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Erst später fiel mir ein, über was ich alles hätte stolpern und mir das Bein brechen können.

Ich fand mich im nächsten Garten wieder und konnte die nächste Straße gut erkennen. Nur eine Straßenseite war bebaut. Die andere war baumbestanden, und hinter den Bäumen ging es steil bergab, soweit ich das bei der Beleuchtung erkennen konnte. Ich begann in Richtung Hotel zu rennen, und zwar so schnell ich konnte. Hier hinten war es deutlich dunkler. Ich hatte Angst, zu stürzen. Angst, erschossen zu werden. Angst, dass der Detective tot war. Ich wusste, dass ich in die richtige Richtung lief, konnte das Hotel aber nicht sehen, weil die Straße eine Biegung machte. Ich hätte fast an eine Tür geklopft. Doch als mir einfiel, welche Gefahr das für die Bewohner des Hauses bedeutet hätte, rannte ich weiter. Ich glaubte, ein lautes Geräusch vor mir zu hören, also sprang ich zur Seite und ging hinter einem in der Auffahrt parkenden Wagen in Deckung. Einen Moment lang verharrte ich regungslos und lauschte, obwohl mein Herz so laut schlug, dass ich kaum wahrnahm, was außerhalb meines Körpers vorging.

Ich machte den Reißverschluss meiner Hosentasche auf, zog das Handy hervor und klappte es auf. Ich hielt schützend die Hand davor, um das Licht abzuschirmen. Ich wählte den Notruf, und eine Frauenstimme antwortete. »Ich verstecke mich in der Auffahrt eines Hauses hinter dem Holiday Inn Express«, sagte ich so leise wie möglich. »Detective Parker Powers wurde angeschossen. Er liegt auf der Jacaranda Street. Der Schütze verfolgt mich. Beeilen Sie sich, bitte.«

»Ma’am? Sagten Sie, ein Officer wurde angeschossen? Sind Sie verletzt?«

»Ja, Detective Powers«, sagte ich. »Ich bin noch unverletzt. Ich muss jetzt auflegen.« Ich konnte nicht telefonieren, ich musste lauschen.

Jetzt, wo sich meine Atmung beruhigt hatte, war ich mir ziemlich sicher, jemand anders atmen zu hören. Jemand, der leise durch die Vorgärten schlich. Jemand, der nicht hier draußen sein sollte. Merkten die Leute denn nicht, was um sie herum vorging? Wo waren all die bewaffneten Hausbesitzer, wenn man sie brauchte? Ich wusste nicht, ob ich losrennen oder in meinem Versteck bleiben und hoffen sollte, dass er mich nicht fand.

Die Anspannung war schier unerträglich. In der Hocke neben dem Auto zu warten, war mit das Schwierigste, was ich je getan hatte. Ich wusste nicht einmal, ob diese ruhige Straße eine Sackgasse war. Vielleicht endete sie gleich hinter der leichten Biegung. Dann müsste ich mich durch die Gärten zurückschleichen, um wieder auf die Jacaranda Street und zurück zum Hotel zu kommen. Es könnte Zäune geben, Hunde … Ich hörte einen bellen, der nach einem ziemlich großen Tier klang.

Die Schritte, leise Schritte, kamen ein wenig näher und blieben dann stehen. Konnte er mich sehen? Würde er mich in der nächsten Minute erschießen?

Dann hörte ich die Polizeisirenen. Gott segne die Polizei, ihre Suchscheinwerfer, ihre Sirenen und Waffen! Der Schatten, der sich fast an mich herangeschlichen hatte, zog sich rasch zurück. Dann ließ der Schütze jede Vorsicht fahren und rannte die Straße in die Richtung zurück, aus der ich gekommen war.

Ich versuchte aufzustehen, aber das ging nicht. Meine Beine gehorchten mir nicht mehr. Ich sah den Lichtkegel einer riesigen Taschenlampe auf mich zukommen, dann tanzte er über mir und kehrte zurück, um mich zu blenden.

»Legen Sie sich mit ausgestreckten Armen hin«, sagte eine Frauenstimme.

»Gut«, sagte ich. »Wird gemacht.«

Im Moment erschien mir das besser, als aufzustehen.

10

Irgendwann kehrte ich ins Krankenhaus zurück und verbrachte die Nacht bei Tolliver. Ich wollte einfach nicht allein sein und fühlte mich in seiner Nähe sicherer, obwohl er angeschossen worden war.

Detective Powers lebte noch. Ich war sehr froh, das zu hören, und sehr dankbar, dass sein Mut noch in diesem und nicht erst im nächsten Leben belohnt wurde. Ich hatte Gesprächsfetzen der Cops mitbekommen, die mich mehr oder weniger behandelten, als wäre ich gar nicht da.

