Und so brachte ihre Evolution das kleine rote Volk hervor. Seine Angehörigen sind wie wir oder sehen uns irgendwie ähnlich, wenn wir sie erblicken. Aber das Hegt daran, weil wir sie immer nur im Augenwinkel sehen. Wenn man ein Exemplar deutlich sieht, wird man erkennen, daß es wie ein ganz kleiner stehender Salamander aussieht, dunkelrot, obwohl die Haut offenbar einige Chamäleoneigenschaften besitzt und sie gewöhnlich die gleiche Farbe haben wie die Steine, zwischen denen sie stehen. Wenn man wirklich deutlich hinsieht, merkt man, daß die Haut Tafelflechten ähnelt, vermischt mit Sandkörnern, und die Augen sind Rubine. Das istfaszinierend; aber man soll sich nicht zu sehr aufregen, weil man in Wahrheit nie dazu kommt, eines so deutlich zu sehen. Das ist einfach zu schwierig. Wenn sie stillhalten, können wir sie überhaupt nicht sehen. Wir würden sie gar nicht sehen, außer einige von ihnen, die, wenn sie in Stimmung sind, so sehr darauf vertrauen, einfrieren und verschwinden zu können, daß sie am Rande des Gesichtsfeldes herumspringen, bloß um einen zu verblüffen. Man sieht das zwar; aber dann hören sie auf, sich zu bewegen, sobald man das Auge auf sie richtet, und man kann sie nie wiederfinden.
Sie leben überall, auch in allen unseren Räumen. Gewöhnlich gibt es ein paar in jedem Staubhaufen in den Ecken. Und wer kann von sich behaupten, keinen Staub in den Zimmerecken zu haben? Und wenn wir zu putzen anfingen, wäre es für sie eine Katastrophe. Die halten uns für verrückte Idioten, die ab und zu Wutanfälle bekommen.
Ja, es stimmt, daß John Boone der erste Mensch war, der die kleinen roten Leute gesehen hat. Was hätte man anderes erwarten sollen? Er hat sie binnen Stunden nach seiner Landung gesehen. Später lernte er, sie zu sehen, selbst wenn sie sich still verhielten. Dann fing er an, zu jenen zu sprechen, die er in seinen Räumen bemerkte, bis sie schließlich durchdrehten und antworteten. John und sie lehrten sich gegenseitig ihre Sprachen; und man kann immer noch hören, daß die kleinen roten Leute allerlei Ausdrücke von Boone in ihrem Englisch benutzen. Schließlich reiste eine ganze Schar von ihnen mit Boone überall hin. Das gefiel ihnen. Und John war keine besonders reinliche Person. Darum hatten sie ihre Stellen, wo sie sicher waren. Ja, in Nicosia gab es einige hundert von ihnen in der Nacht, da er getötet wurde. Sie haben die Araber später erwischt. Eine ganze Armee der Kleinen war hinter ihnen her. Schrecklich.
Jedenfalls waren sie Freunde von John Boone, und sie waren ebenso traurig wie die übrigen, als er getötet wurde. Es hat seither keinen Menschen gegeben, der ihre Sprache gelernt hat oder sie so gut kennenlernen konnte. Ja, John war auch der erste, der Geschichten über sie erzählt hat. Vieles von dem, was wir wissen, stammt von ihm wegen dieser besonderen Beziehung. Man sagt auch, daß übermäßiger Genuß von Omegendorph bewirkt, daß man schwache rote Punkte am Rande des Gesichtsfeldes- herumkriechen sieht. Aber warum fragt ihr?
Jedenfalls lebt seit Johns Tode das kleine rote Volk mit uns und demütigt uns. Es beobachtet uns mit seinen Rubinaugen und versucht herauszufinden, wie wir sind und warum wir was tun. Und wie sie mit uns handeln und bekommen können, was sie wollen: mit welchen Leuten sie reden und Freunde sein können, wer sie nicht alle paar Monate oder Wochen hinausfegt oder den Planeten ruinieren wird. Ganze Karawanenstädte tragen das kleine Volk mit uns herum. Und sie werden bereit, wieder zu uns zu sprechen. Sie stellen sich vor, mit wem sie reden sollten. Sie fragen sich, wer von diesen gigantischen Idioten von Ka weiß.
