«Genau das ist es ja, Nicky«, sagte sie.»In meiner Elternzeitschrift steht, dass schon allein der intensive Kinderwunsch es schwierig machen kann.«
«Das verstehe ich. Wirklich, mein Schatz. Aber es könnte ja auch etwas anderes sein, und dann ist es doch besser, man weiß Bescheid, oder? Deswegen hab ich den Test gemacht, und jetzt kannst du …«
«Nein. «Sie schob seine Hand von ihrem Haar weg und setzte sich auf.
«Nicht! Bleib liegen! Sonst …«
Sie sah ihn an.»Bei uns in Argentinien gibt man den Frauen nicht das Gefühl, dass sie nur zu einem Zweck auf der Welt sind.«
«Aber das denke ich doch gar nicht.«
«Diese Dinge brauchen Zeit. Da, wo ich herkomme, wissen wir das. Und ein Kind muss man lieben, es kann nicht …«Sie zögerte und wandte sich ab. Sie kannte die Wahrheit, die nichts mit dem zu tun hatte, was ihr Körper leistete oder nicht. Und die Wahrheit musste ausgesprochen werden.»Ein Kind«, sagte sie schließlich,»kann nicht dazu dienen, die Anerkennung deines Vaters zu gewinnen, Nicky.«
Ein anderer Mann hätte vielleicht mit Empörung oder Leugnen reagiert, aber so war Nicholas nicht. Und seine unbedingte Ehrlichkeit, so erstaunlich für einen Mann, der jahrelang drogenabhängig gewesen war, war ein Grund, warum sie ihn so sehr liebte. Er sagte:»Da hast du vollkommen recht. Das ist tatsächlich einer der Gründe, warum ich mir ein Kind wünsche. Das bin ich ihm schuldig nach allem, was ich ihm angetan habe. Er sehnt sich nach einem Enkelkind, und da meine Schwestern ihm keins geschenkt haben, kann ich das wenigstens für ihn tun. Wir können es für ihn tun.«
«Du siehst also …«
«Aber das ist nicht der einzige Grund, Allie. Ich möchte ein Kind mit dir. Weil ich dich liebe und weil es uns gibt.«
«Und wenn ich diese Tests machen lasse und sich herausstellt, dass ich … keine Kinder bekommen kann?«Sie schwieg eine Weile. In der Stille, die eintrat, konnte sie spüren, wie seine Muskeln sich total anspannten. Sie wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, und dieses Nichtwissen verursachte ihr ein Kribbeln in den Fingern, so dass sie sich bewegen musste. Sie stand auf.
Er sprang ebenfalls auf.»Glaubst du das denn?«, fragte er.
«Wie soll ich etwas anderes glauben …«Sie zeigte auf den Teppich, wo sie sich vor dem Feuer geliebt hatten.»… wenn all das nur dem Kinderkriegen dient. Deine kleinen Schwimmer, wie du sie nennst, wie fit sie sind und wie schnell, und wie ich mich danach hinlegen soll, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können. Was glaubst du wohl, wie ich mich fühle, wenn du darauf bestehst, dass ich zu einem Arzt gehe und die Beine spreize und ihn mit Instrumenten in mir herumfuhrwerken lasse und weiß der Teufel sonst noch alles?«
Sie war immer lauter geworden. Wütend hob sie ihre Sachen auf und zog sich an.»Den ganzen Tag«, sagte sie,»hast du mir so gefehlt. Ich habe mir Sorgen gemacht, als ich dich nicht erreichen konnte und du dich nicht gemeldet hast. Ich sehne mich nach dir, weil ich mit dir zusammen sein will, während du …«
«Dasselbe gilt für mich. Das weißt du.«
«Ich weiß überhaupt nichts.«
Sie ließ ihn stehen. Sie eilte durch den langen Flur, durch die Eingangshalle und durch das Esszimmer zur Küche, die auf der anderen Seite des Hauses lag. Sie begann mit den Vorbereitungen für das Abendessen. Eigentlich war es dafür noch viel zu früh, aber sie musste ihre Hände beschäftigen. Sie war gerade dabei, Zwiebeln zu hacken, als Nicholas in die Küche kam. Er hatte sich auch angezogen, sein Hemd allerdings falsch zugeknöpft, so dass es ganz schief hing, und der Anblick machte sie wieder weich. Ohne sie war er ein einsamer kleiner Junge, das wusste sie, genauso wie sie ohne ihn völlig verloren wäre.
