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Was den Läufer allerdings nicht daran hinderte, das Flugzeugwrack mit seinen gewaltigen Greifern methodisch in Stücke zu zerreißen, die eines nach dem anderen in seinem Maul verschwanden. Für einen Moment bildete sie sich sogar ein, mahlende Zähne darin zu erkennen - aber das konnte ja wohl nicht sein.

»Er frißt es auf!« stammelte Phillipsen. »Er ... er frißt das Flugzeug!«

Charity hörte den alarmierenden Unterton in seiner Stimme und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. »Das ist eine Maschine, Phillipsen«, sagte sie ruhig. »Nur eine Maschine.«

Phillipsen starrte sie an. Seine Augen waren weit vor Furcht, und sie sah das unheimliche Funkeln darin und begriff, daß der Junge kurz davor stand, einfach auszurasten. Phillipsen war alles andere als ein Feigling; wäre er das, hätte Hartmann ihn kaum abkommandiert. Aber der Anblick dieses Monsters war einfach mehr, als er verkraften konnte. Es war nicht die Gefahr, die von ihm ausging. Es war einfach die Tatsache, daß es so etwas wie dieses unmögliche Ding gab.

»Es ist nur eine Maschine«, sagte sie noch einmal. Aber sie mußte all ihre Kraft aufbieten, um diese Worte auch nur halbwegs überzeugend klingen zu lassen. Auch sie selbst hatte das Gefühl, ganz langsam, aber unerbittlich, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Großer Gott, dieses Ding war größer als ein Flugzeugträger!

Phillipsen beruhigte sich allmählich. Das Flackern in seinem Blick blieb, aber es sank zu einer nicht mehr ganz so gefährlichen Intensität herab, und auch seine Hände hörten allmählich auf zu zittern.

»Es ist nur eine Maschine«, sagte sie zum dritten Mal. »Sie tut uns nichts. Wahrscheinlich sind wir viel zu klein, als daß sie uns überhaupt registriert.«

Skudder kam auf Knien und Ellbogen kriechend neben ihr an, blickte einen Moment lang wortlos zum Flugzeugwrack hinüber und schaufelte sich dann eine Handvoll Schnee ins Gesicht, um das Blut abzuwaschen. Charity sah jetzt, daß die Schramme auf seiner Stirn wirklich nur eine Schramme war.

Nach einer Weile gesellten sich auch die beiden anderen zu ihnen. Schweigend sahen sie zu, wie der Läufer das Flugzeugwrack fast behäbig in Stücke schnitt und riß und die Trümmer verzehrte. Charity benutzte tatsächlich in Gedanken dieses Wort. Es gelang ihr nicht, einen anderen Ausdruck zu finden.

»Ich möchte wissen, was er da tut«, murmelte Faller.

Skudder lachte leise. »Warum gehst du nicht hin und fragst ihn?« Er hob sein Gewehr, schaltete die Zieloptik ein und blickte gebannt einige Sekunden lang zu dem silbernen Koloß hinauf. Dann setzte er die Waffe ab, reichte sie Charity und deutete auf eine Stelle schräg über dem ›Maul‹ des Käfers. »Zwischen den beiden Kuppeln«, sagte er. »Siehst du die kleine, dreieckige Öffnung?«

Charity brauchte einen Augenblick, um sich an den veränderten Blickwinkel der Zieloptik zu gewöhnen. Dann sah sie, was Skudder entdeckt hatte: vielleicht zehn, fünfzehn Meter über dem schnappenden Maul des Riesenkäfers befand sich eine Art Tor von vage dreieckiger Form, in dem sich vier oder fünf winzige, sechsgliedrige Gestalten bewegten. Ameisen.

»Was um Gottes willen ist das?« murmelte sie, nachdem sie das Gewehr wieder abgesetzt und Skudder zurückgegeben hatte.

»Vielleicht einer der Wachroboter, von denen Stone gesprochen hat?« fragte Faller. Seine Stimme klang nicht sehr überzeugt. Und Skudder schüttelte auch sofort den Kopf.

»Unmöglich. Ein solcher Riese ergibt überhaupt keinen Sinn. Nicht als Kampfmaschine.«

Wieder schwiegen sie eine ganze Weile, während der Läufer ohne eine Spur von Hast auch noch den Rest des Flugzeugwracks aufsammelte. Er ging sehr sorgfältig dabei vor. Selbst das glühende Triebwerk verschwand in seinem Maul.

