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«Da ist übrigens noch etwas«, sagte Lynley und berichtete ihr von Alateas Job als Dessous-Model, bevor sie Mrs. Fairclough wurde.»Nick hat Deborah erzählt, dass es sich um ›sexy‹ Unterwäsche handelte und dass sie sich jetzt für die Bilder schämt und fürchtet, jemand könnte sie entdecken. Da sexy Unterwäsche höchstens für eine Nonne peinlich wäre oder für eine Frau, die vorhat, in die königliche Familie einzuheiraten, nehmen wir an, dass es sich eher um Pornografie handelt.«

«Okay, ich werd versuchen, darüber was in Erfahrung zu bringen«, sagte Barbara.

Während sie noch ein bisschen Smalltalk machten, versuchte Barbara, seinen Ton einzuschätzen. Glaubte er ihr, was sie ihm über Isabelle Ardery erzählt hatte? Oder glaubte er ihr nicht? Und spielte es überhaupt eine Rolle, was er glaubte? Als er auflegte, hatte sie keine Antworten auf ihre Fragen. Aber ihre Fragen gefielen ihr auch nicht.

CHALK FARM — LONDON

Laute Stimmen drangen aus der Erdgeschosswohnung des Vorderhauses, als Barbara näher kam.»Ich werde mir das nicht bieten lassen, Angelina, darauf kannst du dich verlassen!«, ertönte die unverwechselbare Stimme von Taymullah Azhar. Barbara erstarrte. Dann schrie Angelina Upman:»Willst du mir etwa drohen?«, worauf Azhar brüllte:»Das fragst du mich noch? Die Angelegenheit ist für mich erledigt.«

Barbara wollte gerade das Weite suchen, als Azhar aus der Tür stürmte, sein Gesicht so dunkel, wie sie es noch nie gesehen hatte. Als er sie sah, hielt er kurz inne, dann eilte er in Richtung Steeles Road davon.

Im nächsten Augenblick kam Angelina Upman aus dem Haus, als wollte sie Azhar nachlaufen. Sie blieb stehen und drückte sich eine Faust vor den Mund, als sie Barbara bemerkte. Ihre Blicke begegneten sich. Dann drehte Angelina sich um und verschwand wieder im Haus.

Barbara saß in der Patsche. Angelina hatte mit ihr Freundschaft geschlossen. Barbara konnte sich schlecht verdrücken, ohne zu fragen, ob ihre Nachbarin Hilfe brauchte. Obwohl es von den Optionen, die sie blitzschnell durchging, diejenige war, die ihr am wenigsten zusagte, fasste sie sich ein Herz und klopfte an die Terrassentür.

Als Angelina öffnete, sagte Barbara:»Verzeihung. Ich war eigentlich gekommen, um Azhar etwas zu fragen …«Sie fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, das sich immer noch fremd anfühlte, weil es jetzt ordentlich frisiert war. Sie sagte:»Ach, verflixt, tut mir furchtbar leid, dass ich den Streit mitbekommen hab. Aber ich hab fast nichts gehört. Ich bin eigentlich gekommen, weil ich Azhar um einen Gefallen bitten wollte.«

Angelina ließ die Schultern hängen.»Tut mir leid, Barbara. Wir hätten nicht so laut werden dürfen. Ich habe ein Thema angesprochen, an das ich normalerweise nicht rühren darf. Es gibt Dinge, über die man mit Hari einfach nicht reden kann.«

«Reizthemen?«

«Ja, ja, Sie wissen schon. «Sie seufzte.»Aber er wird sich schon wieder beruhigen. Das tut er immer.«

«Kann ich irgendwas für Sie tun?«

«Wenn Ihnen die Unordnung nichts ausmacht, können Sie eine Tasse Tee mit mir trinken. «Sie grinste.»Oder besser ein Glas Gin, das könnte ich jetzt gut gebrauchen.«

«Ich nehme lieber Tee«, sagte Barbara.»Heben Sie mir einen Schluck Gin fürs nächste Mal auf.«

Als sie die Wohnung betrat, sah Barbara, was Angelina mit Unordnung gemeint hatte. Anscheinend hatten Angelina und Azhar sich bei ihrem Streit mit Gegenständen beworfen. Das schien Barbara so untypisch für Azhar, dass sie Angelina entgeistert anschaute und sich fragte, ob sie allein die Sachen zerdeppert hatte. Auf dem Boden lagen zerfledderte Zeitschriften, eine zerbrochene Porzellanfigur, eine Stehlampe und in einer großen Pfütze die Scherben einer Vase zwischen zerknickten Blumen.

«Ich kann Ihnen auch beim Aufräumen helfen«, sagte Barbara.

«Zuerst der Tee«, erwiderte Angelina.

