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«Hallo«, sagte sie freundlich.»Keine Sorge, ich schaue mich nur ein bisschen um.«

«Das sagen sie alle«, brummte der Mann.

«Kommen viele Besucher her?«

«Am laufenden Band. Der Chef braucht die Kohle.«

«Ah, verstehe. Ich fürchte, ich bin keine potentielle Spenderin.«

«Das war der Letzte auch nicht. Mir ist das egal. Wenn einer mich fragt, ob ich glaub, dass das hier funktioniert, dann sag ich ja.«

Deborah durchquerte das Zelt bis zu dem langen Tisch, auf dem die Kessel mit dem Eintopf standen.»Aber eigentlich glauben Sie das nicht?«

«Das hab ich nicht gesagt. Es spielt keine Rolle, was ich glaube. Ich krieg was zu essen und kann an dem Programm teilnehmen, und das reicht mir. Die Versammlungen gefallen mir besser, als ich gedacht hätte, und das ist schon mal nicht schlecht. Außerdem hab ich hier einen trockenen Schlafplatz.«

«Während der Versammlungen?«, fragte Deborah.

Er sah sie scharf an. Als sie grinste, lachte er in sich hinein.»Wie gesagt, die sind besser, als ich dachte. Es wird ein bisschen viel von Gott gelabert und ein bisschen viel von Akzeptanz, aber damit komm ich klar. Vielleicht hilft’s ja. Ich versuch’s jedenfalls. Zehn Jahre als Tippelbruder … irgendwann reicht’s einfach.«

Aus einer großen Kiste, die auf einem Stuhl stand, nahm der Bärtige Besteck, Blechteller, Plastikgläser und — tassen und Papierservietten und reihte sie auf dem Tisch auf. Deborah half ihm dabei.

«Lehrer«, sagte er leise.

«Wie bitte?«

«Das war ich früher. An einer Mittelschule in Lancaster. Chemie. Da wären Sie nicht draufgekommen, oder?«

«Nein«, antwortete sie ebenso leise.

Er zeigte nach draußen.»Bei uns ist alles vertreten«, sagte er.»Einer war früher Chirurg, einer Physiker, zwei waren Banker und einer Immobilienmakler. Sie brauchen die Servietten nicht so ordentlich zu falten. Wir sind hier nicht im Ritz.«

«Oh, Verzeihung. Macht der Gewohnheit.«

«Wie der Chef«, sagte der Mann.»Man kann seine Herkunft nicht verleugnen.«

Deborah sagte ihm nicht, dass sie aus einer Familie stammte, deren Mitglieder bei Herrschaften» in Stellung gingen«, wie man sich in einem anderen Jahrhundert ausgedrückt hätte. Ihr Vater arbeitete seit jeher für die Familie St. James und sorgte seit siebzehn Jahren für Simon, während er gleichzeitig so tat, als würde er nichts dergleichen tun. Es war ein schwieriger Balanceakt, und er redete seinen Schwiegersohn tatsächlich immer noch mit Mr. St. James an. Deborah murmelte etwas mehr oder weniger Zustimmendes und sagte:»Sie scheinen ihn zu mögen.«

«Den Chef? Der ist anständig. Ein bisschen zu vertrauensselig, aber grundanständig.«

«Sie glauben, er wird ausgenutzt? Ich meine, von diesen Gentlemen hier.«

«Nein, nein. Die meisten wissen, dass es ihnen hier ganz gut geht, und wer nicht völlig hinüber ist vom Suff oder von Drogen, der bleibt, solange er kann.«

«Von wem dann?«

«Von wem er ausgenutzt wird?«Er schaute sie mit hochgezogenen Brauen an.»Leute kommen her und machen ihm Versprechungen, und er glaubt ihnen. Er ist halt naiv.«

«Es geht also um Geld? Um Spenden?«

«Manchmal. Manche erhoffen sich auch was von ihm. «Schon wieder dieser bedeutungsvolle Blick.

