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«Und Sie glauben wohl, ich hätte sowieso nicht genug Geld, um es zu kaufen, was? Können Sie es sich denn etwa leisten? Das ganze Anwesen wird in ein paar Monaten versteigert, und dann werde ich mit meinem Geld bereitstehen.«

«Ich fürchte, da täuschen Sie sich«, entgegnete Kaveh.

«Was soll das heißen? Wollen Sie etwa behaupten, er hätte Ihnen das Haus vermacht?«

«Genau das hat er getan.«

Einen Moment lang war es still. Offenbar musste Cowley die Neuigkeit erst einmal verdauen. Schließlich sagte er:»Sie wollen mich verarschen.«

«Ganz und gar nicht.«

«Ach nein? Und wovon wollen Sie die Erbschaftssteuern bezahlen?«

«Zerbrechen Sie sich mal nicht meinen Kopf, Mr. Cowley«, sagte Kaveh.

Wieder war es still. Tim fragte sich, was in George Cowley vorging. Und zum ersten Mal fragte er sich, ob Kaveh Mehran etwas mit dem Tod seines Vaters zu tun hatte. Es war doch ein Unfall gewesen, oder? Alle hatten das gesagt, selbst der Coroner. Aber auf einmal kam Tim das alles gar nicht mehr so eindeutig vor. Und das Nächste, was Kaveh sagte, machte die Sache noch komplizierter.

«Meine Familie wird ebenfalls hier einziehen, und gemeinsam …«

«Familie?«, schnaubte Cowley.»Was versteht denn wohl Ihresgleichen unter Familie?«

Kaveh antwortete nicht sofort. Dann sagte er betont förmlich:»Meine Eltern und meine Ehefrau werden aus Manchester hierherziehen.«

Der Boden schien unter Tims Füßen zu schwanken. Alles, was er zu wissen geglaubt hatte, wurde in einen Strudel gesogen, in dem Wörter plötzlich einen ganz anderen Sinn erhielten. Tim verstand überhaupt nichts mehr.

«Ihre Ehefrau«, sagte Cowley tonlos.

«Meine Ehefrau, ja. «Dann waren Schritte zu hören. Vielleicht ging Kaveh ans Fenster. Oder an den Schreibtisch. Oder vielleicht hatte er sich vor dem Kaminsims aufgebaut wie einer, der wusste, dass er alle Trümpfe in der Hand hält.»Ich werde nächsten Monat heiraten.«

«Ah, ja«, sagte Cowley.»Und ist Ihre Zukünftige über Ihr kleines Arrangement hier oben im Bilde?«

«Arrangement? Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«

«Sie wissen ganz genau, was ich meine, Sie kleine Schwuchtel. Das ganze Dorf weiß, was zwischen Ihnen und Cresswell abgelaufen ist.«

«Wenn Sie meinen, das ganze Dorf weiß, dass ich bei Ian Cresswell zur Miete gewohnt habe, da haben Sie selbstverständlich recht. Was sonst gibt es da zu wissen?«

«Wollen Sie mir etwa erzählen …«

«Ich will Ihnen erzählen, dass ich nächsten Monat heirate, dass meine Frau und meine Eltern hierherziehen werden und dass wir alle zusammen, einschließlich der Kinder, die wir demnächst bekommen, hier wohnen werden. Falls daran irgendetwas unverständlich sein sollte, kann ich Ihnen auch nicht helfen.«

«Und was ist mit den Kindern? Glauben Sie etwa, die verraten Ihrer zukünftigen Ehefrau nicht, was mit Ihnen los ist?«

«Reden Sie von Tim und Gracie, Mr. Cowley?«

«Sie wissen verdammt gut, von wem ich rede!«

«Abgesehen davon, dass meine Verlobte kein Englisch spricht und sowieso kein Wort von dem verstehen würde, was die beiden ihr sagen, gibt es überhaupt nichts zu ›verraten‹. Außerdem ziehen Tim und Gracie wieder zu ihrer Mutter, das ist alles bereits geklärt.«

«Das war’s dann also?«

«Ich fürchte, ja.«

«Sie sind ein ganz schlaues Kerlchen, was? Wahrscheinlich haben Sie das alles von Anfang an geplant.«

Tim bekam nicht mehr mit, was Kaveh darauf antwortete. Er hatte genug gehört. Er stolperte in die Küche und von dort nach draußen.

LAKE WINDERMERE — CUMBRIA

Es gab noch eine letzte Möglichkeit in Bezug auf Ian Cresswells Tod durch Ertrinken, der St. James nachgehen wollte. Sie war ein bisschen heikel, aber sie musste abgeklärt werden. Und dazu brauchte er ein simples Sportgerät.

