»Ich finde es hier überaus angenehm«, sagte Hunter.
»Ihr weigert Euch zu gehen?«
Sie war sehr wütend. In dem klaren Wasser konnte Hunter sehen, dass sie eigentlich zu dünn war für seinen Geschmack, eine kleinbrüstige, knochige Frau mit einem verhärmten Gesicht. Aber ihre Wut erregte ihn.
»Ja, ich fürchte, ich weigere mich.«
»Dann, Sir, habe ich Euch verkannt. Ich dachte, Ihr würdet einer Frau, die sich in einer unangenehmen Lage befindet, mit der gebotenen Höflichkeit und guten Manieren begegnen.«
»In was für einer unangenehmen Lage befindet Ihr Euch denn?«, fragte Hunter.
»Ich bin splitternackt, Sir.«
»Das sehe ich.«
»Und diese Quelle ist kalt.«
»Ach ja?«
»Allerdings.«
»Und das habt Ihr soeben erst bemerkt?«
»Sir, ich bitte Euch noch einmal, hört auf mit Eurer Unverfrorenheit und gewährt mir einen Augenblick Ungestörtheit, damit ich mich ankleiden kann.«
Statt zu antworten, trat Hunter an den Rand des Wassers, nahm ihre Hand und zog sie auf den Felsen, wo sie tropfend und bibbernd stand, trotz der warmen Sonne. Sie funkelte ihn an.
»Ihr holt Euch noch den Tod«, sagte er und grinste ob ihres offensichtlichen Unbehagens.
»Dann lasst uns gleiche Bedingungen schaffen«, erwiderte sie und schubste ihn jählings in voller Montur ins Wasser.
Er platschte hinein und ihm stockte der Atem, als er das eiskalte Wasser spürte. Er schnappte nach Luft. Er strampelte umher, während sie auf dem Felsen stand und ihn auslachte.
»Madam«, sagte er, mit rudernden Armen. »Madam, ich flehe Euch an.«
Sie lachte weiter.
»Madam«, sagte er, »ich kann nicht schwimmen. Bitte helft mir –« Und sein Kopf tauchte kurz unter Wasser.
»Ein Seefahrer, der nicht schwimmen kann?« Sie lachte noch lauter.
»Madam …«, war alles, was er sagen konnte, als er auftauchte, um gleich wieder unterzugehen. Einen Augenblick später kam er platschend und unbeholfen tretend wieder hoch, und sie sah ihn besorgt an. Sie streckte ihm eine Hand hin, und er strampelte auf sie zu.
Er nahm ihre Hand und riss mit einem Ruck daran, schleuderte sie in einem Bogen über seinen Kopf ins Wasser. Sie schrie laut auf und landete mit einem schmerzhaften Klatsch flach auf dem Rücken. Sie kreischte noch einmal, ehe sie unterging. Er lachte, als sie wieder auftauchte, und dann half er ihr aus dem Wasser auf den warmen Felsen.
»Ihr seid nichts anderes«, haspelte sie, »als ein Grobian, ein Schuft, ein skrupelloser, bösartiger, schurkischer, niederträchtiger Hurensohn.«
»Zu Euren Diensten«, sagte Hunter und küsste sie.
Sie riss sich los. »Und dreist.«
»Und dreist«, pflichtete er ihr bei und küsste sie erneut.
»Ich nehme an, Ihr habt vor, mich wie eine gewöhnliche Frau von der Straße zu schänden.«
»Ich glaube kaum«, sagte Hunter, während er seine nasse Kleidung abstreifte, »dass das nötig sein wird.«
Und das war es auch nicht.
»Am helllichten Tag«, sagte sie noch entsetzt, und das waren ihre letzten verständlichen Worte.
KAPITEL 11
Mitten am Tag unterbreitete Mr Robert Hacklett Sir James Almont beunruhigende Nachrichten. »In der Stadt kursieren Gerüchte«, sagte er, »dass Captain Hunter, derselbe Mann, mit dem wir erst gestern diniert haben, eine Piratenfahrt gegen eine spanische Niederlassung vorbereitet, vielleicht sogar Havanna.«
»Ihr schenkt diesen Geschichten Glauben?«, fragte Almont seelenruhig.
»Euer Exzellenz«, sagte Hacklett, »es ist eine schlichte Tatsache, dass Captain Hunter Vorräte für eine Seereise an Bord seiner Schaluppe Cassandra bringen lässt.«
»Vermutlich«, sagte Almont. »Inwiefern ist das ein Beweis für ein Verbrechen?«
»Euer Exzellenz«, sagte Hacklett, »beim größten Respekt, ich muss Euch darüber in Kenntnis setzen, dass Ihr diese Unternehmung dem Gerücht nach gebilligt und sogar pekuniär unterstützt haben sollt.«
»Wollt Ihr damit sagen, ich habe dafür bezahlt?«, sagte Almont ein wenig gereizt.
