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In diesem Moment nahm Darya einen moschusartigen Geruch wahr, komplex und unvertraut, aber nicht unangenehm, und einen Augenblick später öffnete das kleinere der beiden Wesen den Mund. »Atvar H’sial entbietet Grüße«, sagte eine sanfte Stimme, verzerrt zwar, aber doch erkennbar in einer Sprache der Menschen.

Das andere Wesen sagte nichts. Als der erste Schock ein wenig abgeklungen war, konnte Darya auch wieder vernünftig denken.

Sie hatte Bilder gesehen. Kein einziges hatte eine derartige Größe und ein derart bedrohliches Auftreten erwarten lassen, doch bei dem Wesen, das als Erstes angekommen war, handelte es sich unverkennbar um einen Cecropianer, einen Angehörigen der dominanten Spezies der achthundert Welten unspannenden Cecropianischen Föderation. Das zweite Wesen musste ein Übersetzer sein, eine niedere Spezies, die, so hieß es zumindest, jeder Cecropianer benötigte, um mit Menschen interagieren zu können.

»Ich bin Darya Lang«, antwortete sie langsam. Die beiden anderen waren so fremdartig, dass Gesichtsausdrücke für sie vermutlich nur wenig Bedeutung hatten. Sie lächelte trotzdem.

Eine Pause entstand, und wieder nahm sie diesen fremdartigen Geruch wahr. Die beiden gelben Hörner des Cecropianers drehten sich in ihre Richtung. Nun konnte sie erkennen, dass sich darin ein sehr zartes Geflecht dünner, spiralförmiger Röhren befand.

»Atvar H’sial bietet Entschuldigung durch den anderen an.« Einer der gegliederten Arme des schweigenden Cecropianers vollführte eine kurze Bewegung und deutete auf das kleinere Wesen, das jetzt zu seinen Füßen kauerte. »Wir denken, wir haben Sie vielleicht erschreckt.«

Das dürfte wohl die Untertreibung des Jahres sein! Irgendwie war es irritierend, die Worte, die im Denken des einen Wesens ausgeformt worden waren, von einem anderen ausgesprochen zu hören. Doch Darya wusste, dass die Saatwelt der Cecropianischen Clade — ihr Mutterplanet, so wie die Erde der Mutterplanet der ganzen Menschheit war — eine wolkenverhangene Kugel im matten Licht eines roten Zwergsterns war. In einer derartig stygischen Umwelt hatten die Cecropianer niemals die Fähigkeit zu sehen entwickelt. Stattdessen ›sahen‹ sie durch Echoortung, wobei sie hochfrequente Schallimpulse aus dem gefalteten Resonator in ihrem Kinn ausstießen. Das zurückgeworfene Signal fingen sie mit den offenen gelben Hörnern auf. Ein positiver Nebeneffekt war, dass ein Cecropianer auf diese Weise nicht nur die Körpergröße, die Gestalt und die Entfernung zu jedem einzelne Objekt in seinem ›Blickfeld‹ erfuhr, sondern auch noch, dank der Doppler-Verschiebung des zurückgeworfenen Signals, die Geschwindigkeit, mit der sich die entsprechenden Objekte bewegten.

Doch das System hatte auch seine Nachteile. Da auf diese Weise ›Hören‹ durch ›Sehen‹ okkupiert war, mussten Cecropianer untereinander auf andere Art und Weise kommunizieren. Dies geschah bei ihnen auf chemischem Wege, sie ›sprachen‹ miteinander, indem sie Pheromone absonderten, chemische Botenstoffe, deren variable Zusammensetzung ihnen eine vollständige, sehr differenzierte Sprache ermöglichte. Eine Cecropianerin wusste nicht nur, was ihr Gegenüber sagte; mittels der Pheromone konnte sie das Gesagte fühlen, Emotionen unmittelbar auszutauschen. Die entfalteten Antennen konnten einen Geruch schon anhand eines einzigen Moleküls identifizieren, und es gab viele Tausende verschiedener dieser Duftstoffe.

Und für eine Cecropianerin war ein Lebewesen, das nicht die richtigen Pheromone verströmte, kein kommunizierendes Lebewesens Sie konnte ihren Gegenüber zwar ›sehen‹, aber sie konnte es nicht fühlen. Zu derartigen Nichtwesenheiten gehörten auch Menschen. Darya wusste, dass die ersten Kontakte zwischen Cecropianern und Menschen völlig unproduktiv gewesen waren, bis die Cecropianer innerhalb ihrer Föderation eine Spezies gefunden hatten, die sowohl zu sprechen als auch die Pheromone zu produzieren und zu erspüren in der Lage waren.

