicht berechtigt gewesen war, die Stallungen zu verkaufen. Sie gehörten — und gehören auch jetzt noch — von Rechts wegen Ihnen, Mr. Filmer.«

Man hörte ein leises Stöhnen, das vielleicht von Filmer kam.

«Da dem so ist, werden wir Ihre Beziehung zu Ivor Horfitz und zu den rechtswidrigen Praktiken, die jahrelang im West-Hillside-Stall ausgeübt wurden, untersuchen müssen. Auch haben wir guten Grund anzunehmen, daß Ivor Horfitz’ Sohn

Jason weiß, daß Sie der Eigentümer des Anwesens sind und in den Stallbetrieb verwickelt waren und daß Jason dies gegenüber seinem Freund, dem Stallburschen Paul Shacklebury, geäußert hat; Paul Shacklebury wiederum war, wie Sie sich erinnern werden, der Gegenstand Ihres Prozesses wegen Anstiftung zum Mord, der Anfang dieses Jahres stattfand.«

Es war lange, lange still.

Daffodils Stimme sagte flüsternd:»Ich kapiere überhaupt nichts mehr, und Sie?«

Mercer antwortete ebenso leise:»Die haben eine Möglichkeit gefunden, ihm Rennbahnverbot auf Lebenszeit zu erteilen.«

«Ah, schön, aber das hört sich so langweilig an.«

«Nicht für ihn«, murmelte Mercer.

«Wir kehren jetzt«, sagte Bill Baudelaires Stimme lauter,»zum Rennexpreß zurück und kommen zu Ihrem Versuch, den Zug verunglücken zu lassen. «Er hüstelte.»Wollen Sie bitte eintreten, Mr. Burley?«

Ich lächelte George zu, der sich die Horfitz-Sache verständnislos und das übrige mit entsetztem Staunen angehört hatte.

«Wir sind dran«, sagte ich, zog meinen Regenmantel aus und legte ihn auf ein Büfett.»Nach Ihnen.«

Er und ich, die letzten im Anrichteraum, traten durch die Tür. Er trug seine graue Uniform und hielt die Zugführermütze in der Hand. Ich erschien in Tommys grauen Hosen, grau und weißem Hemd, dunkelgelber Weste und schmucker gestreifter Krawatte. Geschniegelt, gebügelt, gereinigt, gestriegelt: eine Huldigung an VIA Rail.

Julius Filmer sah den Zugführer und einen Kellner, von dem er, ganz mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, kaum je Notiz genommen hatte. Der Brigadier und Bill Baudelaire sahen den Kellner zum erstenmal, und auf dem einen wie dem anderen Gesicht spiegelte sich erwachende Erkenntnis. Ich hatte ihnen mittlerweile zwar gesagt, daß ich beim Personal gearbeitet hatte, aber so ganz hatten sie noch nicht begriffen, wie perfekt die Tarnung gewesen war.

«Ach, der sind Sie!«rief Daffodil aus, die jetzt auf einem der Stühle am Konferenztisch saß.»Ich wußte draußen nicht, wo ich Sie hintun sollte.«

Mercer tätschelte ihre Hand, die auf dem Tisch lag, und lächelte mir über ihren Kopf hinweg ganz leise zu. Die drei hohen Tiere aus Vancouver nahmen mich für das, was sie sahen, da sie es nicht besser wußten.

«Würden Sie bitte vortreten?«sagte Bill Baudelaire.

George und ich gingen an dem Konferenztisch vorbei nach vorn, bis wir näher am Schreibtisch waren. Die beiden Sicherheitschefs saßen hinter dem Schreibtisch, Filmer in dem Lehnstuhl davor. Filmers Hals war steif, seine Augen waren finster, und der Schweiß lief ihm an den Schläfen herab.