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Douglas Preston / Lincoln Child

Grave – Verse der Toten

Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast

Aus dem Amerikanischen von Michael Benthack

Über dieses Buch

Eine äußerst morbide Mordserie wird zu einer ganz besonderen Herausforderung für Special Agent Aloysius Pendergast – denn dem erklärten Einzelgänger wird von seinem neuen Chef beim FBI ein Partner zur Seite gestellt.

Mit Agent Coldmoon im Schlepptau, reist Pendergast nach Miami Beach in Florida, wo ein Serienkiller die Herzen ermordeter Frauen zusammen mit kryptischen Briefen auf Gräbern ablegt. Während es zwischen den Opfern des Killers keinerlei Verbindung zu geben scheint, stellt sich schnell heraus, dass in den Gräbern ausnahmslos Selbstmörderinnen beigesetzt sind. Doch was haben diese toten Frauen mit den neuen Morden zu tun?

Je tiefer Pendergast und Coldmoon graben, desto klarer wird ihnen, dass die Lösung des Rätsels weit in der Vergangenheit liegen muss – und dass ihr Gegner ihnen näher ist, als ihnen lieb sein kann.

Inhaltsübersicht

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

Lincoln Child widmet dieses Buch seiner Tochter Veronica

Douglas Preston widmet dieses Buch Gussie und Joe Stanislaw

1

Sittsam spazierte Isabella Guerrero – von ihren Freundinnen und Mitspielerinnen im Bridgeclub Iris genannt – unter den Palmen des Friedhofs Bayside hindurch. Über ihr erstreckte sich ein schier endloser, blassblauer Himmel. Es war halb acht Uhr morgens, die Temperatur betrug um die 25 Grad, und der Tau, der immer noch auf dem breitblättrigen Sankt-Augustin-Gras lag, durchtränkte das Leder ihrer Sandaletten. In der einen Hand trug sie eine Handtasche von Fendi, in der anderen hielt sie die Leine, an der ihr Pekinese Twinkle wirkungslos zerrte. Iris schritt besonders achtsam zwischen den Gräbern und Anpflanzungen mit Buntnessel hindurch – denn erst drei Wochen zuvor hatte Grace Manizetti, beladen mit Einkäufen, auf dem Rückweg vom Publix das Gleichgewicht verloren und sich die Hüfte gebrochen.

Weil der Friedhof erst eine halbe Stunde zuvor seine Tore geöffnet hatte, hatte Iris ihn ganz für sich allein. So gefiel ihr das – Miami Beach wurde mit jedem Jahr voller. Selbst hier in Bal Harbour, am Nordende der Insel, war der Autoverkehr schlimmer, als sie das aus dem übervölkerten New York ihrer Kindheit kannte, als sie am Queens Boulevard aufwuchs. Und dieses scheußliche Einkaufszentrum, das vor einigen Jahren nördlich der Sechsundneunzigsten gebaut worden war, hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Und nicht nur das: Von Süden her hatten sich – zusammen mit den Bodegas und casa dies und tienda das – nicht wünschenswerte Elemente ausgebreitet. Gott sei Dank hatte Francis in weiser Voraussicht die Eigentumswohnung im Grande Palms Atlantic gekauft. Das Hochhaus in Surfside grenzte direkt an den Strand, sodass der Blick unverbaubar war.

Francis. Endlich sah sie sein Grab. Die Sonne Floridas hatte den Grabstein ein ganz klein wenig ausgebleicht, aber die Grabstelle wirkte sauber und ordentlich – dafür hatte sie gesorgt. Twinkle, der merkte, dass sie sich ihrem Ziel näherten, hatte aufgehört, an der Leine zu ziehen.