Darya deutete auf das andere Wesen, das seine gelben Augen in sonderbar verstörender Weise so gedreht hatte, dass es mit dem einen sie, mit dem anderen den Cecropianer, diesen Atvar H’sial anschaute. »Und wer sind Sie?«

Langes, verwirrendes Schweigen. Schließlich öffnete das Wesen wieder den Mund mit den langen, schnurrhaarartigen Antennen.

»Der Name des Übersetzers lautet J’merlia. Er verfügt nur über wenig Intelligenz und spielt bei diesem Zusammentreffen keine Rolle. Bitte ignorieren Sie ihn einfach! Es ist Atvar H’sial, die mit Ihnen, Darya Lang, zu sprechen wünscht. Ich möchte mit Ihnen über den Planeten Erdstoß sprechen.«

Anscheinend machte Atvar H’sial sich dieses andere Wesen in etwa in der Art und Weise zu Nutze, wie auf den reicheren Welten der Allianz Dienstroboter eingesetzt wurden. Doch es würde eines sehr komplexen Roboters bedürfen, die Übersetzungsarbeit zu übernehmen, die dieser J’merlia hier leistete — sehr viel fortgeschrittener als jeder Roboter, von dem Darya jemals gehört hatte, vielleicht von denen auf der Erde selbst abgesehen.

»Was ist mit Erdstoß?«

Der Cecropianer kauerte sich dichter an den Boden, stützte seine beiden Vorderbeine so auf, dass sein augenloser Kopf kaum mehr als einen Meter vor Darya in der Luft hing. Gott sei Dank hat der keine Zähne oder Mandibeln, dachte Darya, sonst könnte ich das nicht ertragen!

»Atvar H’sial ist auf zwei Fachgebiete spezialisiert«, erklärte J’merlia jetzt. »Auf Lebensformen, die sich an extremen Umweltstress adaptiert haben, und auf die Urheber — die verschwundene Spezies, die von den Menschen als die ›Baumeister‹ bezeichnet wird. Wir trafen erst vor wenigen Zeiteinheiten auf Opal ein. Schon vor langer Zeit reichten wir das Gesuch ein, Erdstoß um die Zeit des Gezeitensturms besuchen zu dürfen. Diese Genehmigung wurde uns bisher nicht erteilt, doch am Raumhafen von Opal sprachen wir mit einer Menschen-Person, die uns berichtete, dass auch Sie planen, Erdstoß aufzusuchen. Ist das wahr?«

»Na ja, das ist so nicht ganz wahr. Ich habe den Wunsch, Erdstoß aufsuchen.« Darya zögerte. »Und ich hege den Wunsch, kurz vor dem Gezeitensturm dort zu sein. Aber wie haben Sie mich gefunden?«

»Das war einfach. Wir sind dem Not-Positionsgeber Ihres Fahrzeugs gefolgt.«

Das habe ich nicht gemeint, dachte Darya. Ich meine, woher hast du gewusst, dass ich überhaupt existiere?

Doch der Cecropianer sprach bereits weiter. »Sagen Sie, Darya Lang: Können Sie arrangieren, dass auch Atvar H’sial die Genehmigung erhält, Erdstoß aufzusuchen?«

War das, was Darya gemeint hatte, vielleicht im Zuge der Übersetzung verloren gegangen? »Ich fürchte, Sie haben mich falsch verstanden. Natürlich möchte ich Erdstoß aufsuchen. Aber ich habe keinen Einfluss auf die Erteilung der entsprechenden Genehmigungen. Das liegt ganz in der Hand der beiden Männer, die sich derzeit gerade auf Erdstoß aufhalten, um die dort herrschenden Bedingungen zu prüfen.«

Kurz blitzte Mandel durch die Wolkendecke. Reflexartig breitete Atvar H’sial ihre — irgendetwas hatte Darya zu verstehen gegeben, dass sie es hier nicht mit einem Cecropianer zu tun hatte, sondern mit einer Cecropianerin — Deckflügel aus und enthüllte vier zarte, rudimentäre Flügel, auf denen Darya lang gestreckte rote und weiße Augenflecken erkennen konnte. Es waren diese Musterung, die Halskrause und die phenomenale Sensitivität Duftstoffen gegenüber, die dazu geführt hatten, dass die ersten Zoologen, die einen Vertreter dieser Spezies untersucht hatten, ihnen den ausgefallenen Namen ›Cecropianer‹ gegeben hatten — auch wenn sie mit der Spezies Samia cecropia, dem Amerikanischen Riesenseidenspinner, genauso wenig verwandt waren wie mit jeder anderen terranischen Spezies auch. Darya wusste, dass die Cecropianer noch nicht einmal Insekten waren, auch wenn sie ihnen nicht nur das Exoskelett gemein hatten, sondern auch die Gliederfüßer-Struktur und die Tatsache, dass sie zwischen ihrem Jung- und ihrem Erwachsenen-Stadium eine Metamorphose durchliefen.