«Tut mir leid«, sagte er.»Dass du dir vorkommst wie ein Brutkasten. Das ist wirklich das Letzte, was ich möchte.«
«Ich nehme die Vitaminpräparate«, sagte sie.»Und all die anderen Pillen. Ich messe meine Temperatur. Ich achte auf meine Ernährung. Ich tue alles, was hilft …«Sie brach ab, denn sie hatte angefangen zu weinen. Sie wischte sich mit dem Unterarm die Tränen aus dem Gesicht.
«Allie …«Er fasste sie an den Schultern und drehte sie zu sich um.
Sie umarmten einander und blieben ein paar Minuten so stehen. Schließlich sagte er:»Allein, dich so in den Armen zu halten, erfüllt mich mit Ehrfurcht. Weißt du überhaupt, was für ein Glück ich habe? Ich weiß es, Allie.«
Sie nickte und löste sich von ihm. Er nahm ihr Gesicht mit beiden Händen und betrachtete es auf diese für ihn typische Weise. Und wie bei anderen Gelegenheiten hatte sie auch jetzt das Gefühl, dass alles, was sie ihm verschwiegen hatte, offen vor ihm lag und er in ihrem Gesicht lesen konnte wie in einem Buch. Aber er fragte nur:»Verzeihst du mir?«
«Natürlich. Und ich tue, worum du mich gebeten hast. Aber noch nicht. Bitte, Nicky. Lass uns noch ein paar Monate warten.«
Er nickte. Dann sagte er grinsend:»Bis dahin lassen wir die kleinen Schwimmer ein bisschen trainieren, okay? Sorgen wir dafür, dass sie ihren Orientierungssinn ein bisschen schulen.«
Sie lächelte.»Abgemacht.«
«Gut. Und jetzt verrat mir doch mal, warum du so einen Berg Zwiebeln hackst, denn meine Augen brennen wie der Teufel. Was kochst du?«
Sie betrachtete die Zwiebeln.»Keine Ahnung.«
Er lachte.»Du bist verrückt. «Er nahm sich die Post des Tages vor, die säuberlich gestapelt neben dem Küchentelefon auf der Anrichte lag.
Sie hatten sich vertragen und waren wieder vollkommen entspannt. Sie plauderten über dies und das, bis Nicholas den Zettel mit der Nachricht fand, die Alatea notiert und dann total vergessen hatte, vor lauter Bestreben, das Gespräch über Kinder, Ärzte in Lancaster und Nicholas’ Erwartungen hinter sich zu bringen.
«Was ist das hier?«, fragte Nicholas und hielt den Zettel hoch, den sie am Morgen aus ihrem Notizheft gerissen hatte.
«Ach. Da hat jemand für dich angerufen. Eine Frau. Es geht um einen Fernsehfilm, über den sie gern mit dir reden würde. Sie ist … Ich glaube, sie hat gesagt, sie ist für die Recherche zuständig.«
Er runzelte die Stirn.»Was denn für ein Film?«
«Alternative Behandlungsmethoden bei Drogenabhängigkeit. Ein Dokumentarfilm, sagt sie. Sie machen Interviews mit Süchtigen und Ärzten und Sozialarbeitern. Ein Kamerateam und jemand — ein Prominenter oder ein Moderator, was weiß ich —, der die Fragen stellt. Ich hab ihr gesagt, dass du wahrscheinlich nicht daran interessiert bist, aber …«
«Wieso?«
«Wieso was?«
«Wieso hast du ihr das gesagt?«
Sie nahm eins ihrer Kochbücher aus dem Regal über der Arbeitsfläche, das Nicholas für sie gebaut hatte, und blätterte darin herum auf der Suche nach einer Idee, was sie mit all den gehackten Zwiebeln machen sollte.»Solche Dinge befriedigen nur das Ego, Nicky«, sagte sie.»Darüber haben wir uns doch ausführlich unterhalten. Das führt zu nichts Gutem, und es rüttelt viel zu viel auf.«
«Ja, ja. Aber es geht nicht um mich, Allie. «Er hielt den Zettel immer noch in der Hand.»Wo kommt die Frau her? Und wo kommen die Leute her, die den Film machen?«
«Das hab ich nicht gefragt. Ich hatte nicht angenommen …«Sie betrachtete den Deckel des Kochbuchs und überlegte, wie sie ihm erklären sollte, was sie meinte.»Nicky«, sagte sie,»mit solchen Dingen musst du vorsichtig sein. Du sagst doch selbst immer, dass du lieber im Hintergrund agierst, hinter den Kulissen. Das ist das Beste.«
«Geld aufzutreiben für das Projekt ist das Beste«, entgegnete er.»Das könnte genau das sein, was wir brauchen, um das Projekt zu verwirklichen.«