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»Das hast du sogar mehrmals gesagt«, antwortete Charity. »Aber wenn man etwas dauernd wiederholt, wird es dadurch nicht wahrer, weißt du?« Sie schob Skudders rechten Fuß aus ihrem Gesicht und versuchte sich in die Höhe zu stemmen, ließ es aber sofort wieder bleiben, als Faller ein schmerzhaftes Keuchen ausstieß. Skudder und sie waren so unglücklich über ihn gestürzt, daß sie den armen Kerl regelrecht an den Boden des Schneemobils nagelten.

»Alles in Ordnung da hinten?« drang die Stimme des Fahrers aus dem Cockpit.

»Klar!« brüllte Skudder zurück. »Uns geht es blendend! Wir sind kein bißchen tot.«

»Alles okay«, sagte Charity.

»Ich glaube, es ist niemand verletzt.«

»Umpf«, fügte Faller hinzu. Mehr konnte er nicht sagen, denn er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, und Skudders ganzes Körpergewicht drückte ihn gegen die geriffelten Metallplatten.

»Ich bin nicht sicher, wem ich im Moment lieber den Hals herumdrehen würde«, knurrte Skudder, »Stone oder dir. Auf einen so plumpen Trick hereinzufallen!«

»Laß den Quatsch und steh lieber auf«, antwortete Charity. Sie verdrehte sich den Hals, um dem Hopi-Indianer einen mißmutigen Blick zuzuwerfen. »Und wenn möglich, ohne einen von uns dabei umzubringen.«

Skudder wäre nicht Skudder gewesen, hätte er darauf nicht mit einer weiteren ärgerlichen Bemerkung geantwortet. Trotzdem tat er, was sie verlangte, und wälzte sich vorsichtig zur Seite, bis er mit der ausgestreckten Hand etwas ergreifen und sich daran in die Höhe ziehen konnte. Einen Augenblick später half er auch Charity auf die Füße.

Keuchend und mit schmerzverzerrtem Gesicht stemmte sich auch Faller in die Höhe, stand einen Moment schwankend da und ließ sich dann mit einem dumpfen Stöhnen auf eine der schmalen Sitzbänke fallen, um den Kopf zwischen den Händen zu verbergen. Er war sehr blaß.

»Haben Sie sich verletzt?« fragte Charity besorgt.

Faller schüttelte den Kopf - was er sichtlich besser nicht getan hätte, denn sein Gesicht verlor noch mehr Farbe, und er stöhnte erneut. Trotzdem murmelte er: »Nein. Ich ... glaube jedenfalls nicht. Aber mein Schädel dröhnt, als hätte ein ganzer Indianerstamm seinen Kriegstanz darauf abgehalten.«

»So falsch liegen Sie damit gar nicht«, antwortete Charity und grinste Skudder schief an. Dann wandte sie sich um und ging ins Cockpit des Schneemobils, wobei sie die Arme weit ausstreckte, um auf dem wankenden Boden das Gleichgewicht zu halten.

Leßter und Phillipsen saßen nebeneinander hinter den Kontrollen des Mehrzweckfahrzeuges. Keiner von ihnen blickte auch nur auf, als sie die winzige Kabine betrat. Leßter umklammerte mit beiden Händen den Steuerknüppel und jagte das Schneemobil mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch ein schmales Tal aus Eis und trügerisch eben aussehenden Schneeflächen, unter denen sich alles Mögliche verbergen konnte, während Phillipsen mit gebanntem Gesichtsausdruck auf das Sammelsurium von Instrumenten und Minidisplays starrte, das das halbrunde Pult vor ihm bedeckte.

»Alles in Ordnung?« fragte Charity.

»Bis jetzt ja«, knurrte Phillipsen. »Wenn sie uns nicht verfolgen, sind wir in zwei Minuten außer Schußweite. Wenn die Kiste das so lange aushält.«

»Wird sie«, warf Leßter ein und gab noch mehr Gas. Unter den wirbelnden Ketten stoben zehn Meter hohe Schneefontänen in die Höhe, und die Wände des Eiskanals schienen ihnen regelrecht entgegenzuspringen. Charity suchte instinktiv mit der Hand an der Rückenlehne des Pilotensitzes Halt.

»Wo zum Teufel haben Sie so fahren gelernt?« fragte sie. »Auf der Geisterbahn?«

»Überhaupt nicht«, antwortete Leßter in einem Ton, der es ihr unmöglich machte zu entscheiden, ob er das ernst meinte oder nicht. »Ich bin begeisterter Video-Spieler. Das übt ungemein. Die Kiste hier zu fahren, ist nichts gegen eine Runde INTERCEPTOR oder RETALIATOR. Sie sollten es mal versuchen.«

Charity verdrehte mit einem lautlosen Seufzen die Augen und beschloß das einzige zu tun, was ihr im Moment sinnvoll erschien: dieses unfruchtbare Gespräch zu beenden und in den hinteren Teil des Fahrzeuges zurückzugehen. Skudder stand breitbeinig über Faller gebeugt da und tastete mit spitzen Fingern dessen Kopf und die Schläfen ab.

