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»Fertig?«, fragte ich, und er nickte verbissen. Er machte eher den Eindruck, als wartete die Guillotine auf ihn statt eine angenehme abendliche Joggingrunde.

Und schon ging es los, den Bürgersteig hinunter und an mehreren Häuserblöcken vorbei. Es folgten weitere Häuserblöcke und das Highschoolgelände. Die Straßenbeleuchtung war ausgezeichnet, und alle schienen zu Hause zu sitzen. Es war kühl, und überall standen noch Pfützen vom vorherigen Regenguss. In regelmäßigen Abständen fuhren Autos vorbei, einige schneller als erlaubt, andere extrem langsam. Aber da es einen Bürgersteig gab, war das keinerlei Problem. Ich fragte mich, ob einige Fahrer meinen Laufpartner erkannten.

Die frische Luft tat mir gut. Ich lief in einem gemächlichen Tempo, genoss die Dehnung in den Beinen und meinen erhöhten Puls. Die Aschenbahn der Highschool war von einem hohen Zaun umgeben, das Tor war natürlich verschlossen. Ich führte meinen Laufpartner über die Straße auf den großen Parkplatz voller Schulbusse. Parker hielt mit mir Schritt. Ich warf ihm einen flüchtigen Seitenblick zu und sah, dass er selbstzufrieden lächelte. Ich beschleunigte mein Tempo, und das Lächeln verblasste schnell. Nachdem wir eine Weile richtig gelaufen waren, rang Parker nach Luft. Das Einzige, was ihn noch antrieb, war sein Stolz.

Aber auf dem nächsten Kilometer verließ ihn auch der. Es gab drei Reihen mit Bussen, und wir waren von der Straße bis ans Ende der ersten Reihe gelaufen und dann auf der anderen Seite wieder zurück. Jetzt umrundeten wir gerade die zweite Reihe, um wieder bis ans Ende zu laufen. Ich war so richtig in Schwung und fühlte mich prima, aber Parker blieb stehen und stützte sich schwer atmend auf die Oberschenkel. Ich lief auf der Stelle weiter. Er gab mir ein Zeichen, dass ich weiterlaufen sollte. »Bleiben Sie in Sichtweite«, sagte er, wobei er jedes Wort einzeln hervorstieß.

Ich winkte ihm zu und lief weiter. Ich lief nur halb so gut wie mein Bruder, aber an jenem Abend fühlte ich mich, verglichen mit Parker, leicht wie eine Feder. Ich musterte die stumme Reihe Busse, roch die Pfützen und den Asphalt, den der Abendregen gereinigt hatte. Ich blickte kurz über die Schulter und merkte, dass mir Parker in einem ordentlichen Tempo folgte. Doch so langsam verließ ich den Bereich, der sich noch in seiner Sichtweite befand. Mit leichtem Bedauern umrundete ich die letzte Reihe Busse nicht, sondern machte kehrt und nahm die Strecke, die ich gekommen war. Hinter den Bussen musste noch eine andere Straße verlaufen, denn ich hörte aus dieser Richtung ein langsam fahrendes Auto. In diesem Moment folgten mir Autoscheinwerfer, die Parkers Gesicht erhellten und meinen langen Schatten vor mir auf den Asphalt warfen. Angst stieg in mir auf, und ich wurde langsamer, weil ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte. Das Geräusch hinter mir stammte eindeutig von einem Motor im Leerlauf … aber es kam näher.

Der Detective war zwar geblendet, steigerte aber sein Tempo und rannte auf mich zu. Als er näher kam, griff er unter sein Sweatshirt und zog eine Waffe. Ich begriff nicht gleich und glaubte, er würde auf mich schießen. Ich zögerte. Das Motorengeräusch kam näher.

»Laufen Sie!«, brüllte er mich an.

Ich verstand rein gar nichts, wurde aber immer schneller. Meine Arme sausten durch die Luft, wie um Schwung zu holen. Als ich ihn erreicht hatte, stieß mich Parker zwischen zwei Busse und wirbelte mit seiner schussbereiten Waffe zu dem herankommenden Wagen herum. Der Wagen brach zur Seite aus, wahrscheinlich, weil der Fahrer die auf ihn gerichtete Waffe bemerkte. Dann beschleunigte er mit quietschenden Reifen, schlingerte vom Parkplatz und brauste davon.

»Was war denn das?«, sagte ich. »Was war das?« Ich sprang zwischen den Bussen hervor, um meinem Retter gegenüberzutreten, und breitete die Arme aus. »Was war das?«, schrie ich.

