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Daniel betrachtete den strömenden Regen.»Aber lassen Sie bloß die Finger von mir«, sagte er.»Ich verpass Ihnen sonst eine in den Adamsapfel, und denken Sie ja nicht, dass ich mich nicht trau. Ich weiß, wie das geht. Mein Vater hat’s mir beigebracht, und es funktioniert, glauben Sie mir. Besser als ein Tritt in die Eier. Viel besser.«

«Toller Trick«, sagte Zed. Er musste das Gespräch auf das von ihm gewünschte Thema bringen, bevor sie die Landstraße erreichten und bevor der Junge ausflippte.»Dein Vater scheint sich Sorgen um dich zu machen«, sagte er.

«Allerdings. Bei uns nebenan wohnen schließlich zwei Perverse. Die tun so, als würden sie bloß zusammenwohnen, aber wir wissen genau, was da abläuft. Mein Dad sagt, bei solchen Typen kann man gar nicht vorsichtig genug sein. Und jetzt ist es noch schlimmer.«

«Wieso schlimmer?«Hallelujah, dachte Zed.

«Weil einer von den beiden tot ist, und jetzt sucht der andere sich bestimmt jemand Neues.«

Die Information stammte offenbar von jemandem, der sich auskannte, dachte Zed.»Verstehe«, sagte er.»Könnte aber auch sein, dass der andere wegzieht, oder?«

«Darauf wartet mein Dad ja auch«, sagte Daniel.»Er will das Haus nämlich kaufen.«

«Was, das ganze Anwesen mit Schafen und allem Drum und Dran?«

«Ganz genau«, sagte Daniel. Er schob sich eine nasse Strähne aus der Stirn und begann zu plaudern. Jetzt wo nicht länger die Rede von den Perversen war, wie er sie nannte, war er sichtlich entspannter, denn er drehte die Heizung auf tropische Temperaturen hoch und kramte eine Banane aus seinem Rucksack, die er sich einverleibte. Er erzählte Zed, dass sein Vater das Haus hauptsächlich kaufen wolle, um es ihm, Daniel, später zu vererben. Was total bescheuert war, fand Daniel, denn er wolle eher tot umfallen, als Schafzüchter werden. Er werde bei der erstbesten Gelegenheit aus dem Lake District abhauen und zur Royal Airforce gehen. Die machten hier oben Übungsflüge, ob Zed das schon bemerkt habe? Geile Flugzeuge, die im Tiefflug durch das Tal donnerten, ganz plötzlich kamen die angerast, wenn man irgendwo langlief, und das war echt voll cool.

«Das hab ich meinem Dad schon tausendmal erklärt«, sagte Daniel.»Aber er meint, er könnte mich zu Hause behalten, wenn er diesen bescheuerten alten Kasten kauft.«

Er möge seinen Dad wirklich sehr, sagte Daniel, doch so leben wie er wolle er nicht. Seine eigene Mutter sei davongelaufen, weil sie es hier in dem Kaff nicht ausgehalten habe. Trotzdem wolle sein Vater es immer noch nicht kapieren.

«Ich sag ihm immer, er soll das machen, was er gut kann. Ich find, das gilt für jeden.«

Da musste er dem Jungen recht geben, dachte Zed.»Und was ist das?«, fragte er.

Daniel zögerte. Zed schaute ihn kurz an. Der Junge wirkte ziemlich verlegen. Das könnte der entscheidende Augenblick sein, dachte Zed. Der Junge würde gleich gestehen, dass George Cowley gut darin war, Typen, die in einem Haus wohnten, das er kaufen wollte, um die Ecke zu bringen. Zed würde die Story seines Lebens bekommen.

«Puppenstubenmöbel«, murmelte Daniel.

«Wie bitte?«

«Er baut Möbel für Puppenhäuser. Wissen Sie nicht, was das ist?«

Verfluchter Mist, dachte Zed.

«Und er ist verdammt gut«, fuhr Daniel fort.»Klingt bescheuert, ich weiß, aber das macht er nun mal. Er verkauft das Zeug übers Internet. Ich sag ihm immer, er soll sich voll darauf konzentrieren, anstatt bei den blöden Schafen im Dreck rumzustapfen. Er sagt, es ist ein Hobby, und ich soll endlich lernen, was der Unterschied ist zwischen einem Hobby und einer Arbeit, mit der man seinen Lebensunterhalt verdient. «Daniel schüttelte den Kopf.»Er hat sich nun mal auf das beknackte Haus versteift.«

Ach? dachte Zed. Und was würde Cowley tun, wenn er erfuhr, dass Ian Cresswell das Haus Kaveh Mehran vererbt hatte?

Daniel zeigte auf eine riesige Eiche hinter einer Steinmauer. Dort könne Zed ihn aussteigen lassen, sagte er. Und danke fürs Mitnehmen.