Seltsamerweise gab es weder in Milnthorpe noch in Arnside einen Angelladen, so dass er nach Grange-over-Sands fahren musste, wo er sein Glück im Lancasters versuchte, einem Kaufhaus, das alles von Babykleidung bis hin zu Gartenwerkzeug im Angebot hatte. Die Geschäftsphilosophie schien in der Annahme zu bestehen, dass nicht gebraucht wurde, was hier nicht erworben werden konnte. Da in diesem Teil der Welt das Angeln eine wichtige Rolle spielte, hatte das Geschäft natürlich ein Filetiermesser im Angebot, das genauso aussah wie das, was Lynley im Bootshaus von Ireleth Hall aus dem Wasser geholt hatte.

St. James kaufte es, verständigte Lynley über Handy und teilte ihm mit, dass er auf dem Weg nach Ireleth Hall sei. Dann rief er Deborah an, aber die ging nicht ans Telefon, was ihn nicht wunderte, da sie sauer auf ihn war und wahrscheinlich auf dem Display seine Nummer gesehen hatte.

Im Prinzip war er selbst im Moment auch nicht besonders gut auf sie zu sprechen. Er liebte seine Frau sehr, doch wenn sie sich in einem wichtigen Punkt einfach nicht einigen konnten, brachte ihn das manchmal derart zur Verzweiflung, dass das ihre ganze Ehe in Frage stellte. Meistens verflog die Verzweiflung schnell wieder, und wenn er später, nachdem sie sich beide wieder beruhigt hatten, darüber nachdachte, musste er selber lachen. Dann fragte er sich, wie es möglich gewesen war, dass sie sich so in die Wolle geraten waren. Dinge, die an einem Tag von entscheidender Bedeutung zu sein schienen, entpuppten sich am nächsten Tag als Bagatellen. Aber diesmal sah die Sache anders aus.

An einem anderen Tag hätte er die abwechslungsreiche Strecke durch das Lyth Valley genommen, diesmal entschied er sich für die direkte Route nach Windermere und raste über die Schnellstraße, die ihn ans Ende des Sees führte, wo Endmoränen bei Newby Bridge Zeugnis von Gletschern der letzten Eiszeit ablegten. Und dann lag der See vor ihm: ein breites, spiegelblankes, blaugraues Band, in dem sich die herbstlichen Farben der Bäume am Ufer spiegelten.

Ireleth Hall lag ganz in der Nähe, gleich hinter dem Fell Foot Park mit seinen Rundwanderwegen, von denen aus man einen fantastischen Blick auf den See und die umgebenden Hänge hatte, die im Frühjahr übersät waren mit Narzissen und mannshohen Rhododendronbüschen. Die Straße führte durch einen Tunnel aus Baumkronen, die teils rostrot und ockerfarben und teils bereits kahl waren.

Das Tor von Ireleth Hall war geschlossen, aber versteckt unter dem Efeu, der die Begrenzungsmauer umrankte, befand sich eine Klingel. St. James stieg aus seinem Mietwagen und klingelte. Im selben Moment hielt Lynley hinter ihm in seinem Healey Elliott.

Das vereinfachte die Sache. Als sich aus dem Lautsprecher der Gegensprechanlage eine Stimme meldete, sagte Lynley über St. James’ Schulter hinweg knapp:»Thomas Lynley hier«, und schon schwang das Tor wie in einem Horrorfilm quietschend auf und hinter ihnen wieder zu.

Sie gingen direkt zum Bootshaus. Dies sei, erklärte St. James seinem Freund, das Einzige, was er noch überprüfen könne.

Lynley antwortete, er habe absolut nichts dagegen, den Fall abzuschließen und so bald wie möglich nach London zurückzukehren. Als St. James ihn fragend ansah, sagte er:»Meine Chefin ist ziemlich sauer.«

«Ach?«

«Es gefällt ihr nicht, dass Hillier mich hierhergeschickt hat.«

«Nicht gut.«

«Nein, gar nicht gut.«

Mehr wurde nicht zu dem Thema gesagt, aber St. James machte sich so seine Gedanken über Lynleys Verhältnis zu Isabelle Ardery. Lynley hatte ihn einmal zusammen mit Ardery aufgesucht, um mit ihm über einen alten Fall zu reden, an dem sie gemeinsam gearbeitet hatten, und St. James hatte durchaus mitbekommen, dass es zwischen den beiden geknistert hatte. Doch ein Verhältnis mit einer Vorgesetzten war gefährlich. In Lynleys Fall wäre ein Verhältnis mit jeder Frau im Yard gefährlich.

Auf dem Weg zum Bootshaus berichtete Lynley seinem alten Freund von dem Gespräch mit Manette und deren Exmann und davon, was die beiden ihm von den Überweisungen erzählt hatten, die Ian Cresswell monatlich getätigt hatte. Das war entweder in Bernard Faircloughs Auftrag geschehen oder ohne dessen Wissen, sagte Lynley. Auf jeden Fall müsse Cresswell über Informationen verfügt haben, die ihm gefährlich werden konnten.