Deborah wurde klar, dass sie in seinen Augen zu der Kategorie von Leuten gehörte, die sich etwas von Nicholas Fairclough erhofften. Und mit dieser Einschätzung lag er ziemlich richtig. Trotzdem fragte sie:»Was denn zum Beispiel?«

«Na ja, er hat immerhin eine interessante Geschichte hinter sich, nicht wahr? Er glaubt, wenn er sie erzählt, könnte ihm das eine Menge Geld für sein Projekt einbringen. Aber so funktioniert es eben nicht immer. Meistens kommt überhaupt nichts dabei raus. Irgend so ein Journalist ist viermal hier gewesen und hat ihm versprochen, seine Story groß rauszubringen, und er dachte, es würde einen warmen Regen geben, sobald die Geschichte gedruckt wird. Aber nichts ist passiert, und wir stehen wieder ganz am Anfang und wissen nicht, wo wir die Mittel auftreiben sollen. Das hab ich gemeint. Ein bisschen naiv.«

Deborah sagte:»Viermal?«

«Hä?«

«Ein Journalist ist viermal hier gewesen, und es ist kein Artikel erschienen? Das ist aber sehr ungewöhnlich. Wenn man bedenkt, wie viel Zeit und Energie da aufgewendet wurde, und am Ende hatte niemand etwas davon. Das muss ja eine herbe Enttäuschung gewesen sein. Welcher Journalist investiert so viel Zeit in eine Story und schreibt sie am Ende doch nicht?«

«Das wüsste ich auch mal gerne. Er hat behauptet, er käme von der Source in London, aber keiner hat sich seinen Ausweis zeigen lassen, er kann also genauso gut gelogen haben. Wenn Sie mich fragen, dann war der hier, um irgendwas Negatives über den Chef rauszufinden und ihn schlechtzumachen. Der war nur auf der Suche nach was, womit er groß rauskommen kann, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber der Chef sieht das nicht so. Sein einziger Kommentar war: ›Die Zeit war noch nicht reif.‹«

«Aber Sie sind anderer Meinung?«

«Ich finde, er sollte sich vorsehen. Doch das tut er nicht, und das wird noch mal zu einem Problem. Wenn nicht jetzt, dann in Zukunft.«

WINDERMERE — CUMBRIA

Yaffa Shaw hatte Zed gesagt, dass er schon etwas mehr Einsatz bringen müsste, als im Willow & Well in Bryanbarrow herumzuhängen und darauf zu warten, dass ihm auf wundersame Weise eine Offenbarung zuteilwerden würde — zum Beispiel in Gestalt eines Scotland-Yard-Detectives mit einer Riesenlupe in der Hand und einer Meerschaumpfeife zwischen den Zähnen. Zed hatte Yaffa angerufen, nachdem er sich notiert hatte, was der alte George Cowley ihm auf dem Dorfplatz erzählt hatte. Unter anderem, dass Cowleys halbwüchsigem Sohn die Schimpftiraden seines Vater ziemlich peinlich gewesen waren. Vielleicht, dachte er, wäre es keine dumme Idee, sich mit Daniel Cowley einmal unter vier Augen zu unterhalten.

Yaffa, die ihre Rolle als Verlobte spielte, weil Zeds Mutter gerade mit ihr im Zimmer war — wann war sie das mal nicht, fragte sich Zed —, machte ihn darauf aufmerksam, dass Ian Cresswells Tod George Cowleys Pläne durchaus durchkreuzt haben könnte, anstatt ihm, wie Zed angenommen hatte, einen Vorteil einzubringen.

Zuerst hatte Zed sich aufgeregt. Schließlich war er der investigative Reporter und sie bloß eine Studentin in London, die ihr Studium möglichst schnell hinter sich bringen wollte, um möglichst bald zu ihrem Freund Micah in Tel Aviv zurückkehren zu können. Er sagte:»Da wäre ich mir nicht so sicher, Yaf«, und war zusammengezuckt, als ihm bewusst wurde, dass er ihr einen Spitznamen verpasst hatte.»Äh, sorry, Yaffa«, hatte er hinzugefügt.

«Mir gefällt es«, sagte sie.»Das bringt mich zum Lächeln. «Dann, offenbar zu seiner Mutter, die wahrscheinlich mit großen Augen gefragt hatte, was Yaffa Shaw während eines Telefongesprächs mit ihrem geliebten Sohn zum Lächeln brachte:»Ach, Zed hat mich Yaf genannt. Das fand ich süß. «Und dann zu Zed:»Deine Mum sagt, du bist einfach ein süßer Bengel. Sie sagt, hinter deinem hünenhaften Äußeren verbirgt sich ein Zuckerbursche.«

«O Gott«, stöhnte Zed.»Kannst du sie nicht aus dem Zimmer werfen? Oder soll ich einfach auflegen und wir einigen uns, dass wir für heute unsere Pflicht erfüllt haben?«

«Zed! Hör auf damit!«Sie lachte. Sie hatte, so fand er, ein sehr angenehmes Lachen. Sie sagte zu seiner Mutter:»Er macht Kussgeräusche! Macht er das immer, wenn er mit einer Frau telefoniert? … Nein? Hmmm. Da bin ich ja mal gespannt, was ihm als Nächstes einfällt.«