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«Guter Gott«, sagte er bestürzt.»Jetzt muß er doch wohl ins Gefängnis?«

«Auf jeden Fall bekommt er Rennbahnverbot, und das ist das, was er am allerwenigsten möchte. Er hat Paul Shacklebury umbringen lassen, um es zu verhindern. Ich glaube, im Rennsport sind wir ihn los. Im übrigen… da müssen wir wohl abwarten, was die kanadische Polizei und VIA Rail auf die Beine stellen, und wollen hoffen, daß sie McLachlan finden.«

Wenn McLachlan bloß nicht von Bären gefressen worden ist, dachte ich. (Und sie hatten ihn nicht gefressen: Er wurde eine Woche darauf wegen Werkzeugdiebstahls auf einem Abstellbahnhof in Edmonton festgenommen und später zusammen mit Filmer wegen des schweren, altbekannten Delikts der Eisenbahnsabotage verurteilt. Daß sie versucht hatten, ein Zugunglück herbeizuführen, ergab sich hauptsächlich aus der Aussage eines zeitweiligen Mitglieds des Zugpersonals in VIA-Rail-Kleidung. Die Leute von VIA Rail setzten mich rückwirkend auf ihre Personalliste und schüttelten mir die Hand. Filmer wurde inhaftiert, obwohl er sich damit verteidigte, daß er McLachlan in keinem Anklagepunkt ausdrückliche Weisungen erteilt und schließlich noch versucht habe, ihn aufzuhalten. Man wies nach, daß er vorsätzlich einen gewalttätigen Saboteur angeworben hatte; ein möglicher späterer Sinneswandel wurde als belanglos betrachtet. Filmer fand nie heraus, daß ich kein Kellner war, da seine Anwälte gar nicht auf die Idee kamen, danach zu fragen, und es nahm die Geschworenen sehr gegen ihn ein, daß er ohne jeden Anlaß vor zahlreichen Augenzeugen einen wehrlosen Bahnangestellten tätlich angegriffen hatte, obgleich er von dem gebrochenen Schulterblatt wußte. Der Brigadier verzog die ganze Zeit keine Miene.»Das hat prima funktioniert«, meinte er hinterher.»War es nicht eine Wucht, wie Daffodil Quentin sie überzeugt hat, daß der arme Junge nur deswegen brutal zusammengeschlagen worden ist, weil er verhindert hat, daß alle im Schlaf zu Tode kamen? Wunderbar. Die Sinneswandel-These wurde augenblicklich zum Witz. Danach konnten sie Filmer gar nicht schnell genug schuldig sprechen. «McLachlan seinerseits schwor, ich hätte ihn auf der Bahnstrecke beinah umgebracht. Ich sagte, er sei gestolpert und so auf die Schienen geschlagen, daß er das Bewußtsein verloren habe. McLachlan konnte keine Röntgenbilder vorweisen, und zu seiner Empörung glaubte ihm niemand.»Knochenfraktur oder nicht, dieser Kellner kämpft wie ein gottverdammter Tiger«, sagte er.»Filmer könnte ihn unmöglich verprügeln.«

Filmer hatte es aber getan. Man hatte es gesehen, und es war eine Tatsache.)

Am Dienstag des Jockey-Club-Rennexpreß-Sonderrennens in Exhibition Park, als der Prozeß noch Monate entfernt war und die Wirkung von Filmers Fäusten eine Realität statt einer Erinnerung, kam der Vereinspräsident in sein Privatzimmer, um mit Mercer und mir zu sprechen und uns zu zeigen, daß wir, wenn wir die Vorhänge auf der rechten Seite zurückzogen, in den Empfangsraum schauen konnten.

«Sie können hier nicht reinschauen«, sagte er.»Es ist ein Spionspiegel. «Er zog an Schnüren und enthüllt uns die Party.

«Ich höre, daß die Besprechung heute morgen bis auf das Ende gut gelaufen ist. «Er sah mich fragend an.»Mr. Lorrimore und Bill Baudelaire baten uns, Sie als ganz besonderen Ehrengast zu behandeln… aber sollten Sie sich nicht ausruhen?«

«Zwecklos, Sir«, sagte ich,»und ich möchte auf keinen Fall das große Rennen versäumen.«

Durch die Glaswand konnte man faszinierenderweise all die Gesichter sehen, die in den vergangenen zehn Tagen so vertraut geworden waren. Die Unwins, die Redi-Hots, die Youngs…

«Dürfte ich Sie um etwas bitten…?«: sagte ich.

«Um alles auf der Welt, laut Bill Baudelaire und Brigadier Catto.«

Ich lächelte.»Weniger ist mehr. Die junge Frau dort drüben in dem grauen Kostüm, mit den blonden geflochtenen Haaren und dem bekümmerten Gesichtsausdruck.«

«Nell Richmond«, sagte Mercer.

«Hätten Sie etwas dagegen, wenn sie eine Weile hier hereinkäme?«

«Überhaupt nicht«, sagte der Präsident, und Minuten später sprach er schon mit ihr. Er konnte ihr jedoch nicht gesagt haben, wer sie in seinem Zimmer erwartete, denn als sie hereinkam und mich sah, war sie überrascht und, wie mir schien, erfreut.

