«Also wirklich, du Schlimmer!«Dann:»Nein, nein, Mama Benjamin. Ich werde auf keinen Fall wiederholen, was Ihr Sohn zu mir gesagt hat. Aber ich muss gestehen, dass mir ein bisschen schwindlig wird von seinen Worten. «Und zu Zed:»Das meine ich ernst. Mir wird ganz anders …«
«Na, das will ich doch hoffen!«
Sie lachte. Dann sagte sie in einem vollkommen anderen Ton.»So, sie ist aufs Klo gegangen. Jetzt können wir reden. Wie geht’s dir, Zed?«
Er konnte sich gar nicht so schnell von Yaffa, der angeblichen Geliebten, auf Yaffa, die Mitverschwörerin, umstellen.»Du fehlst mit, Yaf«, sagte er.»Ich wünschte, du wärst hier.«
«Ich kann dir auch von hier aus helfen.«
Einen verrückten Moment lang dachte Zed tatsächlich, sie redete von Telefonsex, und in seinem derzeitigen Zustand hätte er noch nicht einmal etwas dagegen gehabt. Doch dann fragte sie:»Hast du inzwischen die Informationen, die du für deine Story brauchst?«
Das wirkte wie eine kalte Dusche.»Ach, diese verdammte Story«, stöhnte er. Er brachte Yaffa auf den neuesten Stand. Erzählte ihr alles, was er seit ihrem letzten Gespräch unternommen hatte. Abschließend sagte er:»Es gibt also nichts und wieder nichts zu berichten. Ich könnte natürlich schreiben, dass Scotland Yard hier oben ist und gegen Nick Fairclough ermittelt wegen des mysteriösen Todes von dessen Vetter Ian Cresswell, der für die Buchhaltung von Fairclough Industries verantwortlich war — und wir wissen ja alle, was das bedeutet, nicht wahr, liebe Leser? Aber jetzt sieht es so aus, als würde Scotland Yard gar nicht gegen Nick Fairclough ermitteln, sondern gegen dessen Frau Alatea, und dass sie in dem Fall bisher ungefähr so weit gekommen sind wie ich bei Nick Fairclough. Wir befinden uns in derselben Situation, Scotland Yard und ich. Mit dem einzigen Unterschied, dass diese Polizisten frohgemut nach London zurückkehren und ihren Vorgesetzten einen Abschlussbericht präsentieren können. Aber wenn ich ohne Story zurückkomme, bin ich erledigt. «Dann fügte er hastig hinzu:»Tut mir leid, ich wollte dich nicht volljammern.«
«Zed, du kannst jammern, so viel du willst.«
«Danke, Yaf. Du bist … Na ja, du bist eben, wie du bist.«
Er hörte, dass sie lächelte, als sie antwortete:»Danke. Aber jetzt lass uns mal scharf nachdenken. Wenn eine Tür zuschlägt, öffnet sich eine andere.«
«Und das bedeutet?«
«Es bedeutet, dass du vielleicht das tun solltest, was deine Berufung ist. Du bist ein Dichter, Zed, kein Klatschreporter. Wenn du bei dieser Zeitung bleibst, wirst du deine Kreativität verlieren. Es wird Zeit, dass du anfängst, Gedichte zu schreiben.«
Zed schaubte verächtlich.»Die Poesie ist eine brotlose Kunst«, sagte er.»Sieh mich doch an: Ich bin fünfundzwanzig und wohne immer noch bei meiner Mutter. Nicht mal als Journalist schaffe ich es, meinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
«Ach Zed, sag nicht so was. Du brauchst nur jemanden, der an dich glaubt. Ich glaube an dich.«
«Und was nützt mir das? Du gehst doch bald wieder nach Tel Aviv zurück.«
Yaffa schwieg. Plötzlich klopfte es in Zeds Leitung. Er sagte:»Yaffa? Bist du noch da?«
«Äh, ja, ich bin noch da«, antwortete sie.
Es klopfte immer noch in der Leitung. Wahrscheinlich Rodney. Es war wohl an der Zeit, dass er sich den Tatsachen stellte.»Yaffa«, sagte er.»Da ruft mich jemand an. Ich muss …«
«Ich muss ja nicht zurückgehen«, sagte sie hastig.»Mich drängt nichts. Denk drüber nach, Zed. «Dann legte sie auf.
Einen Moment lang starrte er verdattert auf sein Handy. Dann nahm er den anderen Anruf entgegen.
