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Das brachte sie nur noch mehr zum Schluchzen. Es war alles zu spät.

LAKE WINDERMERE — CUMBRIA

Lynley fand Valerie Fairclough in ihrem noch nicht fertiggestellten Fantasiegarten. Als er sich zu ihr gesellte, begann sie zu sprechen, als wären sie an ebendieser Stelle in ihrem Gespräch unterbrochen worden. Sie zeigte ihm das im Bau befindliche Schiffswrack, dessen Takelage später den größeren Kindern zum Klettern und Schaukeln dienen sollte. Sie zeigte ihm eine Kletterburg und ein kleines Karussell. Sie führte ihn zu einem Spielplatz für die ganz Kleinen, wo Pferde, Kängurus und Frösche auf schweren Federn auf ihre kleinen Reiter warteten. Es würde auch ein Fort errichtet, sagte sie, denn Jungs spielten doch so gern Soldaten, nicht wahr? Und für die Mädchen würde ein Miniaturhaus gebaut mit Möbeln und allem, was sich in einem richtigen Haus befand, denn, Emanzipation hin oder her, letztendlich blieben Mädchen doch am liebsten im Haus und spielten Mutter und Kind, nicht wahr?

Über ihre letzte Bemerkung lachte sie freudlos. Auf jeden Fall, schloss sie, würde der Fantasiegarten ein richtiges Kinderparadies werden.

Lynley fand das alles ziemlich merkwürdig. Was sie dort anlegen ließ, war viel eher geeignet für einen öffentlichen Park als für einen Privatgarten. Er fragte sich, was sie sich davon erwartete, ob sie größere Pläne hatte und Ireleth Hall der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte, wie so viele Herrenhausbesitzer es taten. Es war, als hätte sie seit Langem geahnt, dass ihr große Veränderungen bevorstanden.

«Warum haben Sie mich nach Cumbria gebeten, Valerie?«, fragte er schließlich.

Sie schaute ihn an. Mit ihren siebenundsechzig Jahren war sie immer noch eine eindrucksvolle Frau. In ihrer Jugend musste sie eine große Schönheit gewesen sein. Schönheit und Geld: eine eindrucksvolle Kombination. Sie hatte bestimmt zahlreiche Verehrer aus ihren eigenen Kreisen gehabt, aber sie hatte sich für Bernard entschieden.

Sie sagte:»Ich habe Sie nach Cumbria kommen lassen, weil ich schon lange einen Verdacht habe.«

«Einen Verdacht?«

«Ja. Dass Bernard irgendetwas treibt. Dass er es mit Vivienne Tully ›treibt‹, hätte ich wahrscheinlich auch wissen müssen. Ich bin der Frau zweimal begegnet, danach hat er sie nie wieder mit einem Wort erwähnt. Dann fuhr er jedoch immer häufiger nach London, und die Stiftung nahm mehr und mehr von seiner Zeit in Anspruch … Es gibt immer Hinweise, Inspector. Es gibt immer Indizien, Warnsignale oder wie auch immer man das nennen mag. Aber in der Regel ist es einfacher, die Augen davor zu verschließen, als sich dem Unbekannten zu stellen, das einen erwartet, wenn eine langjährige Ehe in die Brüche geht. «Sie hob einen Plastikbecher vom Boden auf, den einer der Arbeiter weggeworfen hatte, und steckte ihn stirnrunzelnd ein. Dann schaute sie auf den See hinaus, eine Hand schützend über die Augen gelegt. Über den Bergen im Westen brauten sich Gewitterwolken zusammen.»Ich bin von Lügnern und Gaunern umgeben«, sagte sie.»Die wollte ich aus ihren Verstecken scheuchen. Und dazu brauchte ich Sie, Inspector«, fügte sie lächelnd hinzu.

«Was ist mit Ian?«

«Der arme Ian.«

«Mignon könnte ihn umgebracht haben. Sie hatte ein Motiv, ein ziemlich starkes sogar. Wie Sie selbst gesagt haben, war sie im Bootshaus. Sie könnte vorher dort gewesen sein und die Steine so gelockert haben, dass man es nicht sah. Sie könnte ihn sogar im Bootshaus erwartet haben, als er von seiner Ruderpartie zurückkam. Sie könnte ihn aus dem Boot gezerrt und ins Wasser …«

