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Nein, es war nicht das, was sie sah, was sie so sehr erschreckte. Es war das, was sie eben nicht sah.

New York.

Die Türme von Manhattan.

Verschwunden. Selbst wenn es den Schneesturm nicht gegeben hätte, hätte sie sie nicht sehen können, denn sie waren hinter einem Schutzwall verborgen, der vielleicht undurchdringlicher als jeder Energieschirm, jedes noch so perfekte Erzeugnis irgendeiner Science-Fiction-Technik von den Sternen sein mochte. Die Technik der Moroni war der der Menschen auf einigen wenigen Gebieten um Jahrhunderttausende voraus, aber auf den meisten allenfalls ebenbürtig, und auf nicht wenigen sogar unterlegen. Aber sie arbeiteten nach einem Prinzip, das auch auf der Erde wohlbekannt war und nur zu oft funktioniert hatte: Sie ersetzten Klasse durch Masse. Die Moroni waren viele, unvorstellbar viele. Und sie verfügten über etwas, das zu guter Letzt jede technologische Überlegenheit wettmachen mußte: über einen im wahrsten Sinne des Wortes unbegrenzten Nachschub. Problem Nummer zwei auf ihrer Liste. Sie würden sich ihm zuwenden, wenn sie Problem Nummer eins gelöst hatten und dann noch lebten. Das hieß, verbesserte sie sich in Gedanken selbst, eigentlich Problem Nummer eins-A. Problem Nummer eins war:

»Hat jemand eine gute Idee, wie wir in diese Scheiß-Stadt hineinkommen?« fragte sie laut.

Die drei jungen Soldaten und Skudder hatten sogar jede Menge Ideen, und einige davon waren durchaus originell.

Aber das war auch schon alles.

2

Es war nicht so, daß er Angst davor gehabt hätte - oder vielleicht doch, schließlich war eine gesunde Portion Furcht immer noch das beste Mittel, das Luftholen zu überleben. Besser als alle Anzüge, Waffen, Tarnvorrichtungen und Tricks, die ihm die Sammler beigebracht hatten. Aber die Angst um sein Leben war nicht so schlimm wie sein Ekel.

French hatte die Spinnen seit dem ersten Tag gehaßt. Und seit er alt genug geworden war, aus eigener Kraft auf den Schoß seiner Mutter hinauf zufliegen, spürte er dieses an Panik grenzende Ekelgefühl, eine Art von Schrecken, die ihn lahmte, beim bloßen Anblick eines haarigen Beines, ja, beim bloßen Gedanken an das wirbelnde Spiel der Glieder und den glotzenden Blick der starren Augen. Es war eine Art von Furcht, gegen die er hilflos war. Es nutzte nichts, sich immer wieder einzureden, daß er schneller war als sie. Stärker. Besser. Und vor allem intelligenter.

Er hatte sich einmal dabei ertappt, einer dieser Bestien gegenüberzustehen, den Finger auf dem Auslöser der Harpunenwaffe, und nichts zu tun. Es war ein besonders großes Exemplar gewesen, eine der riesigen, sechsbeinigen Kreaturen, von denen manche im Hort munkelten, daß sie mehr als Tiere und ebenfalls von einer gewissen Intelligenz waren. Er hatte so gelähmt dagestanden, die Eingeweide zu einem Klumpen zusammengezogen, den sauren Geschmack seiner eigenen Magensäure im Mund und das Herz vor Furcht langsam und unregelmäßig schlagend, daß ihn die Spinne mit ihren fürchterlichen Zangen hätte in Stücke reißen können, ohne daß er auch nur in der Lage gewesen wäre zu schreien. Wäre Pearl damals nicht dazugekommen und hätte der Spinne ein hübsches rundes Loch zwischen die beiden Glotzaugen verpaßt...

Nein, er dachte den Gedanken lieber nicht zu Ende. French wußte, daß er der falsche Mann für diesen Job war. Und ausgerechnet ihn hatte der Alte zum Luftholen abkommandiert. Es war absurd!