»Sozusagen, Sir James.«
Sir James seufzte. »Mr Hacklett«, sagte er, »wenn Ihr ein wenig länger hier seid – sagen wir, so ungefähr eine Woche –, werdet Ihr gemerkt haben, dass ich irgendeinem Gerücht nach immer irgendeine Kaperfahrt gebilligt und bezahlt habe.«
»Dann entbehren die Gerüchte also jeder Grundlage?«
»Bis auf die Tatsache, dass ich Captain Hunter Papiere ausgehändigt habe, die ihn ermächtigen, an jedem ihm beliebigen Ort Blutholzbäume zu fällen. Aber damit ist mein Interesse an dieser Angelegenheit auch schon erschöpft.«
»Und wo wird er diese Blutholzbäume fällen?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Almont. »Vermutlich an der Moskitoküste von Honduras. Wo das üblicherweise geschieht.«
»Euer Exzellenz«, sagte Hacklett beharrlich, »darf ich Euch ergebenst daran erinnern, dass in diesen Friedenszeiten, die zwischen unserer Nation und Spanien herrschen, das Fällen von Blutholzbäumen eine Provokation darstellt, die leicht zu vermeiden wäre?«
»Ihr dürft mich daran erinnern«, sagte Almont, »aber ich muss Euch korrigieren. Viele Landstriche in diesem Teil der Erde werden zwar von Spanien beansprucht, sind jedoch nicht besiedelt – es gibt dort keinen Ort, keine Kolonisten, keine Bürgerschaft. Da solcherlei Beweise für ein Herrschaftsgebiet fehlen, halte ich das Fällen von Blutholzbäumen für vertretbar.«
»Euer Exzellenz«, sagte Hacklett, »seid Ihr nicht auch der Ansicht, dass eine harmlose Expedition zum Zwecke des Fällens von Blutholzbäumen, auch wenn Euer Argument durchaus vernünftig klingt, leicht in einen seeräuberischen Vorstoß umschlagen könnte?«
»Leicht? Nein, Mr Hacklett, keineswegs leicht.«
An Seine Ehrwürdigste Majestät Charles, durch Gottes Gnaden, von Großbritannien und Irland, König, Verteidiger des Glaubens etc.
Das untertänige Gesuch des Stellvertretenden Gouverneurs von Seiner Majestät Plantagen und Ländereien auf Jamaika in Westindien.
Stellt untertänigst fest,
dass ich, Euer Majestät höchst getreuer Untertan, der ich von Euer Majestät damit betraut wurde, die Empfindungen und Wünsche des Hofes hinsichtlich seeräuberischer Unternehmungen in Westindien zu vertreten; und besagte Empfindungen und Wünsche Sir James Almont, Gouverneur des vorgenannten Gebietes Jamaika, durch Sendschreiben und mündliche Erklärung zur Kenntnis gebracht habe, berichten muss, dass der Beendigung und Unterbindung der Piraterie in diesen Teilen der Erde wenig Beachtung geschenkt wird. Im Gegenteil, ich muss, so sehr es mich betrübt, ehrlicherweise kundtun, dass Sir James selbst mit allen möglichen Spitzbuben und Schuften verkehrt; dass er durch Wort und Tat und bare Münze die Fortdauer von heimtückischen und blutigen Angriffen auf spanische Gebiete unterstützt; dass er die Nutzung von Port Royal als Treffpunkt dieser Halsabschneider und Schurken sowie für die Verteilung ihrer unrechtmäßig erworbenen Gewinne gestattet; dass er keinerlei Reue ob derlei Umtriebe erkennen lässt und nichts darauf hindeutet, dass er ihnen in Zukunft einen Riegel vorzuschieben gedenkt; dass er selbst ein Mann ist, der aufgrund schlechter Gesundheit und loser Moral für hohe Funktionen ungeeignet ist; dass er alle möglichen Arten von Verderbtheit und Laster im Namen seiner Majestät duldet. Aus all den genannten Gründen und kraft der vorgebrachten Beweise beschwöre ich Eure Majestät untertänigst, diesen Mann seines Amtes zu entheben und, mit der großen Weisheit Seiner Majestät, einen geeigneteren Nachfolger zu erwählen, der die Krone nicht tagtäglich zum Gespött machen wird. Ich bitte untertänigst und voller Demut um Euer Majestäts königliche Bewilligung dieses schlichten Gesuchs.