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Es fiel ihr nicht leicht, zu antworten. Ihr Mißtrauen Daniel Stone gegenüber war noch immer nicht völlig ausgeräumt. Aber dann sagte ihr ihr logisches Überlegen, daß sie ohnehin verloren waren, wenn Stone sie wirklich verriet. Sie beantwortete seine Frage.

»Das heißt, Sie sind nur noch ein paar Straßenzüge vom World Trade Center entfernt«, sagte Stone. »Wenn es Ihnen gelingt, dem Suchtrupp zu entfliehen, haben Sie eine reelle Chance.«

»Das Trade Center?«

Stone lächelte. »Die Rechenzentrale, von der ich Ihnen erzählt habe, befindet sich in seinen unteren acht Stockwerken. Und meine eigenen bescheidenen Räume im Penthouse.«

»Das paßt irgendwie«, murmelte Charity.

»Ich war schon immer ein Mann von gutem Geschmack«, sagte Stone lächelnd.

»Man könnte es auch Größenwahn nennen«, erwiderte Charity, machte aber eine hastige Handbewegung, als Stone darauf antworten wollte. »Es gibt noch ein Problem«, sagte sie.

Stone blickte sie fragend an.

»Wir können den Computer nicht mehr zerstören«, fuhr sie fort. »Unsere gesamte Ausrüstung wurde zerstört, als wir das Flugzeug verloren.«

»Das ist bedauerlich«, antwortete Stone gelassen, »aber nicht zu ändern. Sie hätten der Computeranlage mit einer Bombe sowieso keinen nennenswerten Schaden zufügen können. Die Moroni sind zwar manchmal erschreckend naiv, aber nicht dumm. Sie müßten schon das gesamte Gebäude sprengen, um den ganzen Rechner zu zerstören.«

»Aber dann...«

»Es reicht vollkommen aus, wenn Sie eine bestimmte Speicherbank zerstören«, fuhr Stone fort. »Sie finden sie in einem Raum auf der dritten Etage. Freundlicherweise waren die Moroni zuvorkommend genug, die alte Zimmernumerierung beizubehalten. Das Apartment trägt die Nummer 3211.«

»Und Sie glauben, wir könnten dort einfach hereinspazieren und wild um uns schießen?«

»Niemand hat behauptet, daß es einfach sein wird«, antwortete Stone unwillig. »Aber es ist auch nicht unmöglich. Ich bin nicht das einzige menschliche Wesen in New York, Captain Laird. Wenn Sie sich unauffällig verhalten und den Impulsgeber verwenden, den ich Ihnen gegeben habe, wird niemand Ihre Berechtigung anzweifeln, das Gebäude zu betreten. Das ist der Vorteil einer Militärdiktatur.«

»Und dann?« schnappte Skudder. »Was dann, Stone? Sie können mir nicht erzählen, daß der gesamte Militärapparat Ihrer Freunde zusammenbricht, nur weil wir irgendeinen Computer zerstören.«

»Natürlich nicht«, antwortete Stone in leicht genervtem Tonfall. »Die entsprechenden Daten sind noch in drei oder vier weiteren Orten gespeichert, von denen ich weiß, und wahrscheinlich einem Dutzend, von denen ich nicht weiß. Aber mit ein wenig Glück verlieren sie für Stunden die Kontrolle über den größten Teil ihrer Flotte, vielleicht für Tage. Wenn Ihre Freunde in Köln ihr Handwerk verstehen, dann sollte diese Zeit ausreichen, die Transmitterstation am Nordpol in die Luft zu jagen.«

Etwas sagte Charity, daß es nicht so einfach sein würde. Sie hatte den Plan ein dutzendmal mit Hartmann besprochen, und der neue Kommandant des Eifel-Bunkers hatte ihr versichert, daß es kein Problem war, eine seiner Nuklear-Raketen so präzise auf den Nordpol abzufeuern, daß von dem dort gelandeten Riesenschiff der Moroni und dem Materietransmitter nichts als ein radioaktiver Krater zurückbleiben würde. Aber das war die Theorie. In der Praxis hatte dieser Plan so viele Wenns und Abers, daß sie es irgendwann aufgegeben hatte, darüber nachzudenken, was alles schiefgehen konnte. Davon ganz abgesehen, war dies erst der zweite Schritt ihres wahnwitzigen Unternehmens. Der erste bestand in der Kleinigkeit, an einen Ort zu gehen, von dem sie nicht wußten, wo er war, dort etwas zu finden, von dem keiner von ihnen eine Ahnung hatte, wie es aussah, und etwas zu tun, von dem ihnen nicht einmal Stone hatte sagen können, was. Ganz abgesehen von dem Detail, dieses Irrsinnsunternehmen auch noch zu überleben und mit heiler Haut zurückzukommen.

»Irgend etwas geht hier vor«, sagte Skudder von der Tür her.