«Inspector, eine solche Art Racheaktion liegt außerhalb von Mignons Vorstellungskraft. Außerdem hätte sie keinen finanziellen Gewinn davon gehabt, und Geld ist das Einzige, was Mignon jemals interessiert hat. «Sie wandte sich Lynley wieder zu und schaute ihn an.»Ich wusste, dass die Steine locker sind, und ich habe Ian mehr als einmal darauf hingewiesen. Da er und ich die Einzigen waren, die das Bootshaus regelmäßig benutzten, habe ich mit niemand anderem darüber gesprochen. Dazu bestand keine Notwendigkeit. Ich habe ihm geraten, beim Ein- und Aussteigen aus seinem Boot sehr vorsichtig zu sein. Er sagte mir, ich solle mir keine Sorgen machen, er werde schon aufpassen, und bei nächster Gelegenheit werde er sich darum kümmern, dass der Steg repariert würde. Aber ich glaube, an dem Abend hatte er andere Sorgen. Es war ziemlich ungewöhnlich, dass er so spät noch zum Rudern ging. Ich glaube, er war einfach unachtsam. Es war ein Unfall, Inspector, das habe ich von Anfang an gewusst.«

Lynley überlegte.»Und das Filetiermesser, das wir gefunden haben?«

«Das habe ich ins Wasser geworfen. Um Sie zu beschäftigen. Für den Fall, dass Sie zu früh zu dem Schluss gelangten, dass es ein Unfall war.«

«Verstehe«, sagte er.

«Sind Sie mir jetzt sehr böse?«

«Das sollte ich sein. «Sie machten kehrt und begaben sich auf den Rückweg. Hinter einer langen Mauer erhoben sich die grünen Skulpturen des Formschnittgartens und dahinter, etwas weiter weg, das sandsteinfarbe, geschichtsträchtige Gemäuer von Ireleth Hall.

«Fand Bernard das nicht merkwürdig?«, erkundigte sich Lynley.

«Was?«

«Dass Sie eine Untersuchung der Umstände von Ians Tod wollten?«

«Vielleicht. Aber was hätte er denn sagen sollen? ›Das möchte ich nicht‹? Dann hätte ich ihn gefragt, warum nicht. Er hätte versucht, es mir zu erklären. Vielleicht hätte er argumentiert, Nicholas, Manette und Mignon zu verdächtigen sei unfair. Ich hätte ihm jedoch entgegengehalten, dass es immer besser ist, die Wahrheit über seine Kinder zu wissen, als mit einer Lüge zu leben, und das, Inspector, hätte uns viel zu dicht an die Wahrheit gebracht, die Bernard vor mir verbergen wollte. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als das Spiel mitzuspielen und dabei zu hoffen, dass Sie nicht auf Vivienne stoßen würden.«

«Sie kehrt ja jetzt nach Neuseeland zurück.«

Valerie sagte nichts dazu.»Wissen Sie, was merkwürdig ist?«, fragte sie und hakte sich bei ihm unter.»Nach mehr als vierzig Jahren Ehe wird ein Mann zu einer Angewohnheit. Ich muss mir überlegen, ob Bernard eine Angewohnheit ist, die ich ablegen möchte.«

«Und?«

«Vielleicht. Aber zuerst brauche ich ein bisschen Zeit zum Nachdenken. «Sie drückte seinen Arm und lächelte ihn an.»Sie sind ein sehr attraktiver Mann, Inspector. Es tut mir leid, dass Sie Ihre Frau verloren haben. Sie haben doch hoffentlich nicht vor, allein zu bleiben.«

«Darüber habe ich noch nicht so richtig nachgedacht«, gab er zu.

«Das sollten Sie aber. Jeder muss sich irgendwann entscheiden.«

WINDERMERE — CUMBRIA

Tim wartete in dem Geschäftszentrum stundenlang auf den richtigen Zeitpunkt. Nachdem er am Morgen aus Kavehs Auto gestiegen war, hatte er nicht lange bis Windermere gebraucht. Er war über eine niedrige Feldsteinmauer gesprungen, über eine unebene Weide bis zu einem Wald gerannt, hatte sich dort im Gestrüpp hinter einem umgestürzten Baum versteckt und gewartet, bis Kaveh weggefahren war. Dann war er zur Straße zurückgegangen und in die Stadt getrampt.

Einen Puppendoktor hatte er trotz intensiver Suche nicht finden können, dafür aber eine Werkstatt namens J. Bobak & Sohn, die Elektrogeräte reparierte. Zwischen Regalen hindurch, die vollgestopft waren mit kaputten Küchengeräten, ging er in den hinteren Teil der Werkstatt, wo sich der Tresen befand. J. Bobak entpuppte sich als ältere Frau mit grauen Zöpfen und hellrosa Lippenstift, der in die winzigen Fältchen um ihre Lippen herum auslief, und der Sohn als junger Mann mit Downsyndrom. Die Frau reparierte gerade etwas, das aussah wie ein Waffeleisen, während der Sohn an einem alten Röhrenradio von der Größe eines Austin Mini herumbastelte. Um die beiden herum standen alle möglichen reparaturbedürftigen Geräte: Fernseher, Mikrowellen, Mixer, Toaster und Kaffeemaschinen, die alle so aussahen, als warteten sie schon ewig darauf, dass sich jemand ihrer annahm.