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«Ohne zu erfahren, was er von mir will?«, fragte Deborah ungläubig und sah ihn misstrauisch an. Wie jede Ehefrau kannte sie die Schwachstellen ihres Mannes. Und sie wusste, dass seine größte Schwachstelle sie selbst war.»Warum in aller Welt sollte ich das tun?«

«Du hast selbst gesagt, sie weiß, dass du nicht die bist, als die du dich ausgegeben hast. Du kannst doch nicht annehmen, dass sie Nicholas nichts davon erzählt hat. Wenn er dich angerufen und gesagt hat, er möchte gern mit dir reden — das hat er doch getan, oder? — , dann wird er von dir wissen wollen, warum seine Frau so außer sich war, nachdem du gegangen warst.«

«Darüber würdest du mit mir reden wollen. Er will vielleicht über ganz andere Dinge mit mir reden. Und ich werde nie erfahren, welche Dinge das sind — es sei denn, ich rufe ihn zurück und verabrede mich mit ihm.«

Sie standen auf dem Parkplatz des Crow & Eagle neben St. James’ Mietwagen, und er musste los, weil er mit Lynley in Ireleth Hall verabredet war. Er war noch nicht wirklich spät dran, aber wenn dieses Gespräch noch länger dauerte, würde es knapp werden. Deborah war ihm nach draußen gefolgt, weil sie im Gegensatz zu ihm das Gespräch noch nicht als beendet betrachtete. Sie hatte ihren Mantel an, was ein schlechtes Zeichen war. Andererseits hatte sie weder ihre Handtasche noch ihre Kamera mit nach unten gebracht, was ihn hoffen ließ.

Deborah hatte ihm haarklein von ihrem Treffen mit Alatea Fairclough berichtet, und er war der Meinung, dass sie sich aus der Sache zurückziehen sollte, da ihre Tarnung aufgeflogen war. Deborah dagegen ließ nicht locker.

St. James erinnerte sie daran, dass ein Reporter der Source ebenfalls in der Gegend herumgeschnüffelt habe, und wenn jetzt auch noch eine Fotografin auftauchte, die sich unter falschen Vorgaben Zugang zu ihrem Haus verschaffte, sei es ja wohl verständlich, dass Alatea Faircloughs Nerven blank lagen. Was die Frau denn Deborahs Meinung nach zu verbergen habe? Einen Nazi in der Familie?

Dummes Zeug, sagte Deborah.

Dummes Zeug? St. James enthielt sich eines Kommentars und wartete ab.

«Ich glaube, das hat irgendwas mit dieser Zeitschrift zu tun, Simon. Alatea hatte kein Problem — okay, sie war vielleicht ein bisschen nervös, aber mehr nicht —, bis ich die Zeitschrift Conception erwähnt habe. Dabei habe ich nur versucht, ein bisschen Nähe herzustellen, hab ihr ein bisschen von unseren Problemen mit dem Schwangerwerden erzählt, das war alles. Und da ist sie komplett ausgeflippt und …«

«Deborah, das sind wir doch alles schon durchgegangen«, entgegnete er geduldig.

«Ich habe ihr gesagt, dass ich freiberufliche Fotografin bin. Ich habe ihr erklärt, was das bedeutet. Ich habe ihr erzählt, die Firma Query Productions hätte mich angeheuert, eine Start-up-Firma, die bisher noch keinen Film produziert hat. All das ist mir mitten in dem ganzen Stress eingefallen, denn als Nächstes wird sie in Erfahrung bringen, dass es gar keine Firma namens Query Productions gibt, wie wir beide sehr wohl wissen. Wenn ich das geschafft habe, dann werde ich auch mit Nicholas Fairclough fertigwerden.«

«Du befindest dich in einer ganz schlechten Position«, sagte St. James, die Hand bereits auf dem Griff der Fahrertür.»Du solltest die Finger davon lassen. «Er verbot ihr nicht, an der Sache dranzubleiben. Er sagte nicht, dass er sich wünschte, sie würde nichts weiter unternehmen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass er sie damit nur auf die Palme brachte, deshalb versuchte er, sie auf sanfte Weise umzustimmen. Letztendlich hatte er einfach nur schreckliche Angst, sie zu verlieren, aber das konnte er ihr nicht sagen. Denn darauf würde sie nur kontern, was er für einen Quatsch rede, er werde sie nicht verlieren. Woraufhin er sie an Helens Tod erinnern würde und an den Krater, den ihr Tod in Lynleys Leben gerissen hatte. Doch Helens Tod war ein Thema, das er nicht anrühren wollte. Er würde es nicht ertragen, darüber zu reden, und er wusste, dass sich daran nie etwas ändern würde.