Charity warf ihm einen hastigen Blick zu und wandte sich dann wieder an Stone.

»Gehen Sie jetzt, Captain Laird«, sagte Stone. »Tun Sie genau, was ich Ihnen gesagt habe. Hier im Trade Center gibt es einen Transmitter auf jeder Etage. Ich werde sämtliche Geräte so programmieren, daß sie zur Relais-Station am Nordpol gebracht und von dort sofort zum Sonnensatelliten weitergeleitet werden, und zwar genau für eine Minute.«

»Ab wann?«

»Ab dem Moment, in dem Sie den Computer zerstört haben.«

»Und wenn es uns nicht gelingt?«

»Gibt es auch keine Freifahrt zur Sonne«, sagte Stone fröhlich.

»Irgendwann unterhalten wir uns noch einmal über dieses Gespräch«, drohte Charity, aber das Grinsen des elektronischen Ebenbildes Daniel Stones' auf dem Bildschirm wurde nur noch breiter.

»Das hätte wenig Sinn, Captain Laird«, sagte er. »Sie vergessen anscheinend immer wieder, daß Sie nur mit einem Computer reden. Der wirkliche Daniel Stone hat keine Ahnung von dem, was wir besprechen.«

»Vielleicht könntest du endlich aufhören, dich mit diesem Transistorradio zu streiten und hierher kommen!« sagte Skudder scharf. Charity sah ihn fast erschrocken an, bewegte sich aber gehorsam auf ihn zu und warf einen Blick auf die Straße hinaus.

Die Zahl der Moroni, die die Straße absperrten, war auf das gut dreifache angewachsen. Sie standen nicht mehr reglos da, sondern bewegten sich nervös durcheinander; viele hatten die Blicke gehoben und sahen in den Himmel, als suchten sie etwas.

Das Wort weckte eine unangenehme Assoziation in Charity, so daß sie beschloß, den Gedanken nicht weiter zu verfolgen, und sich mit einem Ruck umwandte. »Verschwinden wir von hier«, sagte sie.

Sie gingen weiter durch den Hausflur und traten nach einigen Augenblicken durch die Hintertür auf einen kleinen, an allen Seiten von Mauern umschlossenen Hinterhof hinaus. Charity zögerte einen Moment. Ihr Blick glitt sichernd über die leeren Fensterhöhlen, aber nirgends war das Glitzern von Hörn oder das Schimmern ausdrucksloser Insektenaugen zu sehen, so daß sie schließlich im Laufschritt das kleine gemauerte Viereck überquerten und in das nächste Haus eindrangen.

Sie legten auf diese Weise eine Entfernung von sicher zwei oder drei Meilen zurück; sieben oder acht Häuserblocks, an deren Ende sie jedesmal derselbe Anblick empfing: eine Kette reglos dastehender, bewaffneter Moroni, die die Straße absperrte. Es war so, wie Charity vermutet hatte: die Moroni hatten das gesamte Viertel abgeriegelt.

»Dort!« sagte Skudder plötzlich und deutete in den Himmel hinauf. Charitys Blick folgte seinem ausgestreckten Arm. Sie erwartete, einen Gleiter zu sehen, oder irgendein anderes Fahrzeug, aber statt dessen entdeckte sie etwas, das ihr auf den ersten Blick wie ein riesiges Stück schwarzes Leder erschien, ein flatternder Lappen mit ausgefransten Rändern, der scheinbar gewichtslos auf dem Wind dahintrieb.

»Was ist das?« flüsterte Skudder.

»Der Sucher«, sagte Leßter.

Charity warf ihm einen fragenden Blick zu, konzentrierte sich dann aber wieder auf das sonderbare Etwas am Himmel. Irgendwie kam es ihr bekannt vor, und nach einigen Augenblicken erinnerte sie sich auch: Es war lange her, endlos lange, wie es schien. Sie hatte ein Wesen wie dieses schon einmal gesehen, vor fünfzig Jahren. Auch damals war es ihr auf den ersten Blick harmlos und allenfalls bizarr vorgekommen, wie ein Stück geronnener Dunkelheit, das den Himmel entlangglitt.

Aber sie hatte auch gesehen, wie dieses scheinbar harmlose Etwas einen schwerbewaffneten Kampfhubschrauber umschlungen und einfach zermalmt hatte.

Sie dachte an das, was ihr Stone gesagt hatte, und zog den Kommunikator wieder aus der Tasche, überlegte es sich dann aber anders. Zumindest im Moment schien dieses Ding ihre Spur noch nicht aufgenommen zu haben.

Sie wichen wieder in das leerstehende Gebäude zurück und arbeiteten sich zur anderen Seite des Häuserblocks vor, ehe sie es wagten, wieder auf die Straße hinauszutreten. Aber sie waren erst wenige Schritte gelaufen, als Leßter abermals stehenblieb und nach oben deutete.