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Bei Oxfam erstand er eine Cordhose. Sie war am Hintern etwas abgescheuert, doch sie passte, und das reichte ihm. Dazu kaufte er sich noch einen Rollkragenpullover, mehr brauchte er nicht, denn Schuhe, Socken und einen Anorak hatte er ja schon. Er hatte reichlich Geld übrig für eine Mahlzeit, aber er würde sich nur ein Sandwich kaufen, vielleicht noch eine Tüte Chips und eine Dose Cola. Den Rest würde er in einen Umschlag stecken und Gracie schicken. Er würde ihr eine Karte schreiben und ihr raten, vor allem auf sich selbst aufzupassen, denn niemand anders würde sich um sie kümmern, egal wie nett sie zu allen war. Dann würde er sie bitten, ihm das mit Bella zu verzeihen. Es tat ihm immer noch furchtbar leid, dass er die Puppe zerrissen hatte, und er konnte nur hoffen, dass die Frau in der Elektrowerkstatt sie wieder hinbekam.

Komisch, dachte Tim, als er in seinen neuen Sachen auf die Straße trat, es ging ihm schon viel besser. Er hatte eine Entscheidung getroffen und fühlte sich erleichtert. Unglaublich, wie lange er sich hundeelend gefühlt hatte, dabei hätte er nichts weiter zu tun brauchen, als eine Entscheidung zu fällen.

WINDERMERE — CUMBRIA

Auf der Polizeistation in Windermere mussten Manette und Freddie fast eine halbe Stunde warten. Sie hatten Tims Laptop mitgenommen und auch den Kartenausschnitt, den der Junge ausgedruckt hatte. Eigentlich hatten sie damit gerechnet, dass der Hinweis auf einen Kinderporno-Ring irgendjemandem Feuer unterm Hintern machen würde, aber das war nicht der Fall gewesen. Man hatte sie Platz nehmen lassen wie im Wartezimmer eines Arztes, und mit jeder Minute, die verstrich, wurde Manette nervöser.

«Es wird alles gut«, murmelte Freddie mehr als einmal. Er hielt ihre Hand und streichelte sie immer wieder, so wie er es zu Anfang ihrer Beziehung getan hatte.»Wir kriegen das schon hin.«

«Fragt sich nur, was das ist«, sagte Manette.»Womöglich ist es schon längst passiert. Oder es passiert, während wir hier sitzen und warten. Vielleicht ist er … vielleicht haben sie … Niamh ist an allem schuld.«

«Es bringt doch nichts, einen Schuldigen zu suchen«, sagte Freddie leise.»Das hilft uns nicht dabei, den Jungen zu finden.«

Als man sie endlich zu einem Polizisten vorließ, schaltete Freddie den Laptop ein und führte dem Constable den E-Mail-Verkehr zwischen Tim und Toy4You vor sowie die Fotos und Filme, die der Mann dem Jungen geschickt hatte. Ganz Gentleman sorgte Freddie dafür, dass Manette die Filme nicht sehen konnte, aber am Gesicht des Constable konnte sie ablesen, dass sie tatsächlich so schlimm waren, wie Freddie sie beschrieben hatte.

Der Polizist nahm den Telefonhörer ab und gab drei Ziffern ein. Dann sagte er:»Connie, ich habe hier einen Laptop, den müssen Sie sich unbedingt ansehen … Alles klar. «Er legte auf und sagte zu Freddie und Manette:»Fünf Minuten.«

«Wer ist Connie?«, fragte Manette.

«Superintendent Connie Calva«, sagte der Polizist.»Die Chefin der Sitte. Haben Sie sonst noch was?«

Manette fiel der Kartenausschnitt ein. Sie nahm ihn aus ihrer Tasche und gab ihn dem Constable.»Das lag auf Tims Schreibtisch. Freddie meinte, wir sollten es mitbringen. Ich weiß nicht, wie nützlich es ist … Ich meine, wir wissen nicht, wo genau das ist.«

«Ich dachte, Sie hätten vielleicht jemanden hier, der die Straßen wiedererkennt«, sagte Freddie.»Es ist ein vergrößerter Kartenausschnitt. Für jemanden, der sich mit Stadtplänen im Internet besser auskennt als ich, ist es vielleicht ganz leicht rauszufinden, um welchen Ort es sich handelt.«

Der Constable nahm zu Manettes großer Verwunderung eine Lupe aus seiner Schreibtischschublade. Wie Sherlock Holmes, dachte sie. Er hielt sie über den Kartenausschnitt, um die Straßennamen besser lesen zu können.»So was lassen wir meistens in Barrow machen. Da haben wir einen forensischen Computerspezialisten, der … Ah. Moment. Ich glaube, das ist ziemlich einfach.«

