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Er taumelte weiter, erkannte unscharf eine schräg nach unten führende Rampe vor sich und erinnerte sich zu spät daran, daß er hier ungefähr dreißigmal soviel wog wie im Hort. Die klobige Atemmaske vor seinem Gesicht erstickte seinen Schrei, als er die Balance verlor und, sich immer wieder überschlagend, in die Tiefe stürzte.

Er mußte wohl das Bewußtsein verloren haben, denn das nächste, was er wahrnahm, war die Erkenntnis, auf dem Rücken zu liegen - und in das glotzäugige Gesicht einer Spinne zu blicken, die sich über ihn beugte und sich mit drei ihrer sechs Glieder an seinem Anzug zu schaffen machte. Ihre dürren Klauen packten das durchsichtige Kunststoffmaterial und rissen es einfach in Fetzen. French hörte ein schrilles, unmelodiöses Pfeifen. Er nahm an, daß es sich dabei um die Sprache der Spinnen handelte.

Ganz automatisch wollte er nach seiner Harpunenwaffe greifen, um wenigstens noch diese eine Bestie mit auf den Weg zur Erde zu nehmen. Und dann richtete sich die Spinne plötzlich auf, streckte nunmehr alle vier Arme aus - und zog ihn mit einer fast spielerisch anmutenden Bewegung auf die Füße. Ihr Pfeifen klang irgendwie ... besorgt? Um ein Haar hätte French sich verraten, aber es gab nur diese eine Erklärung: Obwohl sie ihm ganz nahe war, ja, ihn sogar berührt hatte, hatte sie seine Tarnung nicht durchschaut!

Aber das war unmöglich! Jeder im Hort war sich darüber im klaren, daß die plumpe Verkleidung allenfalls einem flüchtigen (einem sehr flüchtigen) Blick standhalten konnte...

Wankend unter seinem eigenen Gewicht - und auch der Wucht der Erkenntnis, daß hier einiges völlig anders zu sein schien, als sie bisher alle geglaubt hatten - stand French da und starrte die Spinne an, während diese fortfuhr, mit ihrer schrillen Stimme und mit allen vier Armen gestikulierend auf ihn einzureden. Anscheinend war ihr doch aufgefallen, daß mit ihrem Gegenüber irgend etwas nicht stimmte. Vielleicht, überlegte French, war sie ein wenig überrascht, sich einem Wesen gegenüberzusehen, das so aussah wie sie, aber eigentlich doch nicht, und ganz offensichtlich kein Wort von dem verstand, was sie ihm zuflötete und -pfiff. Noch mehr überraschte sie dann wahrscheinlich die Harpunenwaffe, die French plötzlich in der Hand hielt, und die größte Überraschung überhaupt war wohl der halbmeterlange Stahlpfeil, der sie durchbohrte und nach einem halben Salto rückwärts zu Boden schmetterte.

French taumelte. Es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre ebenfalls gestürzt, und wahrscheinlich hätte er nicht mehr die Kraft gehabt, sich in die Höhe zu stemmen. Schon die Anstrengung, die Waffe zu heben und auf die Spinne zu richten, war fast zuviel gewesen. Alles drehte sich um ihn. Er prallte gegen die Wand, ließ die plötzlich Zentner wiegende Harpune fallen und kämpfte mit verzweifelter Anstrengung darum, nicht das Bewußtsein zu verlieren. Die Schleier vor seinen Augen waren jetzt schwarz, nicht mehr rot, und eine unsichtbare Klaue schien sein Herz gepackt zu haben und es langsam zusammenzudrücken. Er wollte atmen, aber es ging nicht mehr. Es war nicht die Gewichtskrankheit, die ihn umbrachte. Die Schwere würde ihn nicht töten, denn so viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Er erstickte. Sein Luft vorrat war unwiderruflich aufgebraucht.

Er fiel auf die Knie und registrierte, schon halb bewußtlos, wie sich die totgeglaubten Spinne neben ihm bewegte. Vielleicht waren diese Biester noch zäher, als man allgemein annahm, vielleicht war es auch nur ein Reflex - aber eine ihrer schrecklichen Krallen zuckte plötzlich vor und zerfetzte Frenchs Tarnanzug. Ein häßliches Zischen erklang.

Und dann konnte er wieder atmen.

