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Es verging vielleicht eine halbe Stunde, während der alle auf der Corniche schweigend dastanden und beobachteten, in einer Erstarrung befangen, die erst nachließ, als die Flut gefroren und die Dämmerung vorbei war. Dann ertönten plötzlich wieder menschliche Stimmen und elektrische Musik aus einem Cafe weiter unten. Lachen klang auf. Maya ging in prickelnder Laune an die Bar und bestellte Champagner für den Tisch. Denn mit einemmal war ihre Stimmung im Einklang mit den Ereignissen; und sie war geneigt, den bizarren Anblick ihrer entfesselten Kräfte zu feiern, die sich draußen in der Gegend zu allgemeiner Besichtigung darboten. Sie brachte einen Trinkspruch für das ganze Cafe aus:

»Auf das Hellasmeer und alle Seeleute, die darauf fahren werden, Eisbergen und Stürmen trotzend, um die andere Küste zu erreichen!«

Alle stießen Hochrufe aus; und die Menschen längs der ganzen Corniche griffen es auf und jubelten auch in wilder Erregung. Die Zigeunerkapelle stimmte die Tangoversion eines Shantys an, und Maya fühlte, wie das kleine Lächeln die steife Haut ihrer Wangen für den ganzen Rest des Abends lockerte. Selbst eine lange Diskussion über die Möglichkeit einer neuen Flut, die den Schutzdeich von Odessa überspülen könnte, konnte das Lächeln nicht von ihrem Gesicht verscheuchen. Unten im Büro hatten sie die Möglichkeiten wirklich sehr genau berechnet, und jedes Überschwappen, wie sie es nannten, war unwahrscheinlich oder sogar unmöglich. Odessa würde nichts passieren.

Aber aus der Ferne kamen Nachrichten, die sie erschütterten. Auf der Erde hatten die Kriege in Nigeria und Azania einen schweren weltweiten Konflikt zwischen Armscor und Subarashii ausgelöst. Christliche, islamische und hinduistische Fundamentalisten sahen sich gezwungen, die Langlebigkeitsbehandlung für ein Werk Satans zu erklären. Viele Nichtbehandelte traten diesen Bewegungen bei, übernahmen lokale Regierungen und führten direkte Massenangriffe gegen die metanationalen Maßnahmen in ihrem Bereich durch. Inzwischen versuchten alle großen Metanationalen, die UN wieder zum Leben zu erwecken und als Alternative zum Weltgerichtshof zu propagieren. Viele der größten metanationalen Klienten und jetzt auch die Elfergruppe machten dabei mit. Michel hielt das für einen Sieg, da es wieder die Angst vor dem Weltgerichtshof anzeigte. Und er sagte, jede Stärkung einer internationalen Körperschaft wie der UN wäre besser als nichts. Aber jetzt waren zwei konkurrierende Schlichtungssyteme in Kraft, von denen das eine durch die Metanationalen kontrolliert wurde, was es leichter machte, demjenigen zu entgehen, das einem nicht gefiel.

Und auf dem Mars standen die Dinge nicht viel besser. Die UNTA-Polizei trieb sich im Süden herum, ungehindert, außer durch gelegentliche überraschende Explosionen bei ihren Robotfahrzeugen; und Prometheus war das letzte versteckte Sanktuarium, das entdeckt und geschlossen worden war. Von all den großen Verstecken blieb nur Vishniac verborgen. Dort hatte man sich schlafend gestellt, um so durchzuhalten. Das Südpolgebiet war nicht mehr ein Teil des Untergrunds.

In dieser Lage war es nicht überraschend, wie erschreckt manchmal die Leute waren, die zu den Versammlungen kamen. Es gehörte Mut dazu, bei einem Untergrund mitzumachen, der sichtlich schrumpfte wie die Minus-Eins-Insel. Maya nahm an, daß die Menschen durch Ärger, Empörung und Hoffnung dazu getrieben wurden. Aber sie hatten auch Angst. Es gab keine Gewißheit, daß diese Bewegung etwas würde ausrichten können.