Noch absurder allerdings war vielleicht, daß er jetzt hier hing, direkt in der Toten Zone, und seit geschlagenen zwei Stunden darauf wartete, daß sich diese beschissene Schleuse öffnete. Normalerweise vergingen keine zehn Minuten, in denen sich der Irisverschluß der Schleuse nicht mindestens einmal auftat, um eine oder auch gleich eine ganze Armee der widerwärtigen Krabbler ein- oder auszulassen. Normalerweise. Und jetzt? Jetzt hockte er hier, sah mit einer Mischung aus Faszination und Angst zu, wie der Anzeiger seines Luftvorrates sich mehr und mehr der Null näherte, und hatte im Grunde den Moment längst verpaßt, in dem er ohne ein unvertretbar großes Risiko ins Spinnennetz eindringen konnte. Eigentlich hätte er längst zurück gemußt. Eigentlich. Frenchs Gesicht verzog sich unter der wuchtigen Atemmaske zu einer Grimasse, als hätte er Zahnschmerzen. Dummerweise war seine panische Angst vor Spinnen im Hort wohlbekannt. Kein Mensch würde ihm glauben, wenn er mit leeren Händen zurückkam und behauptete, die Schleuse hätte sich nicht geöffnet.

Er verlagerte sein Körpergewicht auf dem Träger, auf dem er seit zwei Stunden hockte und die Schleuse anstarrte. Seine Beine begannen allmählich steif zu werden. Außerdem mußte er an den Anzug denken. Hier in der Toten Zone wog er zwar so gut wie nichts, aber der Anzug war alt und seine Klebestellen begannen brüchig zu werden; es war besser, man belastete sie nicht zu sehr. French überlegte, wie viele von denen, die nicht zurückgekommen waren, wohl an einer undichten Naht ihres Anzuges zugrunde gegangen waren, statt in den Netzen der Spinnen zu sterben. Wenn er die Wahl hätte, dachte er, würde er diese Art des Todes wahrscheinlich vorziehen, obgleich man sagte, daß es sehr qualvolles Sterben sein sollte - zuerst verwandelte sich die Haut in Eis, bis sie so hart und spröde war, daß sie wie Glas zerbrach, dann explodierte man, von innen heraus und ganz langsam French war gerade dabei, sich die achte oder neunte originelle Todesart auszudenken, die ihm zustoßen konnte, als er ein leichtes Vibrieren spürte. Sofort brach er seinen morbiden Zeitvertreib ab, schmiegte sich enger hinter den Träger und blickte zur Schleuse hinunter. Tatsächlich - sie begann sich zu öffnen.

Frenchs Herz begann zu hämmern, und seine Hände in den groben Handschuhen wurden feucht. Er war nervös. Das allmählich größer werdende Loch in der Mitte der gewaltigen Irisblende stimmte ihn nicht unbedingt fröhlicher. Er konnte es sich nicht leisten, in Ruhe die Lage zu sondieren und abzuwarten, ob die Gelegenheit günstig war. Er hatte schon viel zuviel Zeit verloren. Wenn er ins Nest eindringen wollte, dann jetzt, ganz egal, ob eine einzelne Spinne oder eine ganze Armee in der Schleuse auf ihn wartete. Mist!

Ein dürres, haariges Bein tastet sich zitternd ins Freie, und French spannte sich. Ein Gefühl, als krabbelten Hunderte ähnlicher, nur sehr viel kleinerer Spinnenbeine sein Rückgrat entlang, drohte für einen Moment sein logisches Denken zu überwältigen. Aber es gelang ihm, wenigstens für dieses Mal mit seiner Furcht fertig zu werden. Er war in Sicherheit. Solange er hier oben auf dem Träger hockte und sich nicht rührte, konnte ihm gar nichts passieren.

Dummerweise war er nicht hierhergekommen, um auf diesem Träger hockenzubleiben und sich nicht zu rühren ...

Dem Bein folgte ein zweites, drittes und viertes, und schließlich schob sich der ganze mißgestaltete Leib der Spinne ins Freie. French unterdrückte ein Seufzen, als er sah, daß es eine der Sechsbeinigen war. Anscheinend hatte er das Pech heute gepachtet. Und zwar gleich in mehrfacher Ausführung, denn der ersten Spinne folgte eine zweite, eine dritte und schließlich noch eine vierte und fünfte. Unter dem dünnen, glitzernden Stoff ihrer Anzüge waren wenige Einzelheiten zu erkennen, aber French war fast sicher, Waffen an ihren lächerlich dürren Hüften zu erkennen.