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«Ach so. Ja, also … Das habe ich immer an deinem Vater bewundert. Und ehrlich gesagt, hab ich mir immer gewünscht, ich könnte mir bei ihm eine Scheibe abschneiden. «Seine Ohren wurden noch tiefer rot.

«Du? Soll das heißen, dir mangelt es an Selbstbewusstsein? Wie kannst du denn so etwas sagen? Man braucht sich ja nur anzusehen, wie viele Frauen sich in letzter Zeit darum reißen, mit dir ins Bett zu gehen.«

«Ach, so was ist ein Kinderspiel, Manette. Das ist der Fortpflanzungstrieb. Frauen begehren einen Mann, ohne dass sie wissen, warum. Er muss es nur bringen. Und wenn ein Mann es nicht bringt, wenn eine Frau ihm die Hose runterzieht, um sich von ihm vögeln zu lassen …«

«Freddie McGhie!«Manette musste unwillkürlich lachen.

«Aber so ist es, meine Liebe. Die Spezies stirbt aus, wenn der Mann keinen hochkriegt, sobald eine Frau ihn anmacht, so einfach ist das. Reine Biologie. Einen hochzukriegen ist Routine. Die Technik selbst natürlich nicht, aber gute Techniken kann sich jeder aneignen. «Die Schafherde vor ihnen hatte die nächste Weide erreicht. Das Gattertor in der Feldsteinmauer stand weit offen, der Collie bugsierte seine Schützlinge hindurch, und Freddie legte den Gang ein.»Sagen wir also, dein Vater hat eine gute Technik entwickelt, aber zuerst musste er die Frauen natürlich auf sich aufmerksam machen, und das hat er mit seiner Selbstsicherheit getan. Er verfügt über die Art Selbstsicherheit, die einen glauben lässt, man könnte alles erreichen. Und er glaubt nicht nur daran, er beweist es auch noch.«

Manette verstand, was Freddie meinte, vor allem in Bezug auf die Ehe ihrer Eltern. Seit sie denken konnte, erzählte man sich in ihrer Familie, wie die beiden sich kennengelernt hatten, wie der Fünfzehnjährige auf die achtzehnjährige Valerie Fairclough zugegangen war und ihr seine Absichten erklärt hatte. Seine Dreistigkeit hatte Valerie beeindruckt, vor allem in einer Welt, in der seinesgleichen sich in der Regel damit begnügte, einen Kratzfuß zu machen. Diese Faszination war alles, was Bernie Dexter gebraucht hatte. Der Rest war Geschichte.

«Aber Freddie, du kannst doch auch alles erreichen, was du willst. Glaubst du das nicht von dir selbst?«

Er lächelte sie zweifelnd an.»Tja, dich konnte ich jedenfalls nicht halten. Und wie Mignon gestern gesagt hat: Ich hab immer gewusst, dass du eigentlich Ian haben wolltest. Vielleicht war das überhaupt unser Problem.«

«Nein, was für ein Unsinn«, widersprach Manette.»Als ich siebzehn war, habe ich für Ian geschwärmt, das ist richtig. Aber als ich erwachsen wurde, wollte ich nur dich.«

«Ah«, sagte er und schwieg.

Sie schwieg ebenfalls, obwohl sie spürte, wie sich ein Unbehagen zwischen ihnen ausbreitete, eine Spannung, die vorher nicht da gewesen war. Den Rest der Fahrt über sagte keiner etwas.

Als sie in Bryanbarrow eintrafen und vor dem alten Herrenhaus parkten, sahen sie, dass vor dem Haus, in dem George Cowley und sein Sohn Daniel wohnten, ein Umzugswagen stand. George Cowley hatte sie bemerkt und kam zu ihnen herüber, als sie aus dem Wagen stiegen.»Jetzt kriegt er also, was er von Anfang an wollte«, sagte er und spuckte auf den Weg, der an Gracies Trampolin vorbei zur Haustür führte.»Der wird sich noch wundern, wenn er erst mal merkt, dass die Farm keinen Penny abwirft.«

«Wie bitte?«, fragte Freddie. Er kannte George Cowley nicht. Manette kannte ihn zwar vom Sehen, hatte aber noch nie mit ihm gesprochen.