»Eine Morddrohung«, sagte er, und sein Atem ging immer noch unregelmäßig. »Wir haben heute eine Morddrohung gegen Sie erhalten. Ich wollte nicht, dass sie allein laufen. Sie hätten ein leichtes Ziel abgegeben.«

»Warum haben Sie mir nichts davon erzählt? Deshalb haben Sie eingewilligt, mit mir laufen zu gehen!«

»Ich konnte ja nicht ahnen, dass Sie eine solche Gesundheitsfanatikerin sind«, sagte er unsportlicherweise. »Ich wollte Sie nur warnen, Ihnen von dem Drive-by-Shooting erzählen.«

»Also statt …«, stammelte ich. Dann schloss ich die Augen, riss mich zusammen und richtete mich auf. »Wissen Sie, von wem diese Morddrohung stammt?«

»Nein, es war eine Männerstimme. Der Typ sagte, Sie wären des Teufels und so. Dass Sie in Texas nichts zu suchen hätten und er sich schon darum kümmern würde, wenn er Sie das nächste Mal sähe. Er hat auch Ihr neues Hotel genannt.«

Das mit dem Anruf traf mich auch so schon ziemlich unvorbereitet, aber als Parker dann noch erwähnte, dass der Anrufer den Namen meines Hotels kannte, war ich wirklich beunruhigt. Ich wusste, dass ich die Sache ernst nehmen musste.

»Glauben Sie, er saß in dem Auto? Oder haben Sie nur ein paar Teenagern, die da hinten parkten, eine Heidenangst eingejagt?« Meine Beinmuskulatur verhärtete sich, also wippte ich sanft auf den Fußballen und beugte mich dann zu meinen Zehen.

»Keine Ahnung«, sagte Parker düster. »Allerdings konnte ich einen Teil des Kennzeichens erkennen und werde es durch den Computer laufen lassen.«

Plötzlich wurde mir klar, dass sich dieser Mann vor mich gestellt hatte, als er dachte, jemand würde auf mich schießen. Dieser unglaubliche Akt traf mich wie ein Schuss.

»Danke«, sagte ich. Plötzlich zitterten mir die Knie. »Danke, dass Sie das getan haben.«

»Das ist unsere Pflicht«, sagte er. »Es ist unsere Aufgabe, andere zu schützen. Zum Glück musste ich es damit nicht übertreiben, sonst hätte ich noch einen Herzinfarkt bekommen.« Er grinste, und ich freute mich zu sehen, dass er nicht mehr schwer atmete.

»Wir sollten lieber umkehren. Das war wirklich ein unangenehmer Zwischenfall.« Ich wollte ihn nicht verletzen, was ziemlich absurd war.

»Nein, ich glaube, die sind weg.« Er wirkte erleichtert. »Lassen Sie uns zurück zum Hotel gehen.« Er steckte seine Waffe ins Halfter.

Ich wusste, dass ich den Polizisten nicht mehr zum Laufen bringen konnte. Zumindest legten wir ein flottes Marschtempo vor, als wir den Busparkplatz verließen und an der Highschool vorbeikamen. Dann befanden wir uns im Wohnviertel, wo es kaum noch Verkehr gab. Alle waren längst von der Arbeit zurückgekehrt, und niemand hatte vor, heute noch auszugehen. Die Temperatur war ein wenig gefallen, und ich begann zu frösteln. Wir hatten noch drei Blocks vor uns. Wir gingen durch eine Siedlung mit liebevoll gepflegten Vorgärten. Selbst im Winter gab es hier noch Bäume mit Blättern, Büsche und Kies, die die kleinen Vorgärten schmückten. Parker Powers stellte mir Fragen, die mich ablenken sollten. Unzusammenhängende Fragen darüber, wie lange ich schon joggte, wie lange pro Tag, ob mein Bruder auch joggte …

Als mir gerade auffiel, dass der Schatten hinter einem der Bäume höchst menschliche Züge hatte, setzte er sich auch schon in Bewegung. Ein Mann trat hinter dem Baum hervor, und eine Waffe glänzte im Laternenlicht. Parker Powers machte einen Satz auf mich zu und stieß mich aus der Schusslinie. Der Schütze zielte direkt auf ihn und traf ihn in die Brust.

Schreien wäre reine Zeitverschwendung gewesen. Mein einziger Vorteil war meine Kondition, also sprang ich auf den winzigen Rasenstreifen und sauste davon wie ein Kaninchen auf Speed. Ich hörte Schritte hinter mir, sogar auf dem Gras, und versuchte, hinter das nächste Haus zu kommen. In dem Moment sah ich, dass der Garten umzäunt war. Es war kein hoher Zaun, eher eine Art Grenzmarkierung. Ich sprang darüber, landete sicher, raste dann über den toten Rasen und übersprang den Zaun auf der anderen Seite.