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Sie setzte sich an den Computer und betrachtete den Bildschirm. Schon wieder alles auf Spanisch, stellte sie zähneknirschend fest, aber nach einer Weile entdeckte sie den Namen, den Winston ihr genannt hatte. Raul Montenegro. Also gut, dachte Barbara, dann wollen wir mal.

LAKE WINDERMERE — CUMBRIA

Im Laufe der Jahre hatte Manette ihren kleinen Bruder in allen möglichen Zuständen erlebt, von stocknüchtern bis halb bewusstlos. Sie hatte ihn reumütig erlebt, sie hatte ihn ernst, manipulierend, traurig, aufgeregt, ängstlich, freudig erregt und paranoid erlebt. Aber sie hatte ihn noch nie so wütend erlebt wie jetzt, als er in die Eingangshalle von Ireleth Hall gestürmt kam und die Tür hinter sich zuknallte.

Sein Auftritt war beeindruckend, und alle starrten ihn mit offenem Mund an.

«Nicky, was ist passiert?«, fragte Valerie.

«Alles in Ordnung?«, fragte Bernard.»Wo ist Alatea? Ist Alatea etwas zugestoßen?«

«Nein, Alatea geht es gut«, antwortete Nicholas schroff.»Ich will mit dir über Scotland Yard reden. Das wird dir doch nichts ausmachen, oder? Oder dir, Manette? Oder Freddie? Ich nehme an, ihr seid alle im Bilde.«

Manette schaute ihren Vater an. Sie hatte nicht vor, darauf irgendetwas zu erwidern, und sie drückte Freddies Hand, damit er den Mund hielt. Sie spürte, dass er sie ansah, aber er sagte nichts, sondern verschränkte nur seine Finger mit ihren.

Bernard sagte:»Ich weiß nicht, wovon du redest, Nick. Setz dich. Du siehst ja furchtbar aus. Hast du nicht geschlafen?«

«Tu bloß nicht so, als würdest du dir Sorgen um mich machen«, fauchte Nicholas.»Du hast jemanden von London herbeordert, der gegen mich ermittelt, und tu bloß nicht so, als wüsstest du nichts davon. «Er baute sich direkt vor seinem Vater auf:»Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht? Hast du etwa angenommen, ich würde davon nichts mitbekommen? Glaubst du vielleicht, die Drogen und der Alkohol haben mir dermaßen das Gehirn aufgeweicht, dass ich mich nicht fragen würde … Herrgott noch mal, ich sollte dir wirklich den Hals umdrehen. Das wäre doch ein Leichtes für mich, oder? Offenbar bin ich so ein kaltblütiger Mörder, dass es auf eine Leiche mehr oder weniger im Bootshaus auch nicht mehr ankommt.«

«Nicholas!«Valerie war aufgesprungen.»Hör auf!«

«Ach, du steckst also mit ihm unter einer Decke?«, höhnte er.»Ich hätte nicht gedacht …«

«Ich habe das alles veranlasst«, sagte Valerie.

Er verstummte. Manette war so schockiert, dass sich ihr der Magen zusammenzog. Aber schon bald folgte Verwirrung auf den Schock.

«Valerie«, sagte Bernard.»Das ist nicht nötig.«

«Ich fürchte doch. «Dann sagte sie zu Nicholas:»Die Polizei ist auf meinen Wunsch hier. Dein Vater hat das auf meinen Wunsch hin veranlasst. Es war nicht seine Idee. Hast du das verstanden? Er ist nach London gefahren, weil er jemanden bei Scotland Yard kennt. Doch es war weder seine Idee noch Manettes …«Sie zeigte auf Manette, die händchenhaltend mit Freddie auf dem Sofa saß.»… noch Mignons. Ich allein bin dafür verantwortlich.«

Nicholas wirkte wie jemand, dem gerade eine tödliche Wunde zugefügt worden war. Endlich fand er seine Stimme wieder:»Meine eigene Mutter. Glaubst du wirklich … Traust du mir allen Ernstes zu …?«

«Es ist nicht ganz so, wie du denkst«, sagte Valerie.

«… dass ich Ian umgebracht habe?«Er schlug mit der Faust auf den Kaminsims.»Glaubst du das? Hältst du mich für fähig, einen Mord zu begehen? Was ist eigentlich mit dir los?«

«Nick. Es reicht«, sagte Bernard.»Schließlich hast du eine Vergangenheit …«

«Ich kenne meine Vergangenheit, verflucht noch mal. Nur zu gut. Du brauchst mich nicht daran zu erinnern. Aber ich kann mich nicht erinnern, jemals die Hand gegen irgendjemanden erhoben zu haben.«

«Niemand«, sagte Valerie,»hat die Hand gegen Ian erhoben. So ist er nicht gestorben.«