5

Jemand hatte sie ziemlich unsanft unter den Achseln gepackt und schleifte sie durch den Schnee; sehr schnell und ohne dabei auch nur die mindeste Rücksicht zu nehmen, so daß sie mit Hüften und Beinen immer wieder gegen scharfkantige Hindernisse prallte, die unter der trügerischen weißen Decke verborgen waren. Schnee war in ihren Kragen gefallen und begann unter ihrem Anzug zu schmelzen, und in ihrem rechten Knöchel erwachte allmählich ein stechender Schmerz, der im Takt ihres Herzschlages pulsierte und bei jedem Schlag ein bißchen schlimmer wurde. Sie fror erbärmlich. Absurderweise spürte sie gleichzeitig eine grausame Hitze, als berührten glühende Hände ihr Gesicht. Sie versuchte die Augen zu öffnen, aber das Licht war so grell, daß sie die Lider stöhnend wieder zusammenpreßte.

Nach einem Moment versuchte sie es noch einmal. Ein von einem wuchtigen dunkelgrünen Helm eingerahmtes Gesicht hüpfte über ihr auf und ab, und da war noch etwas Riesiges, Silbernes, und ein grausames flackerndes Licht, das sich auf seiner polierten Oberfläche brach.

Der Läufer!

Der Gedanke weckte ihre Erinnerungen schlagartig wieder. Sie stöhnte, versuchte den Kopf zu heben und begann sich instinktiv zu wehren - mit dem Ergebnis, daß Leßter sie unvermittelt losließ und sie unsanft in den Schnee zurückfiel. Hastig bückte er sich wieder, um ihr abermals aufzuhelfen, aber sie wälzte sich herum (mit dem Ergebnis, daß noch mehr Schnee unter ihren Kragen glitt und dort sofort zu schmelzen begann) und stand aus eigener Kraft auf.

»Was ist passiert?« fragte sie.

»Es war nicht meine Schuld!« verteidigte sich Leßter. »Ich habe Sie gewarnt! Ich habe gesagt, es ist ein Start mit vollem Risiko! Wir hätten dreißig Sekunden länger warten sollen, dann hätte ich die Kiste ohne Schwierigkeiten hochbekommen, aber so hat der...«

»Halt endlich die Schnauze, Leßter«, sagte eine zweite Stimme, und Charity registrierte erst jetzt, daß sie nicht allein waren. Skudder und die beiden anderen Soldaten hatten sich hinter die Schneewehe gekniet, in deren Schutz Leßter sie geschleift hatte. Skudder blutete aus einer üblen Platzwunde im Gesicht, und Faller preßte mit schmerzverzerrten Lippen den linken Arm gegen den Leib. Phillipsen hatte das Lasergewehr von der Schulter gezerrt und zielte damit auf etwas von der Größe Neuguineas, das auf einem Dutzend hochhausgroßer Stahlbeine über ihnen emporragte. Es sah einigermaßen absurd aus, fand Charity.

Sie schüttelte sich, war mit zwei schnellen Schritten bei Skudder und streckte besorgt die Hand nach seinem Gesicht aus, aber Skudder schüttelte nur den Kopf.

»Das ist nichts«, sagte er. »Eine Schramme.«

Da Charity wußte, wie wenig Sinn es hatte, über dieses Thema mit ihm diskutieren zu wollen, beließ sie es bei einem abermaligen prüfenden Blick in sein blutüberströmtes Gesicht und kroch dann auf Händen und Knien zu Phillipsen hinüber. Der junge Soldat lag auf dem Bauch im Schnee und hatte die Waffe noch immer auf den Läufer gerichtet. Aber Charity hatte das sehr sichere Gefühl, daß er es einzig und allein tat, um sich daran festzuklammern.

Als ihr Blick auf das fiel, was Phillipsen anstarrte, verstand sie ihn auch. Für einen Moment wünschte sie sich selbst etwas, woran sie sich festhalten konnte, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Der Läufer hatte direkt über dem Wrack des Flugzeuges angehalten. Seine beiden vorderen Beinpaare waren eingeknickt, so daß er ein wenig schräg dastand, nach vorne geneigt und tatsächlich wie ein riesiges Stahlinsekt, das seine Beute verzehrte - die in diesem Falle aus nichts anderem als dem Wrack der Transportmaschine bestand. Das Flugzeug brannte. Dann und wann blitzte es in seinem zerschmetterten Rumpf auf, wenn ein Teil der mitgebrachten Munitionsvorräte unter der Hitze explodierte, und sein Rumpf war so zerdrückt, daß man seine ursprüngliche Form nur noch erraten konnte. Charity fragte sich instinktiv, wie um alles in der Welt sie es geschafft hatten, lebend und noch dazu beinahe unverletzt aus diesem Wrack herauszukommen. Eines der Triebwerke glühte in einem hellen, umheimlichen Rot. Die Hitze war so intensiv, daß sie sie selbst hier noch spüren konnte, mehr als zweihundert Meter entfernt.