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Atvar H’sial betrat die untere Luke, senkte den Kopf — nicht etwa in einer Geste des Respekts Louis Nenda gegenüber, sondern einfach, weil sie sich durch eine Öffnung zwängen musste, die für jemanden gedacht war, der nur halb so groß war wie sie. Im Inneren setzte sie die Atemmaske ab. J’merlia folgte ihr, er stieß ein sonderbares Pfeifen aus, um Kallik zu begrüßen, dann huschte er davon und kauerte sich wie üblich vor seiner Meisterin auf den Boden.

Die Cecropianerin richtete sich ein wenig auf und trat näher an Nenda heran. »Sie entschieden sich dafür, Ihre Waffen nicht gegen uns einzusetzen«, übersetzte J’merlia. »Eine weise Entscheidung.«

»Aus Ihrem Blickwinkel? Klar, da bin ich mir ganz sicher! Aber was soll das Gerede über Waffen?« In Nendas Stimme schwang unverhohlener Spott mit. »Sie werden hier keinerlei Waffen finden.«

»Sie mögen Recht haben«, erwiderte Atvar H’sial mit J’merlias Hilfe. »Wenn man diese Waffen während der Inspektion auf Opal nicht gefunden hat, ist es durchaus wahrscheinlich, dass auch wir sie nicht fänden, suchten wir nach ihnen.« Atvar H’sial drehte ihren breiten, weißen Kopf in Richtung Decke. »Aber wenn Sie mir gestatteten, eine halbe Stunde das obere Deck Ihres Schiffes zu untersuchen …«

»Ach, das dann doch eher nicht!« Louis Nenda grinste. »War ja vielleicht ein netter Spaß, aber eine halbe Stunde mit irgendwelchen noch so netten Spielchen zu verschwenden können wir uns doch gar nicht leisten! Nicht jetzt, wo der Gezeitensturm uns so eng im Nacken sitzt. Wie wär’s, wenn wir uns mal ’ne Zeit lang nicht gegenseitig das Leben schwer machen? Ich werd nicht fragen, welche Werkzeuge und Waffen Sie bei sich haben, und Sie hören auf, sich Gedanken darüber zu machen, was sich an Bord dieses Schiffes befindet. Wir haben doch wirklich Wichtigeres zu besprechen!«

»Ah. Sie schlagen eine Waffenstillstand vor.« Die Worte wurden von J’merlia ausgesprochen, doch dabei reckte Atvar H’sial ein Vorderbein vor. »Einverstanden. Aber womit fangen wir an? Wie wollen wir über eine Zusammenarbeit sprechen, ohne zu viel von unserem eigenen Wissen dem anderen gegenüber preiszugeben?«

»Wir könnten damit anfangen, dass wir die beiden …«, Nenda deutete auf J’merlia und Kallik, »…hinausschicken.«

Atvar H’sial schwenkte ihre gelben Trompetenhörner herum und begutachtete zunächst den Hymenopter, dann den Lo’tfianer, der unter ihrem Panzer kauerte.

»Ist das denn für die beiden ungefährlich?«, übersetzte J’merlia.

»Wohl kaum.« Nenda hob die buschigen Augenbrauen. »Na, hören Sie mal, was haben Sie denn erwartet? Karneval auf Primavera? Im Augenblick gibt’s nirgends auf ganz Erdstoß ’nen Ort, an dem man sich gefahrlos aufhalten kann, und das wissen Sie auch ganz genau! Ist Ihr Käfer vielleicht besonders licht- und hitzeempfindlich? Ich will ihn ja schließlich nicht rösten!«

»Nicht sonderlich empfindlich«, übersetzte J’merlia, ohne jegliches Zeichen von Emotionen. »Mit Wasser kann J’merlia Hitze und schlechte Luft über einen langen Zeitraum ertragen, auch ohne Atemfilter. Aber die Kommunikation zwischen Ihnen und mir …«

»Vertrauen Sie mir!« Nenda deutete auf J’merlia und wies dann mit dem Daumen ruckartig auf die Luke. »Raus! Ihr beide!« Dann wechselte er in die Sprache der Gemeinschaft. »Kallik, nimm reichlich Wasser für J’merlia mit! Wir werden euch sagen, wann ihr wieder reinkommen könnt.«

Er wartete, bis die beiden Nichtmenschen aus dem Schiff gestiegen waren und die Luke sich wieder ganz geschlossen hatte, dann machte er ein paar Schritte und setzte sich in den Schatten von Atvar H’sials Panzer. Er atmete tief durch und öffnete sein Hemd, legte die Brust frei; sie war vollständig mit einem Netz grauer, leberfleckenartiger Knötchen und tiefen, punktförmigen Narben überzogen. Er schloss die Augen und wartete.