«Warum zum Teufel …«

«Valerie«, sagte Bernard.»Das macht alles nur noch schlimmer.«

«Schlimmer kann es nicht mehr werden«, sagte Nicholas.»Es sei denn, es gibt einen anderen Grund, warum meine Mutter sich an Scotland Yard gewendet hat. Das versuchst du doch gerade, mir weiszumachen, oder? Ermittelt Scotland Yard etwa gegen Manette? Oder gegen Mignon? Oder gegen Fred? Oder tanzt der immer noch nach Manettes Pfeife?«

«Wag es nicht, so über Freddie zu reden«, sagte Manette.»Und ja, Scotland Yard war auch bei uns. Und wir haben von der ganzen Sache erst erfahren, als man uns einen Scotland-Yard-Ausweis unter die Nase gehalten hat.«

«Na, immerhin«, sagte Nicholas. Dann wandte er sich an seine Mutter:»Hast du überhaupt eine Ahnung — irgendeinen blassen Schimmer …«

«Es tut mir leid«, sagte sie.»Ich habe dich verletzt, und das tut mir wirklich leid. Aber es gibt Dinge, die wichtiger sind als …«

«Ach ja? Was denn zum Beispiel?«, schrie er. Dann plötzlich schien ihm ein Licht aufzugehen.»Geht es um die Firma? Darum, wer was erbt? Wer die Firma übernimmt?«

«Nicholas, bitte. Es gibt auch noch andere Dinge, die …«

«Glaubst du etwa, dass mich das interessiert? Glaubst du, deswegen bin ich zurückgekommen? Es interessiert mich einen feuchten Kehricht, wer die Firma leitet. Übergib sie Manette. Oder Freddie. Oder irgendeinem dahergelaufenen Idioten. Kannst du dir vorstellen, was das alles mit Alatea macht? Dass jemand in unser Haus kommt und überall herumschnüffelt und sich ausgibt als … als … Diese Polizistin, die du herbestellt hast, hat uns von Anfang an belogen, Mum. Kapierst du das? Sie hat uns irgendeine alberne Geschichte aufgetischt, warum sie hier ist, und sie hat Allie in Angst und Schrecken versetzt. Allie glaubt … Gott, ich weiß ja nicht mal, was sie glaubt, aber sie ist vollkommen außer sich, und sie denkt, ich hätte … Siehst du denn nicht, was du angerichtet hast? Meine eigene Frau … Wenn sie mich verlässt …«

«Sie?«, fragte Bernard.»Sie ist zu euch gekommen? Wovon redest du, Nick?«

«Wovon zum Teufel soll ich schon reden? Von eurer verdammten Polizistin von Scotland Yard!«

«Es ist ein Mann«, sagte Valerie.»Nicholas, es ist ein Mann, keine Frau. Wir wissen nichts von …«

«Natürlich nicht, Mum, alles klar.«

«Sie sagt die Wahrheit«, schaltete sich Manette ein.

«Er hat jemanden mitgebracht«, fügte Bernard hinzu.»Aber auch das ist ein Mann, Nick. Ein forensischer Gutachter. Wenn eine Frau bei euch gewesen ist, um mit Alatea zu reden, dann hat das nichts mit Scotland Yard zu tun.«

Nicholas erbleichte. Blitzschnell ging er alle Möglichkeiten durch, das sah Manette ihm deutlich an.

Dann murmelte er:»Montenegro.«

«Wer?«, fragte Bernard.

Aber so schnell, wie Nicholas gekommen war, so plötzlich war er verschwunden.

LANCASTER — LANCASHIRE

Während Deborah mit Zed Benjamin im Auto saß und darauf wartete, dass Alatea und ihre Begleiterin zum Invalidenheim zurückkehrten, klingelte ihr Handy. Sie vermutete, dass es Simon war, und überlegte schon, ob sie das Gespräch annehmen oder es auf die Mailbox umleiten lassen sollte, um nicht in Gegenwart des Journalisten ein» offizielles «Gespräch vortäuschen zu müssen, aber ein Blick aufs Display sagte ihr, dass es Tommy war. Damit würde sie umgehen können, sagte sie sich.

«Mein Chef«, sagte sie zu Zed, dann nahm sie das Gespräch entgegen.»Inspector Lynley, hallo.«

«Wie förmlich.«

«Aber selbstverständlich«, erwiderte sie fröhlich, ohne den Blick von dem Invalidenheim abzuwenden. Sie spürte, dass Zed sie anschaute.

«Ich habe mich mit Simon getroffen«, sagte Lynley.

«Damit hatte ich gerechnet.«

«Er ist auf uns beide nicht besonders gut zu sprechen. Auf mich nicht, weil ich dich in die Sache mit hineingezogen habe, und auf dich nicht, weil du gegen seinen Willen weiterermittelst. Wo steckst du überhaupt?«