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Mitchell Corsico betrat den Pub in seiner üblichen Aufmachung. Er trug stets einen Stetsonhut, Jeans und Cowboystiefel, und diesmal hatte er sogar eine Lederjacke mit Fransen an. Gott, dachte Barbara, wahrscheinlich würde er sich als Nächstes Lederchaps und einen Revolvergurt zulegen. Als er sie sah, nickte er ihr kurz zu und ging an den Tresen, um seine Bestellung aufzugeben. Er warf einen Blick auf die Speisekarte, legte sie weg und sagte dem Wirt, was er haben wollte. Er bezahlte sogar für sein Essen, was Barbara für ein positives Zeichen hielt, bis er an ihren Tisch kam und sagte:»Zwölf Pfund vierzig.«

Sie fragte:»Verflucht, was haben Sie sich denn bestellt?«

«Hatte ich ein Limit?«

Grummelnd kramte sie ihr Portemonnaie aus der Tasche und schob das Geld über den Tisch, während er sich auf seinen Stuhl setzte, als würde er auf ein Pferd steigen.»Wo haben Sie denn Jolly Jumper gelassen?«, fragte sie.

«Hä?«

«Vergessen Sie’s.«

«Das ist ungesund«, bemerkte er mit einem Blick auf ihr Essen.

«Was haben Sie denn bestellt?«

«Okay, nicht so wichtig. Was gibt’s?«

«Sie müssen mir einen Gefallen tun.«

Sie sah Argwohn in seinen Augen aufflackern, und sie konnte es ihm nicht verdenken. Normalerweise bat Corsico die Polizei um Informationen, nicht umgekehrt. Aber in seinem Blick lag auch ein bisschen Hoffnung, denn im Yard war man überhaupt nicht gut auf ihn zu sprechen. Vor knapp einem Jahr hatte er die Polizei auf der Jagd nach einem Serienmörder begleitet, und bei der Gelegenheit hatte er sich nicht besonders beliebt gemacht.

Trotzdem war er vorsichtig.»Ich weiß nicht«, sagte er.»Mal sehen. Was brauchen Sie denn?«

«Einen Namen.«

Er hielt sich zurück.

«Ein Reporter der Source hat sich in Cumbria umgesehen. Ich muss wissen, wer das ist und warum er da raufgeschickt wurde. «Als Corsico daraufhin in seine Jackentasche langte, sagte sie hastig:»Wir sind noch nicht bei den Gefälligkeiten, Mitch. Geben Sie Jolly Jumper noch nicht die Zügel, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

«Ah, ein Pferd.«

«Ja, genau wie Silver. Hü hott. Hätte eigentlich gedacht, dass Sie sich damit auskennen. Also, wer ist da raufgefahren? Und warum?«

Er überlegte. Nachdem sein Essen gekommen war — Roastbeef und Pasteten mit allen möglichen Gemüsebeilagen, was er garantiert nur dann bestellte, wenn er nicht selbst dafür bezahlen musste, dachte Barbara —, sagte er:»Erst will ich wissen, was für mich dabei rausspringt.«

«Das hängt vom Wert Ihrer Informationen ab.«

«So funktioniert das nicht«, sagte er.

«Normalerweise nicht. Aber die Zeiten ändern sich. ’ne neue Chefin, die mir auf die Finger kuckt. Ich muss vorsichtig sein.«

«Ein Exklusiv-Interview mit DI Lynley, und wir sind im Geschäft.«

«Ha! Ganz schwierig.«

Er stand auf. Barbara wusste, dass das reine Show war, denn er würde auf keinen Fall sein Roastbeef mit Pasteten unangerührt stehen lassen. Doch sie ließ sich auf das Spiel ein und sagte:»Also gut. Ich werde sehen, was sich machen lässt … Wer wurde nach Cumbria geschickt?«

Wie erwartet erzählte er ihr alles, was er wusste: Zedekiah Benjamin, der eine Story über Nicholas Fairclough geschrieben hatte. Der Chefredakteur hatte den Reporter abblitzen lassen, der daraufhin erneut nach Cumbria gefahren war, um aus seiner Story etwas zu machen, was zur Source passte. Der Mann war inzwischen dreimal in Cumbria gewesen — vielleicht auch viermal —, um seine Story aufzumotzen, aber anscheinend kam er nicht richtig aus der Hüfte. Bis zu dem Tag, an dem Ian Cresswell ertrunken war, hatte er nichts von Bedeutung ausgegraben.