»Haben Sie Geduld!« Allmählich wurde der Pheromon-Code freigesetzt. »Das ist nicht einfach … und in letzter Zeit … hatte ich wenig Gelegenheit zum Üben.«

»Ah.« Mit ihrem blinden Kopf nickte Atvar H’sial und richtete ihre Rezeptoren dann auf die Brust des Menschen aus. »Eine Zardalu-Erweiterung, nehme ich an? Ich habe davon gehört, Derartiges aber noch nie gesehen. Darf ich fragen, welchen physischen Preis Sie dafür gezahlt haben?«

»Den üblichen.« Auf Louis Nendas Gesicht zeichnete sich eine gewisse, raue Verzückung ab. »Schmerzen — der Festpreis für jede einzelne Zardalu-Erweiterung. Das ist in Ordnung — damit kann ich umgehen. Ich werde weiterhin wie ein Mensch sprechen, wenn Ihnen das nichts ausmacht. Das erleichtert es mir, meine Gedanken zu ordnen.«

»Aber dafür besteht keinerlei Notwendigkeit!« Neben der eigentlichen Wortbedeutung fingen nun Louis Nendas Pheromon-Rezeptoren Atvar H’sials Geringschätzung und verächtliche Belustigung auf. »J’merlia ist mir gegenüber völlig loyal, und ich nehme an, dass es bei Kallik Ihnen gegenüber genauso ist. Beide würden lieber sterben, als irgendetwas über das Gespräch zwischen uns verraten.«

»Das ganz, gewiss.« Louis Nenda lachte leise. »Dafür hätte ich dann auch schon gesorgt. Aber ich weiß nicht, wie klug J’merlia ist. Dinge können immer auch rein zufällig in Erfahrung gebracht werden, vor allem wenn die Fragen geschickt gestellt werden. Eine Möglichkeit, das zu verhindern, heißt zu verhindern, dass sie überhaupt zuhören.« Aus dem leisen Lachen wurde ein eher unzufriedenes Schnauben. »Also gut, kommen wir zum Geschäft und bringen das hier so schnell wie möglich zu Ende! Das ist wirklich anstrengend für mich.«

»Wir benötigen ein Protokoll für den Informationsaustausch.«

»Ich weiß. Mein Vorschlag lautet wie folgt: Ich mache eine Aussage. Sie können diese bestätigen, ihr Widersprechen oder eine eigenständige Aussage treffen, aber niemand ist hier verpflichtet, Fragen des anderen zu beantworten. Ich meine das folgendermaßen: Tatsache ist, dass Sie keinerlei Interesse an Lebensformen unter extremem Umweltstress auf Erdstoß haben. Das ist Humbug. Sie sind hierher gekommen, weil Sie eine Expertin auf dem Gebiet der Baumeister sind.«

»Ihnen gegenüber werde ich das nicht leugnen.« Atvar H’sial richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Die rot-weiße Halskrause wurde breiter. »Ich bin mehr als nur ›eine Expertin‹. Auf dem Fachgebiet der Baumeister bin ich die Expertin der Cecropia-Föderation!« Die Pheromone verrieten einen Stolz, den Worte niemals hätten übermitteln können. »Ich war die Erste, die das Geheimnis von ›Tantalus‹ ergründet hat; die Erste — und Einzige —, die jemals einen ›Leuchter‹-Transit überlebt hat. Ich habe die Bedeutung des Gezeitensturms schon begriffen, bevor Darya Lang töricht genug war, ihre Befunde zu veröffentlichen. Ich …«

»Schon gut. Sie haben richtig was drauf, schon kapiert!« Langsam beruhigte sich Nendas Atmung wieder. »Jetzt kommen Sie schon mit dem rüber, was ich wirklich wissen muss, sonst sind wir immer noch hier, wenn der Gezeitensturm loslegt, und werden alle geröstet!«

»Also gut. Sie sind hier, weil Sie wissen wollen, was während des Gezeitensturms geschieht. Aber ich behaupte, dass diese Idee nicht von Ihnen selbst stammt. Sie kennen sich zu wenig in der Geschichte oder mit den Naturwissenschaft aus. Irgendjemand anderes hat die Ideen von Darya Lang übernommen und Ihnen gesagt, wie wichtig dieser Ort und dieser Zeitpunkt sind. Es wäre von Interesse zu erfahren, wer diese Person ist.«