«Sie sind auf den Beinen! Daffodil sagte, der Kellner sei übel zugerichtet worden. «Die Stimme versagte ihr, und sie schluckte.

«Ich hatte Angst…«

«Daß wir nicht nach Hawaii fahren würden?«

«Oh. «Es war ein Laut irgendwo zwischen einem Lachen und einem Schluchzen.»Ich glaub, ich kann Sie nicht leiden.«

«Geben Sie sich mehr Mühe.«

«Nun…«Sie öffnete ihre Handtasche, schaute hinein, sah dann auf und erblickte all die Leute nebenan.»Ach, toll«, sagte sie zu Mercer.»So sind Sie beide bei uns, auch wenn Sie’s nicht sind. «Sie zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier hervor und gab es mir.»Ich muß wieder raus, die Plätze für den Lunch ausklamüsern.«

Ich wollte nicht, daß sie ging. Ich sagte:»Nell…«und hörte, daß es zu nervös klang, zu sehr nach blankem körperlichem Lädiertsein, aber es ließ sich nicht mehr zurücknehmen.

Ihr Gesicht veränderte sich. Es war für sie kein Spiel mehr.

«Lesen Sie das, wenn ich gegangen bin«, sagte sie.»Und ich bin ja dort… hinter dem Glas.«

Sie ging aus dem Präsidentenzimmer ohne zurückzuschauen, und erschien bald wieder bei den anderen. Ich faltete den Zettel auseinander, hoffte, es würde keine schlechte Nachricht sein, und sah, daß es ein Telex war. Es lautete:

RICHMOND, FOUR SEASONS HOTEL, VANCOUVER. BESTÄTIGE IHRE ZWEI WOCHEN URLAUB, AB SOFORT. MERRY. VIEL SPASS.

Ich schloß die Augen.

«Ist das Verzweiflung?«sagte Mercer.

Ich schlug die Augen auf. Das Telex lautete noch genauso. Ich gab es ihm, und er las es auch.

«Ich könnte mir denken«, meinte er ironisch,»daß Val Catto sich da anpaßt.«

«Wenn nicht, quittiere ich den Dienst.«

Wir verbrachten den Nachmittag angenehm miteinander und verfolgten die Vorrennen mit dem Interesse wahrer Enthusiasten. Als die Zeit für das Jockey-Club-Rennexpreß-Sonderrennen kam, entschloß sich Mercer, trotz Sheridan beim Aufsatteln Voting Rights direkt dabeizusein; er konnte ja per Expreßaufzug hinunter- und wieder hochfahren, um sich das Rennen dann von unserem Horst aus anzuschauen.

Als er fort war und der Raum nebenan sich weitgehend geleert hatte, sah ich hinunter auf die Wimpel, die flatternden Fahnen, die Transparente und Ballons und den Rummel, mit dem Exhibition Park an Assiniboia Downs und Woodbine anknüpfte, und ich dachte an all das, was auf der Reise durch Kanada geschehen war; fragte mich, ob ich es künftig als entspannend oder als langweilig empfinden würde, im Regen auf britischen Rennbahnen herumzulatschen, fragte mich, ob ich es weiterhin tun würde; dachte, die Zeit würde mir sicher den Weg weisen, wie sie das immer getan hatte.

Ich dachte an Mrs. Baudelaire, die ich niemals kennenlernen würde, und wünschte, sie hätte dem anstehenden Rennen zuschauen können; dachte dankbar an Tante Viv.

Mercer sah zufrieden aus, als er wiederkam; auf ruhige Weise glücklicher, als habe er Geister gebannt.

«Daffodil ist unglaublich«, sagte er.»Sie hält Hof da unten, küßt Laurentide Ice, lacht, geht auf Wolken. Mit dem Start des Pferdes scheint es kein Problem zu geben, obwohl es zur Hälfte vermutlich noch Filmer gehört.«

«Es steht unter Daffodils Namen im Programm«, sagte ich.

«Stimmt. Und die Youngs… Rose und Cumber… mit Sparrowgrass, und die Leute mit Redi-Hot. Das ist wie ein Club da unten. Sie sagten, sie fänden es schön, daß ich gekommen bin.«

Echte Freude sicher, dachte ich. Die Runde war unvollständig ohne Mercer.

Aus dem großen Fernsehgerät im Präsidentenzimmer erklangen die Fanfaren, die das Hinausreiten der Teilnehmer ankündigten; man hörte den Kommentar, hörte Zuschauerlärm. Längst nicht so, wie wenn man unten beim Geschehen war, aber besser als Stille. Das Rennen wurde in ganz Kanada live übertragen und für den Rest der Welt aufgezeichnet, so daß es ein langes Geschwätz gab über das zunehmend internationale Flair des kanadischen Rennsports, nicht zu reden von dem enormen Interesse, das der Große Transkontinentale Erlebnis-und Rennexpreß überall geweckt hatte, ganz zu schweigen von dem Nutzen, den Kanada daraus ziehen konnte.