»Powers wird bestimmt durchkommen«, sagte die Polizistin, die mich irgendwann hatte aufstehen lassen. »Den bringt so schnell nichts um.«

»Nach all dem Footballtraining!«, bemerkte einer der Sanitäter, die man gerufen hatte, um mich zu untersuchen. Er ließ sich Zeit beim Zusammenpacken, nachdem er festgestellt hatte, dass es mir ganz gut ging.

»Ja, aber die vielen Kopfstöße haben ihm nicht gutgetan«, sagte ein Officer, ein junger Kerl mit kahl rasiertem Schädel. »Powers hat eine Saison zu lange gespielt.«

»Hey, etwas mehr Respekt, Detective!«, sagte der ältere Sanitäter. »Er ist für uns das perfekte Aushängeschild.«

Dem entnahm ich, dass Detective Powers seit seiner Einstellung ein beliebter Ansprechpartner gewesen war, was sicherlich auch zu seiner Beförderung zum Detective geführt hatte. Die Leute waren so begeistert, von einem ehemaligen Footballstar verhört zu werden, dass sie ihm mehr erzählten, als ihnen lieb war, nur um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er wurde also weniger wegen seiner Intelligenz oder seiner sonstigen Fähigkeiten geschätzt, sondern weil er prominent und stets bereit war, das Rampenlicht zu teilen. Außerdem hielt man ihn für einen wirklich netten Kerl.

Es war mir ein Vergnügen, seinem Team zu erzählen, wie tapfer er gewesen war, und ein ebensolches Vergnügen, zu sehen, wie stolz man darauf war. Dass man es für ziemlich dämlich hielt, dass er mit mir laufen gegangen war, geriet dabei etwas in Vergessenheit.

Ich hatte ein paar Blutspritzer im Gesicht und ging auf mein Hotelzimmer, um sie abzuschrubben. Die Polizistin, Kerri Sauer, begleitete mich und bot mir an, mich zum God’s Mercy Hospital zu bringen – ein Angebot, das ich gern annahm.

»Haben Sie Parker jemals spielen sehen?«, fragte sie, während sie zusah, wie ich das Blut mit einem Waschlappen entfernte.

»Nein«, antwortete ich. »Und Sie? Sie müssen damals noch ein Kind gewesen sein.«

»Ja. Er war fantastisch. Dass er verletzt wurde, war einfach furchtbar für unsere Mannschaft. Er hat sich für schwer erziehbare Kinder engagiert und tut es immer noch. Er ist ein toller Typ. Sie haben uns bei Ihrem Anruf sofort gesagt, wo wir ihn finden können. Das hat ihm das Leben gerettet. Er hat gute Chancen, durchzukommen.«

Ich hielt es für wenig produktiv darauf hinzuweisen, dass wahrscheinlich nie auf Powers geschossen worden wäre, wenn er mich nicht begleitet hätte. Ich nickte und vergrub mein Gesicht im Handtuch, damit sie es nicht sehen konnte.

Nachdem ich vor dem Krankenhaus geparkt und es betreten hatte, winkte ich dem Streifenwagen zu, der sich wieder in den Verkehr einfädelte. Mir kam eine verrückte Idee: Falls ich kein Geld mehr mit dem Finden von Leichen verdienen konnte, könnte ich vielleicht Polizistin werden. Ich fragte mich, ob ich die körperliche Tauglichkeitsprüfung bestehen würde. Normalerweise funktioniert mein rechtes Bein, aber ab und zu fängt es an zu zucken. Außerdem bekomme ich oft Migräne. Insofern war eine Polizeikarriere wenig wahrscheinlich. Ich schüttelte den Kopf und sah, wie sich die Bewegung in den glänzenden Wänden der Liftkabine spiegelte. Was für ein Blödsinn!, dachte ich

Ich schlich über den Flur und öffnete vorsichtig Tollivers Tür. In seinem Zimmer war es dunkel, obwohl das Licht im Bad brannte und die Tür einen Spalt aufstand.

»Harper?«, sagte er verschlafen.

»Ja, ich bin’s. Ich habe dich vermisst«, sagte ich leise.

»Komm her.«

Ich lief zum Bett, ging in die Hocke und zog mir die Schuhe aus. »Ich werde auf dem Stuhl schlafen«, flüsterte ich. »Lass dich nicht stören.«

»Klettere zu mir ins Bett, auf meiner gesunden Seite.«

»Bist du sicher, dass das bequem für dich ist? Dieses Bett ist verdammt schmal.«