Es gab ja so vieles, wofür sie Francis dankbar sein musste. Drei Jahre zuvor war er von ihr gegangen, und seither war ihr nur noch bewusster geworden, wie dankbar sie ihm war. Denn Francis war so vorausschauend gewesen, das väterliche Fleischerei-Fachgeschäft von New York City an die Küste Floridas zu verlegen, damals, als dieser Abschnitt der Collins Avenue noch verschlafen und preiswert war. Zudem hatte Francis das Geschäft im Laufe der Jahre umsichtig vergrößert und ihr beigebracht, wie man die Waagen und die Registrierkasse bediente, sowie die Bezeichnungen und Eigenschaften der verschiedenen Fleischstücke. Und schließlich hatte Francis für den Verkauf des Ladens genau den richtigen Zeitpunkt getroffen – das Jahr 2007, bevor die Immobilienpreise abstürzten. Der riesige Gewinn, den sie gemacht hatten, hatte ihnen nicht nur erlaubt, die Wohnung im Grande Palms zu kaufen (zu einem Tiefstpreis, im Jahr darauf), sondern auch ermöglicht, dass sie viele Jahre lang einen komfortablen Ruhestand genießen konnten. Wer hätte gedacht, dass Francis so bald an Bauchspeicheldrüsenkrebs sterben würde.

Inzwischen war Iris am Grab angekommen und blieb einen Moment stehen, um über den Friedhof hinauszuschauen und die Aussicht zu bewundern. Trotz des Gedränges der vielen Leute auf der Straße und des starken Autoverkehrs bot sich ihr ein friedliches Bild: der Kane Concourse, der sich über die Harbor Islands in Richtung Festland erstreckte, die weißen Dreiecke der Segelboote, die bis hinauf zur Biscayne Bay kreuzten. Und alles war in freundliche, tropische Pastellfarben getaucht. Der Friedhof war eine Oase der Ruhe, vor allem morgens, wenn Iris sogar im März – dem Höhepunkt der Urlaubssaison – ein wenig Zeit am Grab ihres verstorbenen Ehemanns zubrachte, um zu sinnieren.

Die kleine Vase mit Plastikblumen, die sie neben den Grabstein gestellt hatte, stand irgendwie schief – sicherlich wegen des Tropensturms, der vorgestern über Florida hinweggefegt war. Sie justierte die Vase, zog ein Taschentuch aus der Handtasche, wischte die Blumen ab und begann, sie zu säubern. Plötzlich spürte sie, dass Twinkle wieder an der Leine zog, und das heftiger als zuvor.

»Twinkle!«, schalt sie. »Nein!« Francis hatte den Namen – kurz für Twinkle Toes – gehasst und den Hund immer Tyler genannt, nach der Straße, in der er aufgewachsen war. Aber Iris fand Twinkle schöner, und wenn Francis nun auch von ihr gegangen war, glaubte sie doch nicht, dass er etwas gegen den Namen einzuwenden hätte.

Sie drückte die Vase in den Boden, damit sie fester stand, presste das Gras ringsum an und lehnte sich ein wenig nach hinten, um ihr Werk zu bewundern. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr – vielleicht der Friedhofsgärtner oder eine andere Trauernde, die einem Toten die Ehre erwies. Es war jetzt kurz vor acht, und der Friedhof Bayside war schließlich der einzige auf der ganzen Insel. Da durfte man nicht erwarten, ihn ganz für sich allein zu haben. Sie würde ein Gebet sprechen, dasjenige, das sie und Francis vor dem Zubettgehen immer gemeinsam aufgesagt hatten, und dann wieder zurück zum Grande Palms fahren. Um zehn fand dort eine Eigentümerversammlung statt, und sie hatte vor, ein paar überaus deutliche Worte zu sprechen, was den Zustand der Bepflanzung in der Nähe des Eingangsbereichs betraf.

Twinkle zog immer noch stark an der Leine, und jetzt kläffte er auch noch. Sie schalt ihn noch einmal. Ein solches Betragen sah ihm gar nicht ähnlich – normalerweise benahm sich der Pekinese relativ brav. Außer als diese furchtbare Russisch Blaue in 7B ihn einmal gejagt hatte. Während Iris sich aufrichtete und sich gedanklich auf ihr Gebet vorbereitete, nutzte Twinkle die Gelegenheit und rannte los, wodurch ihr die Leine aus der Hand glitt. Wie ein Irrer flitzte er über den feuchten Rasen, die Leine hinter sich herziehend und bellend.