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Keine Antwort. Doch draußen, außerhalb des Schiffes, ließen sich menschliche Stimmen vernehmen. Riefen sie nach ihr? Nein, sie riefen einander etwas zu — in dem heulenden, pfeifenden Wind war es schwer zu verstehen.

»So kann man das nicht machen.« Eine Männerstimme. »Das Dach ist aufgerissen. Wenn diese Strebe da bricht, dann wird das Gewicht ihnen die Schädel zertrümmern!«

»Die sind doch eh schon hin.« Eine Frau. »Schauen Sie sich doch an, wie die aufgeschlagen sind! Die sind schon zerquetscht. Sollen wir auf den Lastkran warten?«

»Nein. Ich habe jemanden gehört. Halten Sie die Lampe! Ich geh jetzt da rein!«

Das Licht! Darya spürte, wie neuerliche Panik in ihr aufstieg. Die Dunkelheit, die sie einhüllte, war absolut, vollkommen, dunkler als jede Nacht, schwarz wie die Pyramide im Inneren von ›Wachposten‹. Um diese Jahreszeit lag Opal immer im Tageslicht, ob nun von Mandel oder von dessen Begleiter, Amarant. Warum konnte sie nichts sehen?

Sie versuchte, die Augen zusammenzukneifen, und merkte, dass ihr das nicht gelingen wollte. Ihre linke Hand war verschwunden — sie spürte sie nicht mehr, keine Reaktion, nur Schmerzen in der Schulter, wenn sie versuchte, den Arm zu bewegen.

Sie rieb sich die Augen, doch das machte das Brennen nur noch schlimmer. Und sie konnte immer noch nichts sehen.

»Himmel, was für eine Scheiße!« Wieder der Mann. Vor sich sah sie einen ganz schwachen Lichtschimmer, wie eine Taschenlampe, die man mit geschlossenen Augen betrachtete. »Allie, hier drinnen sind drei Leute — glaube ich. Ein Mensch, zwei andere, alle umeinander gewickelt. Überall ist Käfersaft. Ich weiß nicht, was hier was ist, und ich traue mich nicht, die anzufassen. Setz ein Notsignal ab; schau mal, ob du in der Nähe des Raumhafens jemanden findest, der sich ein bisschen in Nichtmenschen-Anatomie auskennt!«

Eine schwache, unverständliche Antwort.

»Verdammt, das weiß ich nicht.« Die Stimme klang jetzt näher. »Da bewegt sich nichts — die könnten alle tot sein. Ich kann hier nicht warten. Die sind mit schwarzem Öl bedeckt, alle miteinander. Eine einzige offene Flamme hier, und die sind knusprig!«

Stimmen in der Ferne, undeutlich: mehr als nur eine Person.

»Ist doch egal.« Die Stimme war jetzt unmittelbar neben ihr. »Muss die rausziehen. Kommt mal jemand hier rein, mir helfen?«

Die Hände, die jetzt nach Darya fassten, wollten sicherlich nicht grob sein. Doch als sie ihre Schulter und ihren Nacken packten, wirbelten zahllose Galaxien des Schmerzes über die Schwärze vor ihren Augen hinweg. Sie stieß einen Schrei aus, ein Heulen aus tiefster Kehle, das ungefähr so klang wie das Miauen einer sehr kleinen Katze.

»Großartig!« Der Haltegriff wurde geändert und packte sie besser und fester. »Hier lebt noch jemand. Ich komme durch. Jetzt hab ich ihn.«

Bäuchlings wurde Darya über ein schlammiges Gewirr aus Wurzeln und abgebrochenen Farnhalmen gezogen. Ein Klumpen aus schleimigem, ekelhaft schmeckendem Moos drang in ihren offenen Mund ein. Schmerzhaft musste sie würgen. Dann bohrte sich eine emporragende Wurzel tief in ihr gebrochenes Schlüsselbein, und plötzlich wurde ihr klar: Sie musste nicht bei Bewusstsein bleiben, um diese entwürdigende Situation zu ertragen!

Dunkelheit hüllte sie ein. Es war an der Zeit, mit dem Kämpfen aufzuhören; es war an der Zeit, sich auszuruhen; es war an der Zeit, in diese lindernde Dunkelheit zu flüchten.

Einen Tag hatte Darya gebraucht, um es zu lernen, doch endlich war sie sich sicher: Ein Dialog zwischen Menschen und Cecropianern war unmöglich ohne J’merlia oder einen anderen Lo’tfianer, der als Vermittler fungierte; Kommunikation hingegen funktionierte. Und auch dabei konnte eine ganze Menge an Informationen ausgetauscht werden.