»Alles in Ordnung?« fragte sie.

Skudder nickte und richtete sich auf. »Ich möchte im Moment nicht mit ihm tauschen, aber ich glaube nicht, daß er verletzt ist. Wie sieht es vorne aus?«

Charity zuckte unglücklich mit den Schultern. »Ich denke, wir werden es schaffen.«

Als hätte Leßter diese Worte gehört und reagiere darauf, machte das Fahrzeug in diesem Moment einen Satz und krachte in den Schnee zurück, so daß Charity schon wieder wankte und halb gegen Skudder fiel. Er fing sie auf und hielt ihre Schultern einen Moment länger fest, als eigentlich nötig gewesen wäre.

»Ich weiß, wovon du redest«, sagte er. »Meinst du, daß wir den Angriff der Moroni überleben - oder Leßters Fahrkünste?«

Charity lächelte flüchtig. Skudder wußte so gut wie sie, daß sie dem jungen deutschen Soldaten Unrecht taten. Hartmann hatte gesagt, daß die drei seine besten Männer wären, und er hatte recht damit. Was Leßter und Phillipsen auf dem Weg hierher mit der Transportmaschine gemacht hatten, das grenzte an Zauberei. Aber es änderte nichts daran, daß die beiden vorne im Cockpit sich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheiten wie Kinder aufführten. Sie war nicht ganz sicher, ob Leßter nun ein Genie oder einfach ein Trottel war. Wahrscheinlich beides.

»Das war verdammt knapp, weißt du das?« Skudder wurde übergangslos ernst. »Wir können wirklich von Glück sagen, daß diese Maschinen so miserable Schützen sind.«

Charity sah nachdenklich auf den handtellergroßen Brandfleck auf ihrer Montur herunter. Ohne den eingeschalteten Körperschild ihres Kampfanzuges wäre sie jetzt tot. So miserabel schossen die Moroni gar nicht. »Wahrscheinlich sind sie eher Meisterschützen«, antwortete sie.

Skudder sah sie fragend an.

»Nur wahre Meisterschützen treffen so exakt daneben«, führte Charity den Gedanken zu Ende.

In Skudders Augen blitzte es auf. Sein Vorrat an Humor schien heute reichlich begrenzt zu sein. »Ich bin gespannt, ob du auch noch blöde Witze reißt, wenn gleich ein Kampfschiff der Moroni auftaucht und das Feuer auf uns eröffnet«, knurrte er. »Aber wenn du schon so schlau bist - hast du dann vielleicht auch eine Idee, wie wir an diesen schießwütigen Küchenschaben vorbeikommen?«

Nein, die hatte sie nicht. Aber wozu gab es jemanden, der ihnen - fast - alle Fragen beantworten konnte? Statt das kleine Geplänkel mit Skudder weiterzuführen, ließ sie sich auf die ungepolsterte Sitzbank sinken und zog den Kommunikator aus der Tasche. Skudders Gesicht verdüsterte sich, als er sah, wie sie den Code eintastete und darauf wartete, daß der briefmarkengroße Bildschirm aufleuchtete. Aber dann trat er doch mit einem Schritt hinter sie, so daß er über ihre Schulter blicken konnte.

Auf dem winzigen Display fügten sich bunte Farbschleier zu Daniel Stones Gesicht zusammen. »Captain Laird!« sagte die Holographie. »Wie schön, Sie wiederzusehen.« Selbst der erfreute Ton in seiner Stimme klang echt, und Charity mußte sich beherrschen, um nicht so wütend mit dieser Maschine zu sprechen, als hätte sie tatsächlich den lebenden Menschen vor sich, den sie simulierte.

»Wir wären um ein Haar umgebracht worden«, sagte sie.

Stone runzelte für eine halbe Sekunde die Stirn, als überrasche ihn das Gehörte tatsächlich. »Wo sind Sie jetzt?« fragte er dann.

Charity sagte es ihm, und ein leiser Anflug von Bedauern huschte über die dreidimensionale Simulation des Gesichtes von Daniel Stone. »Ja«, sagte er, »damit war zu rechnen. Es gibt automatische Wächter, die an der Grenze der Kältebarriere patrouillieren. Nicht besonders viele, und auch nicht regelmäßig. Wahrscheinlich sind Sie zufällig einer solchen Patrouille über den Weg gelaufen.«