Demgegenüber begründet aber der Unterschied in den persönlichen Funktionen und Rechten, der in aller organisierten Arbeit zwischen Unternehmer und unselbständigem Arbeiter gegeben ist, einen wirklichen Klassenunterschied, weil er innerhalb der Gesamtheit der Arbeitstätigen wirtschaftliche und soziale Interessen bestimmter Personenklassen in unvermeidlichen Gegensatz stellt. Dieser Gegensatz aber ist seinem Wesen nach wieder ganz unabhängig von dem zwischen Kapital und Arbeit, nur ganz äußerlich fällt er öfters mit ihm zusammen. Denn der Pächter, der ein erpachtetes Gut bewirtschaftet, oder der Industrielle, der vorwiegend mit fremdem Geld arbeitet, ebenso auch die Betriebsleiter in irgend welchen wirtschaftlichen Unternehmungen, die, wie z. B. die Direktoren der Aktiengesellschaften oder die leitenden Beamten der Staatsbetriebe, nur als Mandatare der Kapitalbesitzer fungieren, stehen als Arbeitstätige dem Kapital genau so gegenüber, wie ihre Arbeiter, weil sie ja den Zins nicht bekommen, den das Kapital verlangt, sondern mit den Arbeitern zusammen ihn aufzubringen helfen müssen; trotzdem aber stehen auch sie als Unternehmer zu den unselbständigen Arbeitern in deutlichem Klassengegensatz hinsichtlich persönlicher und wirtschaftlicher Interessen. Und wenn nun in vielen Fällen Kapitalist und Unternehmer in einer Person zusammentrifft, wie z. B. beim Gutsherrn, der sein Land selbst bewirtschaftet, oder beim Industriellen, der nur mit eigenem Vermögen arbeitet, so ist auch in diesen Fällen der Klassen_gegensatz nicht zu suchen in dem Verhältnis des Kapitalisten zum Arbeiter, sondern nur in dem des Unternehmers zum unselbständigen Arbeiter.
Obwohl ich diese Unterscheidungen nur zum Hausgebrauch mir zurechtgelegt habe, zur eigenen Orientierung in den verwickelten Erscheinungen meines Beobachtungskreises, muß ich hier doch ausdrücklich auf sie hinweisen, um die Gesichtspunkte meiner Ausführungen genügend erkennbar zu machen. -Die Sozialdemokratie beurteilt das Verhältnis von Kapital und Arbeit (von anderen Parteien ist nicht zu reden, weil sie es gar nicht beurteilen) von dem ganz einseitigen Standpunkt des Klasseninteresses der Arbeiter im engeren Sinn und sie kommt so dazu, den unpersönlichen Interessengegensatz von Kapital und Arbeit zu einem persönlichen Klassengegensatz zwischen Kapital_isten und Arbeit_ern zu stempeln - in welchen sie nun die heterogensten Dinge hineinpackt, alles unter der ganz äußerlichen Rücksicht, daß dadurch dem Arbeitsertrag der eigentlichen Arbeiter Abbruch getan wird. Sie verdunkelt sich dabei vollkommen die Ursachen der Übel, die sie beseitigen will, und versperrt sich im besondern die Erkenntnis, daß es zwei ganz verschiedene Stellen sind, an welchen der wirtschaftlich-soziale Schuh drückt -zwei Stellen, die, zwar äußerlich dicht nebeneinander, doch auf ganz verschiedene Art krank sind und durchaus verschiedene Heilmittel erfordern, keineswegs mit einem Universalmittel kuriert werden können.
Aus vorhin gesagtem entnehmen Sie schon, daß meine Ansicht dahin geht: es werde die organisierte Arbeit mehr und mehr zur Herrschaft über das ganze Wirtschaftsgebiet gelangen und also zuletzt das ganze Volk in die vorher besprochene Scheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Arbeit hineinziehen, soweit nicht etwa in einzelnen Kreisen der Wirtschaftstätigkeit -wie es für den Kleinbetrieb des Landbaues wohl denkbar scheint -der Übergang zur organisierten Arbeit ohne völliges Aufgeben der Selbständigkeit der einzelnen möglich ist.