In der Küche war alles beim Alten. Angelina goss den Tee auf und stellte die Kanne auf einen kleinen Tisch unter einem hohen Fenster, durch das das Sonnenlicht hereinfiel.»Gott sei Dank ist Hadiyyah in der Schule«, sagte sie.»Sie hätte es bestimmt mit der Angst zu tun bekommen. Ich glaube nicht, dass sie Hari schon einmal so erlebt hat.«

Woraus Barbara offenbar schließen sollte, dass Angelina» Hari «sehr wohl» schon einmal so erlebt «hatte.»Wie gesagt, ich wollte ihn um einen Gefallen bitten«, bemerkte sie.

«Hari? Worum geht es denn?«

Barbara erklärte es ihr. Angelina nippte graziös an ihrem Tee. Sie hatte schöne Hände und ebenmäßige Fingernägel.»Er kennt bestimmt jemanden«, sagte sie.»Und er wird Ihnen helfen, da bin ich mir ganz sicher. Er mag Sie sehr, Barbara. Und das hier …«, sie blickte sich im Zimmer um,»… ist nur das Ergebnis von einem Zusammenprall zweier ähnlicher Charaktere. Wir vertragen uns auch wieder. Das tun wir eigentlich immer.«

«Gut zu wissen.«

Angelina trank noch einen Schluck Tee.»Wirklich dumm, wie man sich um nichts und wieder nichts streiten kann, nicht wahr? Einer macht eine Bemerkung, ein Wort ergibt das andere, und ehe man sich’s versieht, fliegen die Fetzen. Wirklich lächerlich.«

Barbara wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie hatte noch nie in einer Beziehung gelebt, und wahrscheinlich würde sich daran auch in Zukunft nichts ändern. Und sich mit einem Lebensgefährten streiten? Mit Sachen nach ihm werfen? Die Aussicht, dass sie so etwas erleben würde, war ziemlich gering. Trotzdem murmelte sie:»Ja, das ist die Hölle«, und hoffte, dass das Thema damit erledigt war.

«Sie wissen sicher von Haris Frau«, sagte Angelina.»Dass er sich von ihr getrennt hat, dass es aber nie zu einer Scheidung gekommen ist? Das hat er Ihnen doch bestimmt erzählt, oder?«

Barbara gefiel nicht, welche Richtung das Gespräch nahm.»Hm. Na ja. Äh … mehr oder weniger.«

«Er hat sich meinetwegen von ihr getrennt. Ich war damals noch Studentin. Nicht seine, natürlich, die Naturwissenschaften liegen mir nicht. Wir haben uns beim Mittagessen kennengelernt. Die Cafeteria war brechend voll, und er hat gefragt, ob er sich zu mir an den Tisch setzen könne. Mir gefiel seine ernste, nachdenkliche Art. Und das Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte, und dass er nicht unter dem Druck stand, andauernd vor Geist sprühende Bemerkungen zu machen. Er war bodenständig. Das hat mich angezogen.«

«Das kann ich verstehen. «Denn es war genau das, was Barbara an ihm mochte. So hatte sie Taymullah Azhar von Anfang an erlebt.

«Ich wollte nicht, dass er sich von seiner Frau trennt. Ich habe ihn geliebt — ich liebe ihn wirklich —, aber die Ehe eines Mannes zu zerstören … So eine Frau bin ich nicht. Aber dann kam Hadiyyah. Als Hari erfuhr, dass ich schwanger war, bestand er darauf, mit mir zusammenzuziehen. Natürlich hätte ich abtreiben können. Aber sie war unser Kind, wissen Sie, und ich hätte es nicht ertragen …«Sie beugte sich vor und berührte kurz Barbaras Hand.»Können Sie sich eine Welt ohne Hadiyyah vorstellen?«

Es war eine einfache Frage, auf die es eine einfache Antwort gab.»Nein«, sagte Barbara.

«Jedenfalls möchte ich schon lange, dass sie ihre Halbgeschwister kennenlernt. Aber Hari will nichts davon wissen.«

«Und darüber haben Sie sich gestritten?«

«Ja, und zwar nicht zum ersten Mal. Es ist das einzige Thema, über das wir regelmäßig aneinandergeraten. Seine Antwort lautet immer gleich: ›Das kommt nicht in Frage.‹ Als hätte er über das Leben aller anderen zu bestimmen. Wenn er so etwas sagt, bringt mich das auf die Palme. Auch wenn er sagt, dass Hadiyyah kein Geschwisterchen mehr haben soll. Er sagt immer: ›Ich habe drei Kinder, und ich werde kein viertes in die Welt setzen.‹«

«Vielleicht überlegt er sich’s ja noch anders.«

«Das kann ich mir nicht vorstellen.«