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»Eineinhalb Kilometer.« Rebkas Stimme klang sehr ruhig und dabei so, als käme sie aus weiter Ferne. »Fünf Meter auf dem Altimeter. Jetzt geht uns die Energie endgültig aus. Sieht so aus, als müssten wir einen kleinen Spaziergang machen. Drei Meter … zwo … eins. Komm schon, Süße! Zeig uns, was du draufhast!«

Bis zum Gezeitensturm waren es nur noch drei Stunden. Der Flugwagen setzte auf dem dampfenden Hang zur Pentacline-Senke auf, so sanft und lautlos wie eine landende Motte.

21

Drei Stunden bis zum Gezeitensturm

Hans Rebka war nicht gerade glücklich, aber er war gewiss — das konnte man behaupten, ohne zu lügen — mit dem Verlauf der vergangenen Stunden recht zufrieden.

Seit er diesen Auftrag im Dobelle-System erhalten hatte, hatte ihn das Gefühl von Unsicherheit geplagt — was ihn selbst und was seine Arbeit betraf. Man hatte ihn ausgesandt, um herauszufinden, was mit Commander Maxwell Perry nicht stimmte, und um diesen Mann zu rehabilitieren.

Der Auftrag an sich klang ja sehr einfach. Nur: wie ihn ausführen? Rebka war ein Mann der Tat, kein Psychoanalytiker. Alle Aufträge, denen er bisher zugeteilt worden war, qualifizierten, wie er fand, in keiner Weise für eine derart vage gehaltene Aufgabe.

Jetzt sah das alles anders aus. An der Basis von ›Nabelschnur‹ war er plötzlich zu einer Gruppe völlig Hilfloser gestoßen — für ihn allesamt Nichtmenschen, Außenseiter oder Unschuldige — und hatte den Auftrag erhalten, einen überladenen, mit viel zu wenig Energie ausgestatteten Flugwagen einmal zur entgegengesetzten Seite von Erdstoß zu fliegen und dann noch mit einem Spielzeugraumschiff ins All zu starten, und das alles, bevor dieser Planet ihnen allen den Garaus machte.

Es mochte eine undurchführbare Aufgabe sein, aber wenigstens war sie anständig definiert. Die Regeln, nach denen er seinen Auftrag erfüllen konnte, waren ganz klar.

Diese Regeln hatte er schon vor langer Zeit gelernt, noch auf Teufel. Du schaffst es, oder du stirbst bei dem Versuch. Solange du es nicht geschafft hast, machst du niemals auch nur eine Sekunde lang Pause. Bis du stirbst, gibst du niemals auf.

Er war erschöpft — sie alle waren erschöpft —, doch was Dana Lang für eine Energiereserve oder für neue Energie gehalten hatte, war in Wirklichkeit nur die Freisetzung Unmengen aufgestauter Frustrationen, ein Akt, der zudem noch höchst befriedigend war. Freisetzung von Frustration also hatte Rebka angetrieben, und auf diese Weise würde er auch noch den Gezeitensturm durchstehen.

Sobald der Flugwagen aufgesetzt hatte, drängte Rebka alle auszusteigen. Es war bedeutungslos, wie gefährlich es dort draußen sein mochte, der Wagen würde sie keinen Meter mehr weiterbringen.

Rebka deutete auf den Hang zum Tal hinunter, der mit Blasen übersät schien. »Dahin müssen wir. Das ist die Richtung, in der das Raumschiff liegt.« Dann schrie er, um den grollenden Donner zu übertönen, Max Perry etwas zu, der geistesabwesend ins Leere starrte: »Commander, Ihre Gruppe war doch vor ein paar Tagen hier! Kommt Ihnen irgendetwas bekannt vor?«

Perry schüttelte den Kopf. »Als wir hier waren, war dieses gesamte Gebiet noch dicht bewachsen. Aber halt, da ist das Basaltplateau!« Er deutete auf einen dunklen, hervorstehenden Felsen, vierzig Meter hoch, dessen obere Hälfte unter grauem Rauch verborgen war. »Da müssen wir hin, und dann hinaufklettern! Genau dort oben sollte das Schiff sein.«

Perry nickte. »Noch irgendwelche bösen Überraschungen, die da auf uns warten?« Welche Fehler auch immer Perry haben mochte, er war immer noch der Fachmann für alle Fragen, was die Bedingungen auf Erdstoß anging.