«Ich kann auf mich aufpassen«, sagte sie.»Was kann er denn schon tun? Mich von einer Klippe stoßen? Mir eins überbraten? Irgendetwas stimmt nicht mit Alatea, und ich stehe kurz davor herauszufinden, was das ist. Wenn es sich um etwas von Bedeutung handelt und Ian Cresswell dahintergekommen ist … Verstehst du, was ich meine?«

Das Problem war, dass er nur zu gut verstand, was sie meinte. Aber das konnte er ihr nicht sagen, denn das würde nur zu einer Schlussfolgerung führen, die er vermeiden wollte. Also sagte er stattdessen:»Ich bin bald wieder zurück. Dann reden wir weiter, einverstanden?«

Dieser Blick. Gott, war die Frau stur. Sie wandte sich ab und ging ins Gasthaus zurück. Doch damit war die Sache noch lange nicht aus der Welt, das war ihm klar. Er wünschte, er hätte die Geistesgegenwart besessen, ihre Autoschlüssel mitzunehmen.

Ihm blieb nichts anderes übrig, als nach Ireleth Hall zu fahren, denn alle Vorkehrungen waren bereits getroffen. Valerie würde bei Mignon im Turm sein und ihre Tochter ablenken und von den Fenstern fernhalten. Lynley und Lord Fairclough erwarteten ihn mit den Lampen, die sie aufgetrieben hatten, um das Innere des Bootshauses auszuleuchten.

St. James brauchte nicht lange für den Weg und fand Ireleth Hall ohne Probleme. Das Tor stand offen, und er fuhr die Auffahrt hoch. In der Ferne grasten Damhirsche, die hin und wieder die Köpfe hoben, um zu wittern. St. James war beeindruckt von der hügeligen Parklandschaft mit den prächtigen Eichen, Platanen, Buchen und Birkenwäldchen inmitten ausgedehnter Rasenflächen.

Lynley und Bernard Fairclough traten aus dem Haus, als St. James hielt, und Lynley stellte die beiden Männer einander vor. Fairclough ging voraus zum Bootshaus, unter dem Arm ein paar große Handtücher. Er erklärte, sie hätten den Strom von der Außenbeleuchtung abgezapft, ein paar Lampen aufgestellt und für alle Fälle zusätzlich mehrere starke Taschenlampen besorgt.

Der See lag spiegelglatt da, und die Stille hier draußen wurde nur unterbrochen von Vogelgezwitscher und dem entfernten Geräusch eines Motorboots, das irgendwo auf dem Wasser herumkurvte. Die Tür zum Bootshaus stand offen, und St. James fiel auf, dass sie über kein Schloss verfügte. Zweifellos hatte Lynley das bereits gesehen und seine Schlüsse daraus gezogen.

Im Innern waren mehrere Baustrahler so aufgestellt worden, dass sie die Stelle beleuchteten, wo Ian Cresswell ins Wasser gestürzt war. Die Strahler warfen lange Schatten in alle Richtungen außer auf die Stelle, die sie untersuchen mussten, deswegen schalteten Lynley und Fairclough ihre Taschenlampen ein, um die verschatteten Bereiche auszuleuchten.

An einer Wand stand eine Werkbank, die, dem strengen Geruch nach zu urteilen, wahrscheinlich dazu diente, Fische auszunehmen. Und dazu brauchte man Werkzeug, dachte St. James, darum würden sie sich auch noch kümmern müssen. Vier Boote waren im Bootshaus vertäut: Ian Cresswells Skullboot, ein Ruderboot, ein Motorboot und ein Kanu. Das Ruderboot gehöre Valerie Fairclough, erklärte man ihm. Die anderen Boote wurden von allen Mitgliedern der Familie hin und wieder benutzt.

Vorsichtig näherte sich St. James der Stelle, wo die Steine herausgebrochen waren. Er bat um eine Taschenlampe.

Er sah gleich, wie leicht sich jemand eine Schädelfraktur hatte zuziehen können, der hier gestürzt war. Die Steine waren grob behauen von der Art, wie sie häufig in Cumbria für Gemäuer benutzt wurden. Es handelte sich um Schiefer mit Graniteinsprengseln, und sie wurden durch Mörtel in Position gehalten. Aber der Mörtel war alt und an einigen Stellen brüchig. Es wäre kein Problem gewesen, die Steine zu lockern. Sie hätten sich allerdings auch ganz von allein gelockert haben können, schließlich stiegen hier ewig lange schon Menschen aus ihren Booten.