Das war allerdings interessant, dachte Barbara. Sie erkundigte sich nach Zedekiah Benjamins Reisedaten und erfuhr, dass er zweimal vor Ian Cresswells Tod nach Cumbria gefahren war. Beim zweiten Mal war er genau drei Tage vor Cresswells Ableben mit eingezogenem Schwanz nach London zurückgekehrt, ohne die schlüpfrigen Details, die sein Chefredakteur von ihm verlangte.

Sie fragte:»Was passiert mit diesem Kerl, wenn es ihm nicht gelingt, seine Geschichte sexy zu machen?«

Corsico fuhr sich mit dem Finger quer über den Hals und zeigte anschließend mit dem Daumen über seine Schulter, für den Fall, dass Barbara nicht geschnallt hatte, was er meinte. Sie nickte.»Wissen Sie, wo er da oben abgestiegen ist?«, fragte sie.

Corsico verneinte, fügte jedoch hinzu, dass es nicht besonders schwierig sein dürfte, Benjamin ausfindig zu machen, falls er um irgendjemandes Haus schlich.

«Warum nicht?«, fragte Barbara.

Weil er zwei Meter groß war und flammenrote Haare hatte, lautete die Antwort.

«So«, sagte Corsico und zückte seinen Notizblock.»Und jetzt sind Sie dran.«

«Das müssen wir verschieben«, erwiderte sie.

ARNSIDE KNOTT — CUMBRIA

Es begann zu regnen. Aber Alatea war darauf eingestellt. Als sie zu ihrem Spaziergang aufgebrochen war, hatte sie die dicken schwarzen Wolken über Humphrey Head gesehen, die über die Morecambe Bay auf Arnside zutrieben. Sie hatte damit gerechnet, dass der Regen bald einsetzen würde, allerdings nicht damit, dass der Schauer sich zu einem Unwetter auswuchs.

Sie war auf halbem Weg zu ihrem Ziel, als der Wolkenbruch losging. Sie hätte umkehren können, aber das tat sie nicht, denn sie wollte unbedingt auf den höchsten Punkt des Arnside Knott steigen, komme, was wolle. Grimmig sagte sie sich, dass sie da oben vom Blitz getroffen werden könnte, und in dem Moment fand sie die Vorstellung, dass ihr Leben auf diese Weise enden könnte, gar nicht so schlimm. Es wäre ruck, zuck vorbei. Schluss, aus. Es wäre eine Art der absoluten Gewissheit in einer Situation, in der die fehlende Gewissheit sie zerfraß.

Der Regen ließ nach, als sie den letzten Teil des Anstiegs in Angriff nahm. Auf dem Abhang um sie herum grasten braunrote schottische Hochlandrinder. Alateas Füße suchten Halt in dem Sandsteingeröll, und sie hielt sich beim Klettern an den krummen, windzerzausten Koniferen fest, die hier wuchsen. Oben angekommen, war sie weniger außer Atem als die letzten Male, die sie hier heraufgestiegen war. Wahrscheinlich, dachte sie, würde sie schon bald fit genug sein, um den Arnside Knott hochzujoggen.

Von hier oben aus konnte sie alles sehen: ein Dreiviertelkreispanorama von Peel Island Castle, von hier aus nur als kleiner Punkt erkennbar, bis zu den Hügeln an der Morecambe Bay mit den Fischerdörfern, die sich an der Küste aufreihten. Es war ein Ausblick auf einen endlosen Horizont und trügerische Gewässer. Was einem leider nicht geboten wurde, war ein Blick in die Zukunft, und Alatea war trotz des schlechten Wetters hier heraufgekommen, um vor etwas wegzulaufen, dem sie doch nicht ewig entfliehen konnte.

Sie hatte Nicholas einen Teil von dem erzählt, was sie in Erfahrung gebracht hatte, aber nicht alles.»Die Frau ist gar kein Location-Scout, sondern freiberufliche Fotografin«, hatte sie ihm erklärt. Sie war furchtbar nervös gewesen und hatte ein Glas Sherry getrunken, um sich zu beruhigen.»Komm, sieh dir das an, Nicholas. Sie hat sogar eine Webseite.«

Es war ziemlich einfach gewesen, alles über Deborah St. James herauszufinden, was sie hatte wissen müssen. Das Internet war eine Fundgrube für Informationen aller Art, und man brauchte kein Genie zu sein, um sich daraus zu bedienen. Man wählte eine Suchmaschine, gab einen Namen ein und fertig. In der heutigen Welt konnte man davonlaufen, aber man konnte sich nicht verstecken.