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Warum war sie hierher gekommen — warum musste sie sein Leben noch komplizierter machen? Es war ganz offensichtlich, dass sie hier auf Opal deutlich überfordert war: eine Wissenschaftlerin, die besser brav und still in ihrem Arbeitsräumen geblieben wäre, um sich dort ihren Forschungen zu widmen. Hier würde man auf sie aufpassen müssen. Er würde auf sie aufpassen müssen. Und diese Aufgabe wäre am einfachsten zu erfüllen, wenn er dafür sorgte, dass sie auf Opal zurückblieb, während er selbst nach Erdstoß aufbrach.

Der Sturm der Kategorie Fünf war vorbei, und ausnahmsweise riss die Wolkendecke über Opal in dieser Nacht einmal auf. Es war beinahe Mitternacht, doch dunkel war es nicht. Amarant hatte den letzten Teil seiner langsamen Annäherung an Mandel begonnen. Jetzt stand er hoch am Himmel, groß genug, um als leuchtend orangefarbene Scheibe erkennbar zu sein. Noch zwei Tage, dann wäre der Zwergbegleiter des Primärsterns hell genug, als dass er eigene Schatten erzeugen würde.

Einen halben Himmel davon entfernt, dicht an den Horizont gedrängt, lag Gargantua, der jetzt ebenfalls auf den Hochofen von Mandel zuhielt. Bisher war er immer noch nicht mehr als ein rosafarbener Punkt, aber er war schon heller als sämtliche am Nachthimmel stehenden Sterne. Noch eine Woche, dann würde der Gasriese ebenfalls als Scheibe zu erkennen sein, überzogen von umbrafarbenen und blassgelben Streifen.

Rebka durchquerte den Raumhafen und hielt auf eines der vier Hauptgebäude zu. Immer noch blieb Graves an seiner Seite.

»Wollen Sie sich mit Louis Nenda treffen?«, fragte der Allianzrat.

»Genau das hatte ich vor. Wie viel wissen Sie über ihn?« Wenn Rebka diesen Graves schon am Hals hatte, dann konnte er genauso gut auch versuchen, dessen überlegenes Wissen zu seinem Vorteil zu nutzen.

»Nur das, was sein Antragsformular auch Ihnen verraten hat«, entgegnete Graves. »Dazu das, was wir über die Mitglieder der Zardalu-Gemeinschaft wissen — deutlich weniger, als uns lieb ist. Die Welten der Gemeinschaft sind nicht gerade dafür bekannt, sonderlich kooperativ zu sein.«

Möglicherweise ist das die glatteste Untertreibung, die ich bisher von ihm gehört habe, dachte Rebka.

Vor zwölftausend Jahren, lange bevor die Menschen mit der Expansion begonnen hatten, hatten die Land-Cephalopoden von Zardalu versucht, etwas auf die Beine zu stellen, was weder Menschen noch Cecropianer jemals dumm genug zu versuchen gewesen waren: die Zardalu-Gemeinschaft, ein echtes Reich von eintausend Planeten, die unbarmherzig von Genizee aus regiert wurden, der Heimatwelt der Zardalu-Clade. Ihr Unterfangen war in katastrophalem Maße gescheitert. Doch dieses Scheitern war möglicherweise als Beispiel abschreckend genug, um Menschen und Cecropianer davon abzuhalten, genau den gleichen Fehler zu begehen.

»Im Grunde ist Louis Nenda ein Mensch«, fuhr Graves fort, »aber mit einigen Zardalu-Erweiterungen.«

»Mental oder physisch?«

»Das weiß ich nicht. Aber welcher Eingriff auch immer vorgenommen worden ist: er muss relativ unbedeutend gewesen sein. Nirgends werden Augen im Hinterkopf oder an den Fingerspitzen erwähnt, kein Hermaphroditismus, keine Knochenentfernungen oder Vierarmigkeit oder Vierfüßigkeit. Kein Riesenwuchs, keine Kompaktierung — er ist männlichen Geschlechts, und laut der Passagierliste von durchschnittlicher Größe und durchschnittlichem Gewicht. Natürlich gibt es Hunderte von Modifikationen, die auf keiner Standardliste aufgeführt sind.

