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»Du hast es nicht versucht?« fragte Maya.

Cojote starrte sie an. »Wir haben es im Computer ausprobiert. Es funktioniert prima. Wenn wir die Anfangsbedingungen von zyklonischen Winden mit einhundertfünfzig Kilometern in der Stunde über Lunae bekommen, wirst du sehen.«

»Sie müssen in Kasei über diese katabatischen Winde Bescheid wissen«, erklärte Randolph.

»Aber ja. Nur welche Winde nach ihren Berechnungen einmal in tausend Jahren auftreten, glaube ich, können wir jederzeit erzeugen, wenn die Anfangsbedingungen Spitze sind.«

»Guerilla-Klimatologie«, sagte Randolph mit Stielaugen. »Wie nennst du das? Klimatage? Angriffsmeteorologie?«

Cojote tat, als ob er ihn nicht hörte, obwohl Michel ein kurzes Grinsen zwischen seinen Haarsträhnen bemerkte.

Aber dieses System konnte nur bei den richtigen Anfangsbedingungen funktionieren. Man konnte weiter nichts tun als dazusitzen und zu warten und hoffen, daß sie sich entwickelten.

Während dieser langen Stunden hatte Michel den Eindruck, daß Cojote sich durch seinen Bildschirm hindurch in den Himmel schleudern mochte. »Los!« drängelte der drahtige kleine Mann mit halber Stimme, die Nase gegen das Glas gepreßt. »Stoß zu, stoß zu! Komm über den Berg, du verdammter Wind! Pack zu und dreh dich zu einer dichten Spirale! Mach schon!«

Er ging durch den verdunkelten Wagen, während die anderen zu schlafen suchten, und murmelte: »Schau, ja schau!« und zeigte auf Merkmale auf Satellitenfotos, die keiner der anderen sehen konnte. Er saß da und brütete über meteorologische Daten, kaute Brot und fluchte. Er pfiff wie ein Wind. Michel lag auf der benachbarten Pritsche, den Kopf in die Hand gestützt, und sah fasziniert zu, wie der wilde Mann durch den düsteren Wagen schlich, eine kleine, im Schatten liegende, eigenbrötlerische schamanenhafte Gestalt. Und der bärenhafte Brocken ihres Gefangenen hatte ein Auge offen und war ebenso wach, um diese nächtliche Szene zu erleben. Er rieb sich mit hörbarem Kratzen sein struppiges Kinn und schaute zu Michel, als das Flüstern weiter ging: »Los, verdammt, mach schon … Puste wie ein Oktoberorkan!«

Schließlich, am Ende des zweiten Tages ihres Wartens, stand Cojote auf und reckte sich wie eine Katze. »Es ist soweit. Die Winde sind da.«

Während des langen Wartens waren einige Rote von Mareotis gekommen, um bei der Befreiung zu helfen; und Cojote hatte einen Angriffsplan mit ihnen ausgearbeitet, der auf Informationen beruhte, die Spencer geschickt hatte. Sie würden sich teilen und aus verschiedenen Richtungen auf die Stadt losgehen. Michel und Maya sollten einen Wagen auf das zerklüftete Terrain des äußeren Ufers fahren, wo sie sich am Fuß einer kleinen Mesa mit Sicht auf die Kuppeln der äußeren Bank verbergen konnten. Eine dieser Kuppeln barg eine medizinische Klinik, wo Sax während einiger Zeit festgehalten wurde — laut Spencer ein Ort mit angenehm geringer Sicherheitsstufe, wenigstens im Vergleich mit dem Gefängniskomplex der inneren Bank, wo Sax zwischen Sitzungen in der Klinik steckte. Sein Stundenplan war schwankend; und Spencer konnte nicht sicher sein, an welcher Stelle Sax sich zu einer bestimmten Zeit befinden würde. Als also der Wind kam, sollten Michel und Maya in die Kuppel der äußeren Bank eindringen und Spencer treffen, der bereit sein würde, sie zur Klinik zu führen. Der größere Wagen mit Cojote, Kasei, Nirgal und Art Randolph sollte auf der inneren Bank mit einigen Roten zusammentreffen. Andere Wagen der Roten würden ihr Bestes tun, damit der Angriff wie eine Attacke großen Stils aus verschiedenen Richtungen, besonders dem Osten, aussah. »Wir werden die Rettung schaffen«, sagte Cojote und machte ein finsteres Gesicht vor seinen Schirmen. »Der Wind wird den Angriff machen.«

Also saßen am nächsten Morgen Maya und Michel in ihrem Wagen und warten auf den Wind. Sie konnten hinab über die äußere Bank bis zu dem gebogenen Grat blicken. Während des Tages konnten sie in die grünen Blasenwelten schauen unter den Kuppeln der äußeren Bank und dem Grat — kleine Terrarien, die den roten sandigen Streifen des Tals unter sich hatten und durch klare Verbindungsröhren und einige gewölbte Brückenrohre verbunden waren. Es sah aus wie Burroughs vor vierzig Jahren, erstes Teilstück einer Stadt, die einst ein großes wüstes Trockental ausfüllen sollte.

