Archilochos war so verwirrt, daß er sich hilflos auf den Bettrand niederließ und Chloé scheu betrachtete, doch wagte er nur hin und wieder hinzusehen. Auch war er müde, das pausenlose Glück hatte ihn nie zur Ruhe und nie zur Besinnung kommen lassen, so daß sein Schatten am zinnoberroten luftigen Vorhang des Himmelbetts ihm gegenüber immer mehr auf die schlafende Chloé sank. Doch bemerkte er mit einem Male, daß Chloé ihre Augen leicht geöffnet hatte, wohl schon lange, und ihn unter den langen Wimpern hindurch betrachtete.
«Oh«, sagte sie wie erwachend,»Arnolph. Hast du denn den Weg gut gefunden, durch die vielen Zimmer hindurch?»
«Chloé«, rief er aus, immer noch erschrocken,»du liegst im Bett Mrs. Weemans.»
«Das Bett gehört jetzt doch dir«, lachte sie und reckte sich.
«Du hast unsere Liebe Mr. und Mrs. Weeman gestanden, nicht wahr?»
Sie zögerte mit der Antwort.»Natürlich«, sagte sie dann.
«Worauf sie uns dieses Schlößchen schenkten.»
«Sie haben noch mehrere in England.»
«Ich weiß nicht«, sagte er,»ich kann das alles noch nicht recht realisieren. Ich wußte gar nicht, daß die Engländer so sozial aufgeschlossen sind und ihren Dienstmädchen einfach ein Schloß schenken.»
«Scheint dort Brauch zu sein in gewissen Familien«, erklärte Chloé.
Archilochos schüttelte den Kopf:»Generaldirektor der Atomkanonen- und der Geburtszangenabteilung bin ich auch geworden.»
«Ich weiß.»
«Mit einem Riesengehalt.»
«Um so besser.»
«Und auch Weltkirchenrat. Im Mai muß ich nach Sidney.»
«Das wird unsere Hochzeitsreise.»
«Nein«, sagte er,»das!«und zog die beiden Billette aus der Tasche. Wir fahren am Freitag nach Griechenland. Mit der >Julia<.»
Aber dann stutzte er.
«Wie weißt du denn das alles von meiner Karriere?«fragte er verwundert.
Sie richtete sich auf und war so schön, daß Archilochos die Augen niederschlug. Sie schien etwas sagen zu wollen, gab es jedoch mit einem Seufzer auf, nachdem sie Arnolph lange und nachdenklich betrachtet hatte, und sank wieder in die Kissen zurück.»Die ganze Stadt spricht davon«, sagte sie endlich mit merkwürdiger Stimme.
«Und morgen willst du mich heiraten«, stammelte er.
«Du mich nicht?»
Archilochos wagte immer noch nicht hinzuschauen, denn sie hatte nun auch die Decke abgeworfen. Überhaupt war es schwer, in diesem Schlafzimmer irgendwohin zu blicken, überall waren Bilder mit nackten Göttinnen und Göttern, was er der hageren Mrs. Weeman gar nicht zugetraut hatte.
«Diese Engländerinnen«, dachte er.»Zum Glück sind sie gut mit den Dienstmädchen, da kann man ihnen ihre Sinnenlust nachsehen«, und hätte sich am liebsten hingelegt, Chloé in den Arm genommen, um einfach zu schlafen, stundenlang, traumlos und tief im warmen Schein des Kamins.
«Chloé«, sagte er leise.»Alles was geschah, ist so verwirrend für mich und wohl auch für dich, daß ich mich manchmal kaum mehr spüre und denke, ich sei jemand anders und müßte in Wahrheit immer noch in meiner Mansarde sein, mit den Flecken an der Wand, und auch dich habe es nie gegeben. Es sei viel schwerer, das Glück zu ertragen als das Unglück, hat heute Bischof Moser gesagt, und manchmal glaube ich nun, er habe recht. Das Unglück ist nicht überraschend, sondern geschieht, weil es eben muß, aber das Glück geschieht aus Zufall, und so fürchte ich denn, es werde ebenso schnell zu Ende gehen mit unserem Glück, wie es anfing, und alles sei nur ein Spiel, das man mit dir und mir spiele, mit einem Dienstmädchen und einem Unterbuchhalter.»
«Du mußt über dies alles nun nicht nachdenken, Liebster«, sagte Chloé.»Den ganzen Tag habe ich auf dich gewartet, und nun bist du da. Und wie schön du bist. Willst du nicht den Mantel ausziehen? Er ist sicher von O'Neill-Papperer. «Doch wie er sich anschickte, ihn auszuziehen, erkannte er, daß er immer noch die Blumen in den Händen hielt.