Es war die Polizistin. Sie sagte:»Ich fahre noch mal nach Lancaster, um ein zweites Mal mit dieser Frau zu reden. Es steckt offensichtlich mehr dahinter. Und es wird Zeit, dass wir beide ihr die Daumenschrauben anlegen.«
Der Letzte, den Manette bei Fairclough Industries erwartet hätte, war Kaveh Mehran. Soweit sie sich erinnerte, war er noch nie in der Firma gewesen. Ian hatte ihn jedenfalls nie offiziell herumgeführt und vorgestellt. Natürlich wussten fast alle, dass Ian seine Frau wegen dieses jungen Mannes verlassen hatte, aber das war auch alles. Und als Kaveh jetzt in ihr Büro geführt wurde, war sie erst einmal verblüfft. Doch dann sagte sie sich, dass er wahrscheinlich gekommen war, um Ians persönliche Sachen abzuholen. Irgendjemand musste sich schließlich darum kümmern.
Es stellte sich jedoch heraus, dass er aus einem anderen Grund da war. Tim war verschwunden. Er war am Tag zuvor auf dem Weg zur Schule aus Kavehs Auto gesprungen und seitdem nicht nach Hause gekommen.
«Ist denn etwas vorgefallen?«, fragte Manette.»Warum ist er aus dem Auto gesprungen? War er in der Schule? Hast du schon in der Schule nachgefragt?«
Bereits am Tag zuvor, sagte Kaveh, habe jemand von der Schule bei ihm angerufen. Tim sei nicht zum Unterricht erschienen, und in so einem Fall wurden die Erziehungsberechtigten sofort informiert, weil … na ja, weil es eben so eine Schule sei, falls sie wisse, was er meine.
Natürlich wisse sie, um was für eine Schule es sich handelte. Die ganze Familie wusste über die Margaret Fox School Bescheid, das war kein Geheimnis.
Kaveh sagte, er sei am Morgen die Strecke von Bryanbarrow bis zur Margaret Fox School abgefahren, weil er dachte, Tim würde vielleicht an irgendeiner Kreuzung stehen und trampen. Er war nach Great Urswick gefahren, um zu sehen, ob der Junge vielleicht zu Manette gelaufen war und sich irgendwo auf ihrem Grundstück versteckt hatte, ohne dass sie davon wusste. Dann war er zur Schule gefahren. Und jetzt war er in die Firma gekommen, um nach Tim zu fragen.
«Natürlich ist er nicht hier«, sagte Manette.»Was sollte er denn hier in der Firma tun?«
«Hast du ihn denn sonst wo gesehen? Hat er bei dir angerufen? Bei Niamh habe ich noch nicht nachgefragt, wie du dir denken kannst. «Kaveh wirkte verlegen, aber Manette spürte, dass er ihr etwas Wichtiges vorenthielt.
«Ich habe nichts von ihm gehört«, sagte sie.»Bei uns in Great Urswick ist er auch nicht gewesen. Warum ist er aus deinem Auto gesprungen?«
Kaveh drehte sich kurz um, als überlegte er, ob er die Tür zu ihrem Büro schließen sollte. Manette wappnete sich, denn sie fürchtete, dass jetzt etwas kam, das sie nicht hören wollte.
«Ich glaube, er hat ein Gespräch zwischen mir und George Cowley mitbekommen.«
«Mit dem Bauern? Was zum Teufel …?«
«Es ging darum, was mit dem Haus und der Farm passieren soll. Ich denke, du weißt, dass Cowley das Haus kaufen wollte.«
«Ja, Ian hat mir davon erzählt. Und?«Warum sollte Tim sich dafür interessieren? fragte sie sich im Stillen.
«Ich habe Mr. Cowley gesagt, was ich mit dem Haus vorhabe«, sagte Kaveh.»Und ich fürchte, das hat Tim gehört.«
«Was hast du denn mit dem Haus vor? Willst du etwa Schafe züchten?«, fragte Manette spöttisch. Sie konnte sich nicht beherrschen. Tim und Gracie hätten das Haus erben müssen, und nicht dieser Mann, der die Familie der beiden zerstört hatte.
«Ich werde es behalten und dort wohnen bleiben. Und … Ich habe Cowley gesagt, dass Tim und Gracie zu ihrer Mutter zurückkehren werden. Das könnte Tim gehört haben.«
Manette zog die Brauen zusammen. Natürlich war das der logische Lauf der Dinge. Haus hin oder her, Tim und Gracie konnten nach dem Tod ihres Vaters nicht bei dessen Liebhaber wohnen bleiben. Sie würden es bei ihrer Mutter nicht leicht haben, aber solange sie minderjährig waren, gab es keine Alternative. Tim würde das verstehen. Er musste sogar damit gerechnet haben. Dass diese Neuigkeit ihn also dazu gebracht haben sollte, aus Kavehs Auto zu springen und abzuhauen … Das ergab irgendwie keinen Sinn.
«Ich möchte dir ja nicht zu nahetreten, Kaveh«, sagte sie,»aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kinder bei dir wohnen bleiben wollen, jetzt, wo ihr Vater tot ist. Könnte es also sein, dass noch etwas anderes passiert ist? Etwas, das du mir verschweigst?«