Ja, das ist ihr Name für Mars. Sie nennen ihn Ka. Den Arabern gefällt das, weil das arabische Wort für Mars Qahira ist; und den Japanern gefallt es auch, weil ihr Name dafür Kasei ist. Es haben aber wirklich auf der Erde viele Namen für den Mars irgendwo den Laut ka in sich; und viele kleine rote Dialekte haben ihn als m’kah, was einen Laut hinzufügt, den es in vielen irdischen Namen auch für ihn gibt. Es ist möglich, daß das kleine rote Volk in früheren Zeiten ein Raumfahrtprogramm hatte und einige von ihnen zur Erde gekommen sind, wo sie unsere Feen, Elfen und kleinen Leute ganz allgemein wurden; und daß sie um jene Zeit einigen Menschen erzählt haben, woher sie kamen, und uns den Namen mitgeteilt haben. Andererseits könnte es sein, daß der Planet selbst auf irgendeine hypnotische Art, die alle Beobachter beeinflußt, den Namen suggeriert, ob diese direkt auf ihm stehen oder ihn als roten Stern am Himmel erblicken. Ich weiß nicht — vielleicht liegt es an der Farbe. Ka.
Und so beobachtet uns der Ka, und sie fragen: Wer kennt Ka? Wer verbringt Zeit mit Ka und lernt Ka kennen und liebt es, Ka zu berühren, und geht auf Ka umher und läßt Ka in sich einströmen und rührt den Staub in seinen Räumen nicht mehr an? Das werden die Menschen sein, zu denen wir sprechen werden, sagen sie. Bald werden wir uns ihnen vorstellen, sagen sie, so vielen von euch, die uns wie Ka zu sein scheinen. Und wenn wir das tun, solltet ihr besser bereit sein. Wir werden einen Plan machen. Es wird dann Zeit sein, alles aufzugeben und auf den Straßen direkt in eine neue Welt zu marschieren. Es wird an der Zeit sein, Ka zu befreien.
Sie fuhren schweigend nach Süden. Der Wagen hüpfte unter den Windstößen. Stunde folgte auf Stunde; und es kam kein Wort von Michel und Maya. Sie hatten komprimierte Funksignale vereinbart, die dem durch Blitze verursachten Rauschen sehr ähnlich klangen — eines für Erfolg und eines für Mißlingen. Aber das Radio zischte nur einmal, über dem brausenden Wind kaum hörbar. Nirgal bekam immer mehr Angst, je länger er wartete. Es schien, daß ein Unheil ihre Gefährten auf der äußeren Bank befallen hatte. Und angesichts dessen, wie extrem ihre eigene Nacht gewesen war — das verzweifelte Kriechen durch die heulende Finsternis, die herumsausenden Trümmer, das wilde Schießen in den zerfetzten Kuppeln —, waren die Möglichkeiten sehr schlecht. Der ganze Plan sah jetzt verrückt aus, und Nirgal wunderte sich über Cojotes Entschluß. Der studierte den Bildschirm seines KI, murmelte vor sich hin und rückte mit seinen verletzten Schienbeinen hin und her … Natürlich hatten die anderen den Plan gebilligt, wie auch Nirgal; und Maya und Spencer hatten bei seiner Formulierung geholfen, zusammen mit den Roten aus Mareotis. Und niemand hatte erwartet, daß der katabatische Orkan so streng sein würde. Aber Cojote war der Anführer gewesen. Da gab es keinen Zweifel. Und jetzt sah er so verwirrt aus, wie Nirgal ihn nie gesehen hatte, ärgerlich, bekümmert und erschrocken.
Dann krächzte das Radio, als gerade ein paar Blitze in der Nähe eingeschlagen hatten, und die Entzifferung der Meldung erfolgte sofort. Erfolg. Sie hatten Sax auf der äußeren Bank gefunden und herausgeschafft.
Die Stimmung im Wagen sprang von Trübsal auf Begeisterung, wie von einer Schleuder gestoßen. Sie brüllten zusammenhanglos, lachten und umarmten einander. Nirgal und Kasei wischten sich Tränen der Freude und Erleichterung aus den Augen, und Art, der während des Überfalls im Wagen geblieben war und es dann auf sich genommen hatte, umherzufahren und sie aus dem schwarzen Wind aufzulesen, klopfte sie so auf den Rücken, daß er sie durch das ganze Abteil stieß, und brüllte: »Gute Arbeit! Gute Arbeit!«