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»Vierund-icks-zwanzig Stunden!« rief Frau Wurm und wurde von einem so heftigen Schluckaufanfall ge­schüttelt, daß sie keinen Ton mehr herausbekam.

»Hugo!« rief Tom. »Hugo, verflixt noch mal, wo steckst du denn?«

»Hüüüühr!« Grinsend schwabbelte Hugo aus einer

Rüstung hervor. »Huiiiiuiiiuii, dos wor wos, hööö? Oinö öchtö Spuk-künstlörün. Böoindruckönd. Würklüch bö- oindruckönd, wos?«

»Na, ich kann mich beherrschen«, sagte Tom. »Riechst du noch was?«

Hugo schnüffelte und schüttelte den Kopf. »Wog!« sagte er bedauernd. »Woit, woit wög!«

Hedwig Kümmelsaft nickte. »Ja, noch ist es hell, da haben die meisten Geister nicht sehr viel Ausdauer beim Spuken. Nutzen wir das! Ich hoffe, es ist nicht mehr weit bis zur Waffenkammer.«

Herr Wurm schüttelte den Kopf.

»Nun, dann gehen wir.«

Mit zittrigen Beinen führten die Wurms die Gespens­terjäger weiter durch die dunkle Burg.

»Mein lieber Tom«, raunte Frau Kümmelsaft, wäh­rend sie den beiden folgten, »das ist eine mächtige Gegnerin. Mächtig und boshaft. Ich fürchte, uns steht eine sehr unangenehme Nacht bevor. Was meinst du?«

Tom konnte ihr leider nur zustimmen.

Mintpaste ind erste Erkenntnisse

 »Hier - icks - ist es«, sagte Frau Wurm und öffnete eine hohe, schmale Tür. Wunderbare Wärme strömte ihnen entgegen. Die ehemalige Waffenkammer war in einem der Türme untergebracht.

Jetzt war das große, runde Zimmer vollgestopft mit zerdellten Rüstungen, zerbrochenen Lanzen, kaputtem Geschirr und verrußten Gemälden. Auf einem großen Tisch stapelte sich Herrn Wurms Werkzeug. Daneben stand ein altes Sofa mit leicht mottenzerfressenem Be­zug. Auf einem Tischchen waren zwei Tassen und eine Teekanne, auf der Truhe in der Ecke stand ein kleiner Kocher. Im Kamin brannte ein Feuer.

Frau Kümmelsaft nickte zufrieden. »Sehr gemüt­lich«, stellte sie fest. »Tom, du sicherst Tür und Fens­ter, ja? Diese Sorte Gespenster kommt zum Glück nicht durch die Wand.«

Tom nickte. Er holte eine Dose Mintpaste aus sei­nem Rucksack und fing an, den Türrahmen damit zu bepinseln.

Hugo schwabbelte zu einem der großen Fenster und setzte sich vor die kühle Scheibe. Die warme Kaminluft setzte ihm so zu, daß seine Füße schon rosa anliefen.

»Sehen Sie sich das an!« stöhnte Herr Wurm. Er griff sich an den Kopf und hielt eine Handvoll Haare hoch. »Büschelweise gehen sie mir aus von dieser Spukerei. Ich brauche jetzt dringend eine Zigarre.«

»Das lassen Sie besser«, sagte Frau Kümmelsaft. Sie hängte ihren Mantel vor den Kamin und stellte die Taschen mit der Ausrüstung auf den Tisch. »Geister sind ganz verrückt nach Nikotin. Sie wollen doch nicht schon wieder Besuch bekommen, oder?«

Hastig legte Herr Wurm die Zigarre wieder in die Kiste zurück. Tom hatte inzwischen auch die Fenster­rahmen mit Mintpaste bepinselt.

»So, die Fensterbänke hab' ich mit Salz bestreut«, sagte er.

»Und vor die Tür hab' ich auch ein paar Handvoll geworfen. Sonst noch was?«

»Stell den GEMEG-Seismographen auf den Tisch«, sagte Frau Kümmelsaft. »Ich möchte nicht noch ein­mal so überrumpelt werden.«

Tom nickte und zog ein kleines Gerät aus dem Rucksack, das wie ein Radio aussah. »GEMEG ist die Abkürzung für Geist mit Menschlicher Gestalt«, erklär­te Tom. »Dieses Ding hier meldet sofort, wenn so ein

Geist sich nähert!«

»Aha«, murmelten die Wurms und sahen den Ges­pensterjägern fasziniert zu.

»Sollten unsere Vorkehrungen nichts nützen«, sagte Frau Kümmelsaft, »dann bitte ich Sie, an eins unbe­dingt zu denken: Beißen Sie sich auf die Zunge, sobald dieses Gespenst sich nähert. Und«, sie griff in eine der Taschen, »lutschen Sie diese Pastillen. Sie schmecken scheußlich, aber gegen Körperschlüpfer schützen sie sehr zuverlässig.«

Gehorsam steckten die Wurms sich die Pastillen in den Mund. Tom und Frau Kümmelsaft nahmen auch je eine.

»Üch ouch?« fragte Hugo.