Zed hielt an, und Daniel stieg aus. Im selben Augenblick klingelte Zeds Handy. Ein Blick aufs Display sagte ihm, dass der Anruf aus London kam. Von Rodney Aronson. So früh am Tag war Rodney doch normalerweise noch gar nicht im Büro, das ließ also nichts Gutes ahnen. Zum Glück konnte Zed nach seinem Gespräch mit Daniel Cowley endlich Fortschritte vermelden.

«Seien Sie auf der Hut«, sagte Rodney ohne Vorrede.

«Wieso? Was ist passiert?«

«Scotland Yard weiß, dass Sie sich da oben rumtreiben. Also ziehen Sie den Kopf ein. Und behalten Sie Nick Fairclough im Auge. In dessen Nähe werden Sie nämlich auch denjenigen finden, der da raufgeschickt wurde, um Ian Cresswells Tod zu untersuchen.«

BARROW-IN-FURNESS — CUMBRIA

Manette wollte sich nicht mit der Tatsache auseinandersetzen, dass ihr Exmann in der vergangenen Nacht nicht nach Hause gekommen war. Noch weniger aber damit, welche Gefühle das bei ihr auslöste. Aber es fiel ihr schwer, das durchzuhalten.

Sie hatten im Lauf der Jahre lang und breit über ihre gescheiterte Ehe diskutiert, über alles, was mit ihnen passiert war, was hätte passieren können und was zweifellos passieren würde, wenn sie nichts änderten. Am Ende waren sie zu dem Schluss gekommen, dass ihnen die Romantik abhandengekommen war, dass sie sich zu sehr auf die Arbeit konzentriert hatten und dass ihr Leben keine Überraschungen mehr bereitgehalten hatte. Sie waren zu Eheleuten geworden, die ihren Terminkalender konsultieren mussten, um sich zum Geschlechtsverkehr zu verabreden, in dessen Verlauf sie einander jahrelang Gefühle vorgespielt hatten, die sie längst nicht mehr füreinander empfanden. Nach zahllosen, endlosen Gesprächen waren sie sich einig gewesen, dass Freundschaft auf lange Sicht sowieso wichtiger war als Leidenschaft, und hatten sich entschlossen, als Freunde zusammenwohnen zu bleiben, denn letztlich waren sie immer noch gern zusammen, und welches Paar konnte das nach über zwanzig Jahren noch von sich behaupten?

Aber jetzt war Freddie über Nacht ausgeblieben. Und wenn er zu Hause war, pfiff er neuerdings vor sich hin, bevor er morgens zur Arbeit ging. Schlimmer noch, er hatte sich angewöhnt, unter der Dusche zu singen — und zwar immer dasselbe verdammte Lied, und das trieb Manette die Wände hoch. Es war dieses Lied aus Die Elenden, mit dem die Bevölkerung zu den Waffen gerufen wurde, und Manette sagte sich, wenn sie die Zeile» Das Blut der Märtyrer wird Frankreichs Erde tränken!«noch ein einziges Mal hören musste, würde sie den Badezimmerboden mit Freddies Blut tränken.

Oder vielleicht auch nicht. Sie wäre nie in der Lage, Freddie auch nur ein einziges Haar zu krümmen.

Sie fuhr zur Arbeit und ging zu ihm ins Büro. Er hatte sein Jackett abgelegt und saß in seinem frischgebügelten weißen Hemd und der roten Krawatte über einen Riesenberg Computerausdrucke gebeugt. Er arbeitete sich in die Bücher ein, um vorbereitet zu sein, falls ihr Vater ihm Ians Job anbot. Was er tun würde, wenn er vernünftig war.

Sie blieb im Türrahmen stehen.»Und? Wie war’s im Scorpio?«

Freddie blickte auf. An seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass er keine Ahnung hatte, wovon sie redete.

«Der Nachtclub«, sagte sie.»Wo du mit deiner neuesten Flamme verabredet warst.«

«Ah!«, sagte er.»Das Scorpio!«Er legte den Computerausdruck weg, den er gerade studiert hatte.»Wir sind gar nicht reingegangen. Wir haben uns vor der Tür getroffen.«

«Großer Gott, Freddie. Ihr seid schnurstracks ins Bett gegangen? Du bist ja ein ganz Schlimmer!«

Er errötete. Manette fragte sich, ab wann ihr nicht mehr aufgefallen war, wie schnell Freddie rot anlief. Dann lachte er.»Nein, nein. Aber die Leute, die da reingingen, waren alle höchstens neunzehn und angezogen, als wären sie der Rocky Horror Picture Show entsprungen. Wir sind stattdessen zu einem Italiener gegangen. Ich hatte Rigatoni puttanesca. Besonders gut war’s nicht. Bisschen viel Putta und dafür zu wenig Nesca. «Er grinste über den albernen Witz, und rührend ehrlich, wie er war, fügte er hinzu:»Das war nicht von mir. Das kam von Sarah.«