Выбрать главу

«Aber jemand, der gesehen hat, wo das Skullboot vertäut war, hätte die Steine lockern können, während Ian auf dem See war, richtig?«, sagte Deborah.

«Das müsste dann jemand gewesen sein, der auf dem Anwesen wohnt«, sagte St. James.»War Nicholas Fairclough an dem Abend dort?«

«Wenn, dann hat ihn niemand gesehen. «Lynley wandte sich an Deborah.»Was für einen Eindruck hattest du von Fairclough?«

«Ich fand ihn sehr sympathisch. Und seine Frau ist sehr schön, Tommy. Ich glaube, sie könnte einen Mönch dazu bringen, seine Gelübde zu vergessen. Sie müsste dazu nur mit den Wimpern klimpern.«

«Also eine Affäre zwischen ihr und Cresswell?«, überlegte St. James laut.»Und Nicholas hat Cresswell zur Rede gestellt?«

«Unwahrscheinlich, da Cresswell homosexuell war.«

«Oder bisexuell.«

«Und da ist noch etwas«, sagte Deborah.»Oder eigentlich sind es zwei Dinge. Vielleicht sind sie ja auch vollkommen unwichtig, aber wenn ihr möchtet, dass ich von allem berichte, was mir auffällt …«

«Auf jeden Fall«, sagte Lynley.

«Also. Alatea Fairclough hatte eine Ausgabe der Zeitschrift Conception auf dem Tisch liegen. Im hinteren Teil waren mehrere Seiten herausgerissen, und wir sollten uns vielleicht diese Ausgabe besorgen und uns ansehen, was das für Seiten sind. Nicholas hat mir erzählt, sie wünschen sich ein Kind.«

St. James räusperte sich. Sein Gesichtsausdruck besagte, dass die Zeitschrift nichts zu bedeuten hatte und dass sie außer Deborah niemandem aufgefallen wäre.

Anscheinend hatte Deborah den Blick ihres Mannes genauso interpretiert, denn sie sagte:»Das hat nichts mit mir zu tun, Simon. Tommy interessiert sich für alles Auffällige, und ich dachte … Also, ich habe mich gefragt: Was ist, wenn die Drogensucht Nicholas unfruchtbar gemacht hat und Alatea nicht möchte, dass er das erfährt? Vielleicht hat ein Arzt sie darüber informiert, ihn aber nicht. Oder sie hat einen Arzt überredet, Nicholas die Wahrheit vorzuenthalten, weil ihn das sonst in eine schwere Krise stürzen könnte. Was wäre also, wenn Alatea in dieser Situation Ian gebeten hat auszuhelfen — wenn ihr versteht, was ich meine.«

«Damit es in der Familie bleibt?«, fragte Lynley.»Möglich ist alles.«

«Und noch etwas«, sagte Deborah.»Ein Journalist von der Source …«

«Großer Gott.«

«… ist viermal bei ihnen gewesen, angeblich, um einen längeren Artikel über Nicholas zu schreiben. Viermal, und es ist nichts dabei herausgekommen, Tommy. Einer der Männer, die an dem Wehrturmprojekt arbeiten, hat es mir erzählt.«

«Wenn die Source einen Reporter hier raufschickt, dann hat irgendeiner Dreck am Stecken«, bemerkt St. James.

Lynley überlegte, wer das sein könnte. Er sagte:»Cresswells Lebensgefährte hat anscheinend seit einiger Zeit auf Ireleth Hall zu tun. Er arbeitet für Valerie. Sein Name ist Kaveh Mehran.«

«PC Schlicht hat mir von dem Mann erzählt«, sagte St. James.»Hat er ein Motiv?«

«Wir müssen uns noch das Testament und die Lebensversicherungspolice ansehen.«

«Sonst noch jemand?«

«Mit einem Motiv?«Lynley berichtete den beiden von seiner Begegnung mit Mignon Fairclough: von ihren Andeutungen über die Ehe ihrer Eltern, die sie später wieder zurückgenommen hatte.»Sie ist eine ziemlich harte Nuss«, sagte er.»Und ich habe den Eindruck, dass sie ihre Eltern mit irgendetwas in der Hand hat. Es wäre also kein Fehler, wenn wir uns Bernard Fairclough selbst einmal vorknöpfen würden.«

«Erpressung? Und Cresswell wusste Bescheid?«

«Sie wohnt auf dem Anwesen, aber nicht im Haus. Und es gibt noch eine zweite Schwester. Die habe ich allerdings noch nicht kennengelernt.«

Er berichtete ihnen, dass Bernard Fairclough ihm ein Video gegeben hatte mit der Bemerkung, falls tatsächlich jemand bei Ians Tod seine Hände im Spiel gehabt habe, dann müsse er sich» etwas sehr Verräterisches ansehen«.