«Er hat ganz große Pläne«, sagte Cowley.»Wir räumen das Feld, Dan und ich. Die Schafe nehmen wir mit, soll er sehen, wie er zurechtkommt. Es wird sich ja zeigen, ob er noch mal einen Pächter findet, der bereit ist, in der Hütte da zu wohnen und auch noch ein Vermögen für den Spaß zu berappen. Dann werden wir ja sehen, wie er sich hier fühlt mit seinen Eltern und seiner Frau.«

Manette fragte sich, ob das Cottage groß genug war für einen Mann samt Frau und Eltern, aber sie sagte nichts dazu, sondern fragte nur:»Ist Tim hier, Mr. Cowley? Wir suchen nach ihm.«

«Keine Ahnung«, erwiderte George Cowley.»Jedenfalls stimmt mit dem Jungen irgendwas nicht. Und die Kleine ist auch ziemlich merkwürdig. Springt den ganzen Tag auf ihrem Trampolin rum. Ich bin heilfroh, wenn ich hier weg bin. Wenn Sie diesen Arschficker sehen, sagen Sie ihm das. Und sagen Sie ihm, ich glaube kein Wort von dem Blödsinn, den er verzapft, egal, wie viele Trümpfe er im Ärmel hat.«

«Selbstverständlich«, sagte Freddie. Er nahm Manettes Arm und bugsierte sie in Richtung Haustür.»Dem geht man am besten aus dem Weg, hm?«, murmelte er.

Manette nickte. Der Mann war offenbar nicht ganz richtig im Kopf. Wovon hatte der überhaupt geredet?

Im Herrenhaus schien niemand zu sein, aber Manette wusste, wo ein Hausschlüssel lag: unter einem von Flechten bedeckten Betonpilz am Fuß einer alten herbstlich kahlen Glyzinie, deren Stamm schon fast bis unters Dach reichte. Sie holten den Schlüssel und gingen ins Haus. Durch einen Flur gelangten sie in die blitzsaubere Küche. Die alten Holzschränke waren auf Hochglanz poliert. Überhaupt war alles noch ordentlicher als vor Ians Tod. Offenbar hatte Kaveh — oder jemand anders — einen gründlichen Hausputz gemacht.

Das beunruhigte Manette. In ihrer Vorstellung verursachte tiefe Trauer eher Lethargie anstatt einen Energieschub.

«Jedenfalls kann man nicht behaupten, dass er das Haus verfallen lässt«, sagte Freddie, während er sich umsah.

Manette rief:»Tim? Bist du hier?«

Eigentlich war es überflüssig, Tim zu rufen, denn selbst wenn er hier wäre, würde er sicher nicht angelaufen kommen und ihnen freudestrahlend um den Hals fallen, dachte Manette. Trotzdem suchten sie das Haus systematisch ab. Und jedes Zimmer, in das sie hineinschauten, war tipptopp sauber und aufgeräumt. Es sah ziemlich genauso aus wie zu Ians Lebzeiten, nur viel besser in Schuss, wie hergerichtet für Fotos in einem Artikel über Herrenhäuser im georgianischen Stil.

Sie gingen nach oben. So ein altes Haus verfügte über zahlreiche Ecken und Winkel, die sich als Verstecke eigneten. Freddie meinte, Tim sei wahrscheinlich längst über alle Berge, und das könne ihm keiner verdenken nach allem, was er durchgemacht hatte. Doch Manette wollte auf Nummer sicher gehen. Sie schaute unter den Betten und in den Schränken nach, tastete sogar einige Wände ab, um festzustellen, ob es irgendwo eine Geheimtür gab. Sie kam sich selbst albern dabei vor, aber sie konnte nicht anders. Irgendetwas stimmte in diesem Haus ganz und gar nicht, und sie wollte unbedingt herausfinden, was hier vor sich ging. Denn wenn sie das richtig sah, dann war Tim wegen irgendetwas abgehauen, das Kaveh getan oder gesagt hatte, auch wenn der hinterher den Besorgten gespielt und vorgegeben hatte, er würde den Jungen suchen.

Als Letztes nahmen sie sich Tims Zimmer vor. Auch hier war alles tipptopp aufgeräumt. Obwohl Tims Kleider noch im Schrank lagen, deutete nichts darauf hin, dass es sich um das Zimmer eines Vierzehnjährigen handelte.

«Ah«, sagte Freddie und trat an den Tisch unterm Fenster, auf dem ein Laptop stand, der aufgeklappt war, als wäre er vor Kurzem erst benutzt worden.»Vielleicht hilft uns der ja weiter. «Er setzte sich und ließ seine Fingergelenke knacken.»Wollen wir doch mal sehen.«

Manette trat neben ihn.»Aber wir kennen sein Passwort nicht. Wie sollen wir denn ohne Passwort da reinkommen?«

Freddie lächelte sie an.»Du Kleingläubige«, sagte er. Er begann, auf die Tastatur einzuhacken, um das Problem in Angriff zu nehmen, das sich als nicht existent entpuppte: Tim hatte sein Passwort gespeichert. Sie brauchten nur seinen Nutzernamen, den Manette kannte, weil sie regelmäßig mit Tim in E-Mail-Kontakt gestanden hatte.»Bingo«, murmelte Freddie.

Er grinste.»Wirklich schade, dass du nicht gerade mit was anderem beschäftigt warst«, sagte er.»Sonst hättest du mich am Ende vielleicht tatsächlich für ein Computergenie gehalten …«

Sie drückte seine Schulter.»Für mich bist du Genie genug, mein Lieber.«