Mit angehaltenem Atem warteten sie darauf, daß sich der Koloß wieder umwandte und ging, aber das geschah nicht. Statt dessen hoben sich die riesigen Greifer plötzlich wieder, und an ihrer Stelle glitt etwas aus dem unteren Teil der Maschine heraus, was Charity an einen gewaltigen Stachel erinnerte - und es auch war. Mit einem ungeheuren Krachen bohrte sich der stählerne Dorn in den Boden und glitt knirschend durch Erdreich und Fels. Der Boden begann zu zittern.

»Was um alles in der Welt tut er jetzt wieder?« murmelte Skudder. »Hoffentlich legt er keine Eier oder so was.« Er versuchte vergeblich, den Worten durch ein Lachen etwas von ihrem düsteren Klang zu nehmen. Charity sah aus den Augenwinkeln, wie Phillipsen leicht zusammenfuhr und noch ein bißchen blasser wurde, und für die Dauer eines Herzschlages mußte auch sie sich gegen die absurde Vorstellung wehren, plötzlich Dutzende von kleineren Ausgaben dieser stählernen Absurdität aus dem Boden hervorbrechen und über sich und die anderen herfallen zu sehen.

»Ich glaube, ich ... weiß, was es ist«, sagte sie plötzlich.

Skudder und die drei anderen sahen sie verblüfft an, aber sie antwortete nicht auf ihre fragenden Gesichter, sondern wandte sich mit einer plötzlich nervösen Geste direkt an Skudder.

»Du hast so ein Ding schon einmal gesehen«, sagte sie aufgeregt. »Erinnere dich genau, Skudder! Was hat es getan?«

»Getan?« Skudder schien mit dieser Frage im ersten Moment nichts anfangen zu können. »Ich verstehe nicht genau ... Es hat nichts getan. Es lief einfach durch die Gegend und hat alles zerstört.«

»Wie das Flugzeug?«

»Sicher. Autos, Flugzeuge, ganze Hallen...« Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »Du ... du meinst, es ist so eine Art Schrottsammler?«

»Wahrscheinlich«, sagte Charity. »Ich vermute, es sammelt Metall. Deshalb hat es auch auf unser Flugzeug reagiert. Das Ding wollte uns nicht angreifen. Es wollte nur das Metall haben.«

»Das ist doch Irrsinn«, murmelte Faller.

Charity ignorierte ihn. Sie hatte schon vor langer Zeit begriffen, daß über die Logik der Invasoren von Moron nachzudenken der beste Weg war, den Verstand zu verlieren. »Und wenn das so ist«, fuhr sie unbeeindruckt fort, »dann ist dieses Ding vielleicht unsere Eintrittskarte nach New York.«

Selbst Skudder wurde blaß. »Wie bitte?« keuchte er.

Charity deutete nach Norden. »Er ist von dort gekommen, oder?«

»Sie ... Sie wollen doch nicht an ... an Bord dieses Dinges gehen?« flüsterte Leßter.

»Haben Sie eine bessere Idee?« fragte Charity. »Wir können nicht hierblieben. Von allem anderen einmal abgesehen - unsere Ausrüstung hat das Ding da gerade gefrühstückt. Selbst wenn uns die Wachroboter nicht erwischen, erfrieren wir hier in ein paar Stunden. Wir können uns irgendwo da drinnen verstecken. Das Ding ist wirklich groß genug.«

»Sie sind ja verrückt!« entfuhr es Phillipsen.

Charity grinste. »Sicher. Das ist Bedingung, um diesen Job zu bekommen.« Übergangslos wurde sie wieder ernst. »Wir können nicht hierbleiben.«

»Wir haben keine Garantie, daß das Ding wirklich nach New York geht«, sagte Skudder ernst. »Es kann monatelang durch die Gegend laufen.«

»Aber es geht irgendwohin«, antwortete Charity. »Willst du hierblieben, bis sie dich erwischen oder du erfroren bist?«

Skudder antwortete nicht mehr, und nach einer Weile nahm Charity das Gewehr wieder in die Hand und blickte erneut zu den Ameisen über dem Maul des Läufers hinauf. Von den fünf oder sechs Gestalten waren nur noch zwei zu sehen, und auch diese wandten sich plötzlich um und verschwanden im Inneren der zyklopischen Maschine. Fast in der gleichen Sekunde begann sich der gewaltige Stachel wieder aus dem Boden zu lösen. Ein unheimliches Dröhnen und Knirschen drang aus dem Rumpf des Läufers, als sich die vorderen Beinpaare wieder streckten und die Maschine in die Waagerechte zurückkippte.

»Jetzt!« befahl Charity.

Sie alle - nicht nur Phillipsen - zögerten einen Moment, aber offensichtlich hatten sie auch alle eingesehen, daß Charity recht hatte: Wenn sie hierblieben, erwartete sie nichts als ein sicherer, aber wahrscheinlich alles andere als schneller Tod.