Nun gibt es allerdings noch manche, sogar noch Parteien, welche glauben oder doch zu glauben vorgeben, es könne dieser Entwicklungsprozeß zum Stillstand, gebracht, vielleicht sogar dem Kleingewerbe aller Art ein Teil des jetzt verloren gegangenen Terrains zurückerobert werden. Ich sehe aber in dieser Meinung, da wo sie aufrichtig gehegt wird, die denkbar größte und auch schädlichste Illusion, zu welcher die Täuschung über die wahren Ursachen einer wirtschaftlichen Erscheinung nur immer führen könnte. Wer aber die erwähnte Umwandlung der Arbeitsform auf einem einzelnen Arbeitsgebiet mit erlebt und persönlich mit äußerstem Widerstreben ihrem Fortgang hat folgen müssen, für den kommt zur verstandesmäßigen Erkenntnis ihrer Notwendigkeit und Unwiderstehlichkeit auch noch die subjektive Gewißheit, daß sie zum Stillstand bringen zu wollen das gleiche besagt, wie ein Versuch, die Flutwelle im Ozean aufzuhalten. Man mag menschlich alle Teilnahme haben für die, welche im Kampf zweier Wirtschaftsformen zwischen Hammer und Amboß geraten sind; dieses kann aber die Überzeugung nicht ändern, daß alle Versuche, für das Kleingewerbe noch etwas zu retten -nicht nur die kleinen und die großen Kniffe, wie Schikanieren von Konsumvereinen, Zünftlerei, Judenhetze u. a. m., sondern leider auch die an sich verständigen und ehrenwerten Bestrebungen zur innern Hebung des Handwerks -doch nichts weiter mehr sind als: Maßnahmen zur Verlangsamung eines Todeskampfes. Die Zukunft gehört allein der organisierten Arbeit, und zwar auf allen Gebieten wirtschaftlicher Tätigkeit, Handel und Landbau nicht ausgeschlossen. In 30 oder 40 Jahren wird vom eigentlichen Handwerk gewiß nichts mehr übrig sein als kleine Inseln solcher Arbeitstätigkeit, die entweder auf ganz individueller Kunst beruht oder ganz individuellen Bedürfnissen dienen will und aus dem einen oder dem anderen Grund immer Einzelarbeit bleiben muß.
An diesem Urteil können auch Erwartungen mich nicht irre machen, die neuerdings von sehr beachtenswerter Seite ausgesprochen wurden im Hinblick auf die Hilfe, welche das Kleingewerbe von der erleichterten Benutzung der Naturkräfte infolge der raschen Fortschritte der elektrischen Kraftverteilung sehr bald zu hoffen haben werde. Die Berechtigung solcher Erwartungen an sich durchaus zugegeben, wird diese Hilfe doch nicht der Erhaltung und Ausbreitung des eigentlichen Handwerks zugute kommen, sondern nur dem Übergang vieler vom Handwerk zum Klein-Unternehmertum und der Konkurrenzfähigkeit des letzteren gegenüber der Großindustrie. Die Verwendung von elementarer Kraft führt überall, wo sie überhaupt einen Vorteil bringt, aus der handwerksmäßigen Arbeit heraus und drängt zur organisierten Arbeit, sei es auch in kleinerem Maßstab. Wie wichtig es nun in mehreren Beziehungen sein mag, daß auch kleine Unternehmungen, die nur 10 oder 20 Personen vereinigen, neben den großen, in denen Hunderte tätig sind, noch existenzfähig seien und daß innerhalb des Unternehmertums noch eine Konkurrenz unter vielen, kleinen und großen, möglich bleibe, so gering ist die soziale Bedeutung dessen in bezug auf die Hauptsache, die zunehmende Scheidung aller Arbeitstätigkeit in selbständige und unselbständige. Denn daß durch die Möglichkeit kleiner Betriebe eine etwas größere Zahl von Personen als es sonst sein könnte noch selbständig erhalten wird, ändert nichts daran, daß die Zahl dieser Selbständigen schließlich doch nur ein ganz kleiner Bruchteil der Gesamtzahl aller Arbeitstätigen bleiben kann.