Das starre Exoskelett der Cecropianer verhinderte jegliche Form von Gesichtsausdruck, so wie Menschen das kannten. Doch beide Spezies bedienten sich einer gewissen Körpersprache. Sie mussten nur die spezifischen Bewegungscodes des jeweils anderen deuten lernen.

Ein Beispieclass="underline" Wenn Atvar H’sial sich recht sicher war, bereits zu wissen, welche Antwort auf eine Frage Darya geben würde, dann lehnte sie sich ein wenig zurück. Oft hob sie dabei auch ein oder beide Vorderbeine. Wenn sie die Antwort nicht schon vorher kannte und daher besonders begierig war, sie zu erfahren, dann faltete sie den Saugrüssel eine Winzigkeit zusammen, sodass er etwas kürzer wurde — aber wirklich nur ein wenig. Und wenn eine Bemerkung oder eine Frage sie richtig aufregte — oder beunruhigte: es war schwierig, den Unterschied festzustellen-, dann richteten sich die Härchen und die Borsten an ihren langen, fächerartigen Fühlern so auf, dass sie ein wenig buschiger erschienen.

Und genau das war auch geschehen, und das sehr auffällig, als Julius Graves hereingekommen war.

Darya wusste, dass es den Rat gab — das wusste jeder —, doch sie war viel zu tief in ihre eigene Arbeit versunken gewesen, um allzu sehr darauf zu achten. Und sie war sich immer noch nicht ganz klar, was die Funktion des Rates eigentlich genau war, auch wenn sie wusste, dass es vage irgendetwas mit Fragen der Ethik zu tun hatte.

»Aber es wird doch von jedem erwartet, dass er vage bleibt, Frau Professor Lang«, hatte Graves gesagt. Er lächelte sie an, und dieses Lächeln ließ seinen vergrößerten, an ein Skelett erinnernden Schädel eindeutig bedrohlich erscheinen. Es war nicht klar, wie lange es her war, dass er am Sternenseiten-Raumhafen gelandet war, doch er hatte sich für seinen Besuch einen Zeitpunkt ausgewählt, der eindeutig ungünstig war. Atvar H’sial und sie hatten, was es an Vorbereitungen zu diskutieren gab, inzwischen besprochen und wollten gerade zur Umsetzung schreiten: Wer sollte was tun und warum und wann?

»Das heißt, jeder bleibt vage«, fuhr Graves fort, »abgesehen von den Leuten, deren Handeln den Rat überhaupt erst erforderlich machen.«

Wieder verriet Daryas Gesichtsausdruck sie, da war sie sich ganz sicher. Was sie zusammen mit der Cecropianerin unternehmen wollte, sollte den Rat nicht das Geringste angehen; es gab überhaupt nichts Unethisches daran, für ein wissenschaftlich sinnvolles Ziel den Mühlen der Bürokratie ein wenig auszuweichen, selbst wenn dieses Ziel niemandem auf Opal so ganz erläutert worden war. Was also machten Ratsmitglieder sonst noch?

Doch Graves starrte sie aus seinen wild-verrückten, trübblauen Augen an, und sie war sich sicher, dass er in ihren Augen Schuldbewusstsein las.

Wenn nicht, dann konnte er dieses Schuldbewusstsein gewiss an Atvar H’sial Gestik ablesen! Die Fühler standen empor wie große Bürsten, und selbst J’merlia plapperte fast, so sehr mühte er sich, die Worte herauszubringen.

»Später, geschätzter Allianzrat! Wir werden mit Freuden später mit Ihnen zusammentreffen. Aber im Augenblick haben wir eine andere, dringliche Verabredung.« Atvar H’sial ging tatsächlich so weit, mit einer ihrer gegliederten klauenartigen Greifwerkzeugen Darya Langs Hand zu ergreifen. Als die Cecropianerin sie dann in Richtung Tür zog — ins Freie, dabei goss es doch in Strömen! —, bemerkte Darya zum ersten Mal, dass die Unterseite dieser Klaue mit schwarzen Haaren bewachsen war, mit winzigen Häkchen.

Darya hätte nicht loslassen können, selbst wenn sie beabsichtigt hätte, ihrer Verbündeten vor Julius Graves eine Szene zu machen.

Das war ein weiteres rudimentäres Überbleibsel eines entfernt verwandten Vorfahren Atvar H’sials, für den es vermutlich wichtig gewesen war, sich an Bäumen und Felsen festhalten zu können.

Na ja, keiner von uns ist geradewegs dem Bewusstsein der Götter entsprungen, oder?, dachte sie. Wir alle besitzen noch jetzt unsinnige Überbleibsel unserer Evolution! Unwillkürlich blickte Darya auf ihre Fingernägel hinab. Sie waren völlig verdreckt. Es sah ganz so aus, als würde sie sich bereits jetzt an die widerwärtigen Gepflogenheiten, die auf Opal und Erdstoß herrschten, anpassen.