Michel und Maya schliefen, aßen, saßen da und beobachteten. Maya marschierte im Wagen auf und ab. Sie war jeden Tag nervöser geworden und trabte jetzt wie eine Tigerin im Käfig, die das Blut einer Mahlzeit gerochen hat. Statische Elektrizität sprang von ihren Fingerspitzen, als sie Michels Nacken streichelte, so daß ihre Berührung schmerzte. Es war unmöglich, sie zu beruhigen. Michel stand hinter ihr, wenn sie im Fahrersitz Platz genommen hatte, und massierte ihr Schultern und Nacken, wie sie es bei ihm getan hatte. Aber es war, als wollte man Holzklötze kneten, und er spürte, wie seine Arme bei der Berührung steif wurden.

Ihre Gespräche waren unzusammenhängend und planlos, in freien Assoziationssprüngen. Am Nachmittag merkten sie, daß sie eine Stunde lang über die Tage in Underhill gesprochen hatten — über Sax, Hiroko und sogar Frank und John.

»Erinnerst du dich, wie eine der überwölbten Kammern zusammenbrach?«

»Nein«, sagte Maya ärgerlich. »Das tue ich nicht. Erinnerst du dich an die Zeit, da Ann und Sax einen großen Streit über das Terraformen gehabt haben?«

»Nein«, sagte Michel seufzend. »Das kann ich nicht sagen.«

Sie konnten so lange Zeit vor- und zurückgehen, bis es schien, als ob sie in völlig verschiedenen Underhills gelebt hätten. Wenn sie sich beide an ein Ereignis erinnerten, war das ein Grund zum Jubeln. Bei allen Ersten Hundert wurden die Erinnerungen lückenhaft, wie Michel bemerkt hatte; und ihm schien, daß die meisten sich besser an ihre Kindheit auf der Erde erinnerten als ihre ersten Jahre auf dem Mars. Nun ja, sie erinnerten sich an ihre eigenen größten Vorkommnisse und den allgemeinen Verlauf der Story. Aber die kleinen Ereignisse, die einem irgendwie in den Sinn kamen, waren für jeden verschieden. Das Versiegen und Wiederauftauchen von Erinnerungen warfen allmählich große klinische und theoretische Probleme in der Psychologie auf, verschlimmert durch die vorher nie dagewesene Langlebigkeit, die jetzt erreicht war. Michel hatte ab und zu etwas in der Literatur darüber gelesen, und obwohl er längst die klinisch-therapeutische Praxis aufgegeben hatte, stellte er seinen alten Kameraden immer noch Fragen wie eine Art von informellem Experiment, wie jetzt mit Maya. »Erinnerst du dich an dies, erinnerst du dich an das? Nein, nein, nein. An was erinnerst du dich denn?«

Die Art, wie Nadia uns herumgeschubst hat, sagte Maya, und er mußte lächeln. Die Art, wie sich die Bambusfußböden anfühlten. Und erinnerst du dich daran, wie sie über die Alchemisten schimpfte? Warum nicht? sagte sie. So ging es immer weiter, bis es schien, als ob die privaten Underhills, in denen sie gelebt hatten, getrennte Universen gewesen wären, Riemannsche Räume, die sich nur in der Ebene der Unendlichkeit schnitten, während jeder von ihnen derweilen in dem langen Bereich seines oder ihres Idiokosmos dahinwanderte.

Schließlich sagte Maya finster: »Ich erinnere mich kaum an etwas davon. Ich schaffe es kaum noch, an John zu denken. Und auch an Frank. Ich versuche es gar nicht mehr. Und dann wird irgend etwas irgendwie ausgelöst, und ich bin für alles andere verloren, während ich daran denke. Erinnerungen dieser Art sind so stark, als ob das, an was man sich erinnert, erst vor einer Stunde passiert wäre! Oder als ob es sich wiederholen würde.« Sie erschauderte unter seinen Händen. »Ich hasse das. Weißt du, was ich meine?«