Und was dieses Haustier betrifft, das er mitbringt, darüber kann ich Ihnen sogar noch weniger sagen. Es ist ein Hymenopter, und selbstredend ist es auch ein Arthropode — Nendas Liebling besitzt eben nur gewisse Ähnlichkeiten mit den Hymenoptera der Erde. Aber ob es sich bei seinem Begleiter einfach nur um eine Art Schoßtier handelt, gar um einen Sexualpartner oder vielleicht um nichts anderes als Reiseproviant — das werden wir erst mit der Zeit in Erfahrung bringen können.«

Nun, viel Zeit wird es nicht in Anspruch nehmen, das herauszufinden, dachte Rebka. Das neu eingetroffene Schiff stand mitten im Raumhafen von Sternenseite, die Passagiere und Besatzungsmitglieder wurden im Ankunftsgebäude bereits nach eingeschleppten Organismen abgesucht. Da die Suche nach Endo- und Ectoparasiten nur wenige Minuten in Anspruch nahm, mussten die Neuankömmlinge schon bald fertig sein.

Rebka und Graves gingen zu der Stelle im Gebäude hinüber, an der Max Perry und drei Mitarbeiter der Zollbehörde bereits warteten.

»Wie lange noch?«, fragte Rebka.

Statt einer Antwort deutete Perry auf die versiegelte Doppeltür der Dekontaminationskammern: Sie öffnete sich gerade.

Nach den Andeutungen, die Graves gemacht hatte, und nach dem, was Rebka sich selbst alles vorgestellt hatte, sah dieser Louis Nenda erstaunlich normal aus. Er war klein, dunkelhäutig und muskulös, man hätte ihn für einen Bewohner einer der Welten höherer Dichte des Phemus-Kreises halten können. Im Augenblick schien er ein wenig wackelig auf den Beinen, wahrscheinlich die Folge von einem halben Dutzend Veränderungen der Schwerkraft in den letzten Stunden; doch er bewegte sich energiegeladen, und sein Gang erzählte von reichlich vorhandenem Selbstbewusstsein. Recht selbstherrlich blickte Nenda sich mit blutunterlaufenen Augen um, als er aus dem Exobiologie-Prüfer heraustrat; neben ihm tapste ein pummeliges kleines, fremdartiges Lebewesen und ahmte jede seiner Kopfbewegungen nach. Es blieb stehen, als es die Gruppe wartender Menschen sah.

»Kallik!« Louis Nenda zupfte an dem Geschirr, das den Thorax des Hymenopters umspannte und die Unterseite des Hinterleibs vollständig einhüllte. »Bei Fuß!«

Dann, ohne jemand anderen als Perry auch nur anzusehen, sagte er: »Guten Morgen, Commander. Ich denke, Sie werden feststellen, dass sämtliche Tests bei mir negativ sind. Das Gleiche gilt auch für Kallik. Hier ist mein Zugangsgesuch.«

Die anderen Männer starrten immer noch den Hymenopter an. Bei seinen Reisen durch das Territorium der Zardalu hatte Julius Graves wenigstens schon einmal ein solches Wesen gesehen; doch die anderen kannten nur Bilder und ausgestopfte Exemplare.

Es fiel schwer, dieses Lebewesen, das sie jetzt vor sich sahen, mit den Gerüchten über die Wildheit dieser Spezies in Einklang zu bringen. Es war nicht einmal halb so groß wie Louis Nenda, das Auffallendste an dem kleinen, auffällig schmal geschnittenen Kopf war Mandibeln, offensichtlich so kräftig wie Bärenfallen, und multiple schwarze Augenpaare, die ringförmig um den Perimeter angeordnet waren. Sie waren ständig in Bewegung, verfolgten unabhängig voneinander die Bewegung verschiedener Objekte.

Der Körper des Hymenopters war rundlich, ähnelte ein wenig einem Fass, war mit kurzem, schwarzem Fell bedeckt, kaum länger als einen Zentimeter oder zwei. Daraus wurden die teuren Hymäntel hergestellt, robuste, Wasser abweisende und ausgezeichnet wärmeisolierende Mäntel.

Was nicht sichtbar war, das war der glitzernde gelbe Stachel, den der Hymenopter jetzt in den untersten Teil des Abdomens zurückgezogen hatte. Die Hohlnadel sonderte schwallweise Neurotoxine ab, deren Stärke und Zusammensetzung Hymenoptera nach Gutdünken variieren konnten. Kein bekanntes Standard-Serum war als Gegengift wirksam. Was ebenfalls dem aufmerksamsten Blick verborgen blieb, war das Nervensystem, das einem Hymenopter eine Reaktionsgeschwindigkeit garantierte, die dem zehnfachen der menschlichen entsprach. Auf seinen acht drahtigen Beinen konnte der Hymenopter innerhalb weniger Sekunden Hunderte von Metern zurücklegen oder unter Standardschwerkraft bis zu fünfzehn Meter hoch springen. Ein Hymantel war ein bei Menschen nur sehr selten zu findendes Kleidungsstück, und das war auch schon so gewesen, bevor die Hymenoptera unter Artenschutz gestellt worden waren.