»Blödsinn«, sagte Tom. »Kein Geist schlüpft in einen andern. Das weißt du ganz genau.«

»Herr Wurm«, sagte Frau Kümmelsaft, »Sie haben das Gespenst erkannt, nicht wahr?«

»O ja!« rief Herr Wurm. »Heute war es das erste Mal, daß sie sich so deutlich gezeigt hat. Aber ich habe sie sofort erkannt. Sofort!« Er lief zu einer Reihe von Gemälden, die an der Wand lehnten.

Mit zitternden Fingern drehte er eins nach dem an- dern um. »Da!« rief er schließlich. »Da, das ist sie!« Er hielt das Bild hoch. Aus einem schweren Goldrahmen sah ihnen eine Frau mit stechendem Blick entgegen. Sie trug ein wallendes blutrotes Kleid mit hellem Kra­gen. Und über ihrer Schulter hing ein toter Hase.

Herr Wurm senkte die Stimme. »Das ist die Blutige Baronin!« hauchte er. »Sehen Sie? Da unten auf dem Rahmen steht es: 1623. Jaspara von Dusterberg zu Krötenstein. Eine böse Person. Ich weiß nicht viel mehr von ihr als den Namen und daß sie in dieser Ge­gend heute noch einen scheußlichen Ruf hat.«

»Schade!« seufzte Frau Kümmelsaft. »Sehr, sehr schade. Wir müssen unbedingt mehr über sie heraus­finden. Vor allem, wann und wie sie gestorben ist - bei HISPEGs ist eine Vertreibung ohne diese Informatio­nen fast unmöglich.«

»HISPEGs sind Historische Spukerscheinungen«, er­klärte Tom den verdattert dreinblickenden Wurms.

Frau Kümmelsaft nickte. »Ja, und es gibt sie in sehr verschiedenen Gefährlichkeitsgraden. In unserem Fall haben wir es, fürchte ich, mit einem der gefährlicheren Exemplare zu tun.«

»Fürchte ich auch«, brummte Tom. »Die Spukerei wird doch bestimmt bei Dunkelheit schlimmer, nicht wahr?«

»O ja!« rief Frau Wurm. »Wir bekommen - icks - kaum ein Auge zu bei all - icks - dem Geschreie und Gestöhne.«

»Aber gezeigt hat sie sich Ihnen heute zum ersten Mal?« fragte Hedwig Kümmelsaft.

Die Wurms nickten.

»Dann sind wir wahrscheinlich gerade noch zur rechten Zeit gekommen«, sagte Tom. »Die meisten HISPEGs werden immer stärker, wenn ihr Todestag näher rückt. Sie zeigen sich öfter und werden mit je­dem Tag gefährlicher.«

»Ach, ist das so?« Herr Wurm wurde immer blasser um die Nase.

»Haben Sie bei Dunkelheit schon mal beobachtet, daß die Lampen flackern?« fragte Hedwig Kümmelsaft.

»Oder daß der Herd ausfällt?« fügte Tom hinzu.

»Allerdings.« Frau Wurm nickte heftig. »Gestern - icks -und vorgestern abend.«

»Oh, oooh«, sagte Tom. Er und Frau Kümmelsaft wechselten einen besorgten Blick.

»Sü früßt Strohooom«, säuselte Hugo von der Fens­terbank. »Oinö öchtö Foinschmöckörün, wos?«

Frau Kümmelsaft warf einen Blick nach draußen. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit bis zur Dunkelheit. Wer von Ihnen beiden weiß, wo der Sicherungskasten ist?«

»Ich«, sagte Herr Wurm. »Wieso?«

»Wir müssen ihr den Strom abschalten«, sagte Tom. »Sonst frißt sie sich so viel Energie an, daß nichts und niemand sie mehr verjagen kann.«

»Genau.« Hedwig Kümmelsaft zog ein ellenlanges Verlängerungskabel aus der Tasche, das an einer Seite einen Stecker und an der anderen einen langen Me­talldorn hatte. »Danach müssen wir noch in die Biblio­thek. Hier gibt es doch eine Bibliothek, oder?«

Herr Wurm nickte.

»Da spukt es besonders oft.«

»Natürlich«, sagte Tom. »Die Baronin will verhin­dern, daß man was über sie rauskriegt.« Fragend sah er Hedwig Kümmelsaft an. »Was soll ich noch mitneh­men?«

»Außer deinem Rucksack? Hm. Wir wissen leider noch zu wenig über unsere Gegnerin.« Frau Kümmel­saft rieb sich nachdenklich die spitze Nase. »Also ich«, sie zeigte auf die lange Schnur, »ich nehme natürlich den Stromwärmewandler mit. Dann brauchen wir auf jeden Fall die Mintpaste, Salz, Lutschpastillen, den tragbaren Seismographen - den andern lassen wir hier -, tja, und ein Funkgerät, würde ich sagen. Hugo«, sie drehte sich zu dem MUG um, »du bleibst mit Frau Wurm hier. Die Ärmste hat für heute genug ausge­standen. Wenn ihr Besuch bekommt, meldest du dich über das Funkgerät, das ich hierlasse. Aber vielleicht versuchst du es bei deiner Kollegin auch mal mit Eis­fingerkitzeln oder einem anderen deiner kleinen Scher­ze?«