Es handelte sich um ein Video von der Beerdigung, das aufgenommen worden war, um es Ians Vater in Kenia zu schicken, der zu schwach war, um nach England zu kommen und seinem Sohn die letzte Ehre zu erweisen. Fairclough hatte es sich mit Lynley gemeinsam angesehen, und er hatte Lynley auf etwas aufmerksam machen wollen, was in dem Video fehlte. Niamh Cresswell, Ians Witwe und Mutter seiner zwei Kinder, war nicht zur Beerdigung erschienen. Fairclough hatte betont, dass sie mindestens ihren armen Kindern zuliebe hätte kommen müssen.

«Er hat mir einiges über Ian Cresswells Ehe erzählt. «Nachdem Lynley ihnen berichtet hatte, was er wusste, sagten St. James und Deborah gleichzeitig:»Ein Motiv, Tommy.«

«Die Hölle selbst kann nicht wüten wie eine verschmähte Frau. Ja. Aber es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass Niamh Cresswell um Ireleth Hall herumschleichen könnte, ohne gesehen zu werden, und bisher hat noch niemand erwähnt, dass sie dort gesehen wurde.«

«Trotzdem«, sagte St. James,»müssen wir sie überprüfen. Rache ist ein starkes Motiv.«

«Habgier ebenfalls«, sagte Deborah.»Aber das gilt für alle Todsünden, nicht wahr? Warum heißen sie sonst Todsünden?«

Lynley nickte.»Wir werden also überprüfen müssen, ob sie von Ians Tod profitiert — abgesehen davon, dass sie ihre Rache bekommen hat«, sagte er.

«Und damit wären wir wieder bei dem Testament. Oder bei einer Versicherungspolice«, sagte St. James.»Diese Informationen werden nicht leicht zu bekommen sein, wenn du weiterhin geheim halten willst, warum du dich in Cumbria aufhältst, Tommy.«

«Ja, ich kann das nicht selbst machen, da hast du recht«, sagte Lynley.»Aber es gibt jemanden, der das kann.«

LAKE WINDERMERE — CUMBRIA

Als sie sich schließlich voneinander verabschiedeten, war es für Lynley zu spät, um den geplanten Anruf zu tätigen. Er würde stattdessen Isabelle anrufen. Denn er musste zugeben, dass sie ihm fehlte. Gleichzeitig war er froh, weit weg von ihr zu sein. Das hatte nichts damit zu tun, dass er ihrer überdrüssig geworden wäre. Es hatte damit zu tun, dass er wissen wollte, was er wirklich für sie empfand. Er wusste, dass ihm ihr Körper fehlte. Jetzt musste sich nur noch herausstellen, ob ihm auch alles andere fehlte, was Isabelle Ardery ausmachte.

In Ireleth Hall angekommen, rief er sie von seinem Handy aus an. Er stand neben dem Healey Elliott, gab die Nummer ein und wartete. Wie sehr er sich doch wünschte, sie wäre bei ihm. Er wollte wieder eine Frau haben, mit der er locker und selbstverständlich reden konnte — beim Frühstück, beim Abendessen, abends im Bett vor dem Einschlafen oder wenn einer von ihnen in der Badewanne lag. Zum ersten Mal jedoch wurde ihm bewusst, dass diese Frau nicht mehr ausschließlich Helen sein musste, dass es auch eine andere sein konnte. Und das fühlte sich an wie Verrat an seiner geliebten Frau, die ohne eigenes Verschulden durch einen sinnlosen Akt der Gewalt aus dem Leben gerissen worden war. Aber dass solcherlei Gefühle in ihm aufkamen, bedeutete auch, dass er dabei war, wieder in sein normales Leben zurückzukehren. Und er wusste, dass Helen ihm das gewünscht hätte.

Am anderen Ende der Leitung hörte es auf zu klingeln, er hörte ein leises» Verdammt«, dann ein Krachen, als Isabelles Handy irgendwo aufschlug, dann war es still.

«Isabelle?«, sagte er.»Bist du da?«Er wartete. Nichts. Noch einmal sagte er ihren Namen. Als sie sich nicht meldete, ging er aus der Leitung. Offenbar war die Verbindung unterbrochen worden.

Er gab ihre Nummer noch einmal ein. Es klingelte. Und klingelte. Vielleicht saß sie im Auto und konnte nicht rangehen. Oder sie stand unter der Dusche. Oder sie war mit etwas beschäftigt, das …

«Hallo? Tommy? Hassu grade angerufen?«Dann ein Geräusch, das er nicht hören wollte, etwas, das mit ihrem Handy kollidierte, ein Glas, eine Flasche, es spielte keine Rolle.»Hab grad an dich gedacht, und schwupp! So was nennt man Telepe… Tele… Telepathie!«