Er blickte auf, als eine Frau in Jeans, kniehohen Lederstiefeln und kariertem Jackett hereinkam, die Freddie und Manette für Superintendent Calva hielten. Sie nickte den beiden zum Gruß zu und fragte:»Was haben Sie für mich, Ewan?«

Der Constable schob den Laptop in ihre Richtung und wedelte mit dem Kartenausdruck.»Wenn Sie den Schmutz sehen, der da drauf ist, fallen Sie vom Glauben ab«, sagte er.»Und das hier ist ein Kartenausschnitt von der Gegend rund um das Einkaufszentrum.«

«Sie wissen, wo diese Straßen sind?«, fragte Manette. Sie konnte ihr Glück kaum fassen.

«Aber ja«, erwiderte Ewan.»Hier in der Stadt. Keine zehn Minuten von hier.«

Manette packte Freddie am Arm und sagte zu dem Constable:»Wir müssen sofort dahin. Wir wissen, dass sie ihn heute filmen wollen. Das passiert bestimmt dort. Wir müssen sie aufhalten.«

Der Constable hob eine Hand.»So einfach geht das nicht«, sagte er.

Superintendent Calva hatte sich mit dem Laptop an einen anderen Schreibtisch gesetzt und schob sich gerade einen Streifen Kaugummi in den Mund. Sie hatte den erschöpften Gesichtsausdruck einer Frau, der nichts mehr fremd war, aber der Ausdruck änderte sich, als sie die Bilder sah. Schließlich hörte sie auf zu kauen und starrte reglos auf den Bildschirm.

«In der Gegend dort stehen Wohnhäuser, jede Menge Pensionen, eine Feuerwehr und ein Einkaufszentrum. Da können wir nicht einfach so reinstürmen, da brauchen wir schon konkrete Beweise. Sicher, der Laptop ist voll damit, aber wo ist die Verbindung zwischen dem Zeug auf dem Laptop und dem Kartenausschnitt, abgesehen davon, dass Ihr Neffe oder wer auch immer den Ausschnitt im Internet gefunden und ausgedruckt hat? Verstehen Sie, was ich meine? Sie haben uns sehr wertvolle Informationen beschafft, und Superintendent Calva wird sich sofort darum kümmern. Und sobald wir mehr wissen …«

«Aber der Junge ist verschwunden«, sagte Manette.»Seit mehr als vierundzwanzig Stunden. Und jetzt haben wir diese Bilder auf seinem Computer gefunden und herausbekommen, dass er in einem Film mitwirken soll, bei dem Gott weiß was passieren kann … Er ist erst vierzehn!«

«Das habe ich verstanden«, sagte der Constable.»Aber das Gesetz …«

«Zum Teufel mit dem Gesetz!«, schrie Manette.»Unternehmen Sie was!«

Freddie legte ihr einen Arm um die Schultern.»Hm, ja«, sagte er.»Das verstehen wir.«

«Bist du verrückt geworden?«, fuhr sie ihn an.

«Die müssen sich an ihre Vorschriften halten, meine Liebe.«

«Aber Freddie …«

«Manette …«Er schaute zur Tür und hob die Brauen.»Überlassen wir das der Polizei, einverstanden?«

Er bat sie, ihm zu vertrauen, das verstand sie, doch im Moment traute sie niemandem. Trotzdem konnte sie ihren Blick nicht von Freddie abwenden. Sie wusste, dass er immer zu ihr hielt. Widerstrebend sagte sie:»Also gut, wenn du meinst. «Und nachdem sie dem Constable und Superintendent Calva alles gesagt hatten, was sie wussten, verließen sie die Polizeistation.

«Was hast du vor?«, fragte Manette, als sie draußen waren.

«Wir brauchen einen Stadtplan«, sagte er.

«Und dann?«

«Dann brauchen wir eine zündende Idee«, antwortete er,»oder jede Menge Glück.«

WINDERMERE — CUMBRIA

Sie hatten Glück. Das Polizeirevier lag außerhalb der Stadt, zwischen Bowness-on-Windermere und Windermere. Sie fuhren die Lake Road entlang in Richtung Windermere, als Manette Tim entdeckte. Er kam gerade aus einem kleinen Lebensmittelladen, in der Hand einen blau-weiß gestreiften Plastikbeutel, aus dem er eine Tüte Kartoffelchips zog, die er mit den Zähnen aufriss.

«Da ist er!«, rief Manette.»Halt an, Freddie!«

«Immer mit der Ruhe, meine Liebe«, sagte Freddie und fuhr weiter.