»Kann ich noch nicht sagen. Davon gibt’s auf Erdstoß jede Menge.« Perry bückte sich und legte die Handfläche an den Felsboden. »Ganz schön heiß, aber noch wir können darauf gehen. Wenn wir Glück haben, werden die Buschfeuer die Pflanzen am Fuß des Felsbrockens abgebrannt haben, dann kommen wir da leichter durch als beim letzten Mal. Alles sieht ganz anders aus, jetzt, wo die Vegetation fort ist. Und es ist heißer — viel heißer.«

»Na, dann los!« Mit einer Handbewegung bedeutete Rebka der Gruppe, sich in Bewegung zu setzen. Der Donner wurde immer kräftiger, und rings um sie war es zu laut, als dass man sich hätte unterhalten können. »Sie und Graves gehen voraus! Dann Sie beide.« Er deutete auf die Zwillinge. »Ich übernehme die Nachhut, hinter allen anderen.«

Er drängte sie, endlich loszugehen, ohne eine Diskussion auch nur zuzulassen. Der Flug mit dem Wagen hierher war für alle unglaublich zermürbend gewesen, eine Nervenprobe, doch Rebka wusste, dass es ein Fehler wäre, sie jetzt zu fragen, ob sie sich zutrauten, noch einen oder zwei Kilometer durch wirklich schwieriges Gelände zu marschieren. Die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit würde er früh genug erfahren — dann nämlich, wenn sie zusammenbrachen.

Die Oberfläche war ruhig gewesen, als sie gelandet waren; doch als sich Perry und Graves nun in Bewegung setzten, durchfuhr ein neuer Stoß seismischer Energie das Erdreich. Eine tiefe Spalte tat sich vor ihnen auf, Risse bildeten sich längs entlang der Talwand.

»Weitergehen!«, brüllte Rebka über das Dröhnen berstender Felsen hinweg. »Uns bleibt keine Zeit, hier herumzustehen und abzuwarten!«

Perry nämlich war stehen geblieben und hatte Graves die Hand auf den Arm gelegt, um ihn ebenfalls dazu zu bewegen, keinen weiteren Schritt mehr zu machen. Dann wandte er sich um, blickte Rebka an und schüttelte den Kopf. »Wir können noch nicht weitergehen! Das ist eine Erdbebenkonfluenz! Passen Sie auf!«

Bodenwellen verschiedener Wellenlänge und verschiedener Amplitude konvergierten fünfzig Schritte vor der Gruppe. Wo diese Wellen aufeinander trafen, schossen Felsbrocken und Erdreich wie Gischt sich am Strand brechender Wogen in die staubverhangene Luft. Klaffend riss das Erdreich vor ihnen — wie tief der so entstandene Graben war, ließ sich nicht bestimmen —, nur um Augenblicke später sich wieder zusammenzuziehen: Der Graben, eben noch da, war spurlos verschwunden. Perry beobachtete das Schauspiel, bis er sich sicher war, dass die größten Bewegungen des Erdreichs vorbei waren, dann ging er weiter.

Rebka war erleichtert. Perry hatte vielleicht ein echtes Problem, aber dennoch hatte der Mann seinen Überlebensinstinkt nicht verloren! Trieb Perry dieser Instinkt auch auf dem nächsten Kilometer noch an, hätte er seine Schuldigkeit als Erdstoß-Experte mehr denn erfüllt.

Die kleine Gruppe kämpfte sich weiter voran. Der Boden bebte unter ihren Füßen. Heißer Atem stieg aus Hunderten von Rissen im geborstenen Gestein auf, und der Himmel über ihnen verwandelte sich in ein bewegtes Gemälde aus feinster Asche und gleißenden Blitzen. Das Donnern des Himmels und das Grollen der Erde umtoste sie. Ein warmer, schwefeliger Regen hatte eingesetzt; wo er auf den von den Gezeiten malträtierten Boden fiel, zischte und dampfte es.

Als Nachhut hatte Rebka die ganze Gruppe im Blick und begutachtete sie nachdenklich. Die Carmel-Zwillinge gingen Seite an Seite, gleich hinter Graves und Perry. Nach ihnen kam Darya Lang zwischen den beiden Nichtmenschen; eine Hand hatte sie auf J’merlias geneigten Thorax gestützt. Alle kamen recht gut voran. Graves, Geni Carmel und Darya Lang hinkten, und alle schwankten vor Erschöpfung — aber das waren ja nur Kleinigkeiten.

Sie brauchten also Ruhe. Grimmig lächelte Rebka in sich hinein: Keine Frage — auf die eine oder andere Weise würden sie ihre Ruhe schon finden, innerhalb der nächsten Stunden!