Und es wäre leicht, einen Spion in diese neu Hinzukommenden einzuschleusen. Maya fand es manchmal schwer, ihnen zu vertrauen. Konnten sie alle das sein, was sie zu sein vorgaben? Es war einfach unmöglich, dessen sicher zu sein. Eines Abends begegnete sie einem jungen Mann, dessen Aussehen ihr nicht gefiel; und nach dem Meeting, das ohne Höhepunkte verlief, war sie mit Spencers Freunden gleich ins Apartment gegangen und hatte Michel davon erzählt. Der sagte: »Mach dir keine Sorge!«

»Was meinst du damit, keine Sorge?«

Er zuckte die Achseln. »Die Mitglieder beobachten sich gegenseitig ständig. Sie bemühen sich darum, alle miteinander bekannt zu sein. Und Spencers Team ist bewaffnet.«

»Das hast du mir nie gesagt.«

»Ich dachte, du wüßtest es.«

»Mach schon! Du kannst mich nicht für dumm verkaufen.«

»Das tue ich nicht, Maya. Jedenfalls ist das alles, was wir tun können, falls wir uns nicht völlig verstecken.«

»Das schlage ich nicht vor. Hältst du mich etwa für feige?«

Michel machte ein saures Gesicht und sagte etwas auf französisch. Dann holte er tief Luft und schleuderte ihr einen seiner französischen Flüche entgegen. Maya bemerkte aber, daß er das vorsätzlich tat. Er war zu der Ansicht gekommen, daß die Streitigkeiten für sie gut wären und kathartisch für ihn, so daß man sie, falls unvermeidlich, als eine Art therapeutischer Methode fortsetzen könnte. Das war für Maya unerträglich. Ohne weiter zu überlegen, ging sie in die Küche, nahm einen kupfernen Topf und schwang ihn gegen ihn. Er war so überrascht, daß es ihm kaum gelang, ihn wegzustoßen.

Er brüllte: »Putaine! Pourquoi ce ga? Pourquoi?«

»Ich will nicht gönnerhaft behandelt werden«, sagte sie, darüber befriedigt, daß er jetzt richtig wütend war, aber auch selbst rasend. »Du verdammter Seelenklempner, wenn du in deinem Job nicht so schlecht wärst, hätten die Ersten Hundert nicht so durchgedreht, und diese Welt wäre nicht so im Eimer. Das ist alles deine Schuld.« Und sie schlug die Tür zu und ging ins Cafe, um darüber zu brüten, wie schrecklich es war, einen Schrumpfkopf als Partner zu haben, aber auch über ihr häßliches Benehmen, daß sie so schnell die Beherrschung verloren hatte und ihn angegriffen hatte. Diesmal kam er nicht herunter, um ihr Gesellschaft zu leisten, obwohl sie bis zum Ladenschluß dort sitzen blieb.

Und dann, kurz nachdem sie heimgekommen war, sich auf die Couch gelegt hatte und eingeschlafen war, klopfte es an der Tür schnell und zart auf eine sofort erschreckende Weise. Michel rannte hin und sah durch das Guckloch. Es war Marina.

Marina setzte sich gewichtig neben Maya auf die Couch und sagte, während sie zitternd ihre Hände hielt: »Sie haben Sabishii erobert. Sicherheitstruppen. Hiroko und ihr ganzer innerer Kreis waren da zu Besuch und auch alle aus dem Süden, die seit Beginn der Überfälle hergekommen waren. Und auch Cojote. Sie alle waren dort. Auch Nanao, Etsu und alle Issei… «

»Haben sie sich nicht gewehrt?« fragte Maya.

»Sie haben es versucht. Am Bahnhof wurden etliche Leute getötet. Das hat sie gehemmt; und ich denke, daß einige in das Labyrinth der Moholehalde gelangt sind. Aber sie haben das ganze Gebiet abgesperrt und sind durch die Kuppelwände eingedrungen. Es war genau wie einundsechzig in Cairo. Das schwöre ich.«