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«Das kann ich mir denken«, sagte ich.

Sie sagte leicht gereizt:»Sie haben gut lästern, denn Sie sind ihm nie begegnet. Sie hätten ihm genauso geglaubt wie wir.«

Darauf ging ich lieber nicht ein. Vielleicht hatte sie ja recht.

«Diese Briefe«, sagte ich.»An wen wurden sie verschickt?«

«Na ja, an Leute, die antike Möbel haben und einen Fünfer springen lassen können, ohne daß es ihnen weh tut.«

«Hat er je gesagt, woher er die Adressen hatte?«

«Ja«, sagte sie,»von der Hauptgeschäftsstelle der Liga.«

«Und wer adressierte die Briefe und verschickte sie?«

«Nicky tippte die Anschriften auf die Umschläge. Ja, schon gut, auf meiner Schreibmaschine. Er war enorm schnell und schaffte Hunderte am Tag. Jenny unterschrieb die Briefe, und ich faltete sie für gewöhnlich und steckte sie in die Umschläge. Jenny bekam immer mal wieder einen Krampf in der Schreibhand, und dann half Nicky ihr.«

«Beim Unterschreiben?«

«Ja. Er machte ihre Unterschrift nach. Zigmal. Es war kein Unterschied festzustellen.«

Ich sah sie schweigend an.

«Ich weiß«, sagte sie.»Der schiere Leichtsinn. Aber sehen Sie, er ließ die ganze harte Arbeit mit den Briefen wie einen großen Spaß erscheinen. Wie ein lustiges Spielchen. Er steckte voller Scherze. Das verstehen Sie nicht. Und als dann allmählich die Schecks einzutrudeln begannen, zeigte sich ja, daß die Sache die Mühe wert war.«

«Wer verschickte das Wachs?«fragte ich düster.

«Nicky schrieb die Adressen auf Aufkleber. Ich habe Jenny dabei geholfen, sie auf die Päckchen zu kleben, die Päckchen mit Klebeband zuzumachen und sie zur Post zu bringen.«

«Ashe ist nie gegangen?«

«Er hatte viel zu viel mit der Tipperei zu tun. Wir haben sie meistens in so einer Einkaufstasche mit Rädern zum Postamt gekarrt.«

«Und die Schecks… ich nehme an, daß Jenny eingezahlt hat?«

«Ja.«

«Wie lange ging das so?«

«Nachdem die Briefe gedruckt waren und wir das Wachs geliefert bekommen hatten… na ja, ein paar Monate.«

«Wieviel Wachs?«

«Ach Gott, haufenweise, es stand überall rum. Es kam in diesen großen Pappkartons, sechzig versandfertige Dosen in jedem. Praktisch war die ganze Wohnung voll davon. Am Ende wollte Jenny nachbestellen, da unsere Vorräte knapp wurden, aber Nicky war dagegen und meinte, wir sollten unseren Bestand abbauen und dann erst mal eine Pause einlegen, bevor wir weitermachen.«

«Er wollte ganz aufhören«, sagte ich.

«Ja«, gestand sie widerwillig ein.

«Wieviel Geld«, fragte ich weiter,»hat Jenny bei der Bank eingezahlt?«

Sie sah mich ernst an.»So etwa zehntausend Pfund. Vielleicht auch ein bißchen mehr. Manche Leute schickten sehr viel mehr als einen Fünfer, ein paar sogar Hunderter… und wollten kein Wachs dafür.«

«Einfach unglaublich.«

«Das Geld strömte nur so herein. Tut’s noch, tagtäglich. Aber es geht von der Post direkt an die Polizei. Die haben noch eine Wahnsinnsarbeit vor sich, alles an die Absender zurückzuschicken.«

«Was ist mit den Briefen in Ashes Zimmer, in denen >Scheck anbei< steht?«

«Die sind von Leuten, deren Geld eingezahlt worden ist und die ihr Wachs bekommen haben.«

«Wollte die Polizei diese Briefe nicht auch haben?«

Sie zuckte die Achseln.»Mitgenommen haben sie sie jedenfalls nicht.«

«Hätten Sie was dagegen, wenn ich sie mitnähme?«

«Nicht das geringste.«

Nachdem ich den Karton geholt und an der Wohnungstür abgestellt hatte, ging ich wieder ins Wohnzimmer, um Louise noch eine Frage zu stellen. Sie war schon wieder in ihr Buch vertieft und blickte nicht gerade begeistert zu mir hoch.

«Wie ist Ashe eigentlich an das Bankkonto rangekommen?«

«Er hat dort einen getippten, von Jenny unterschriebenen Brief vorgelegt, in dem es hieß, daß sie das gesamte Guthaben abheben wolle, um es der Liga anläßlich des jährlich stattfindenden Galadiners zu überreichen. Und dazu einen ebenfalls von Jenny unterzeichneten Scheck über den gesamten auf dem Konto befindlichen Betrag.«

«Sie hat die doch nicht.«

«Nein, er. Aber ich habe Brief und Scheck gesehen. Die Bank hat beides der Polizei ausgehändigt. Es ist einfach nicht zu erkennen, daß die Unterschriften nicht von Jenny stammen. Nicht einmal sie selbst konnte das.«

Sie erhob sich anmutig, ließ aber das Buch auf dem Fußboden liegen.»Sie wollen gehen?«fragte sie hoffnungsvoll.»Ich habe so entsetzlich viel zu tun. Nicky hat mich einiges an Zeit gekostet.«

Sie ging an mir vorbei in den Flur hinaus, und als ich ihr folgte, hatte sie noch eine weitere Hiobsbotschaft für mich parat.

«Die Bankangestellten können sich nicht an Nicky erinnern. Sie zahlen Tag für Tag Tausende an Lohngeldern aus, es gibt ja eine Menge Industrie hier in Oxford. Jenny war ihnen im Zusammenhang mit dem Konto bekannt, und es vergingen ja zehn Tage oder mehr, bevor die Polizei anfing, Fragen zu stellen. Niemand dort kann sich an Nicky erinnern.«

«Er ist ein Profi«, sagte ich schlicht.

«Es sieht leider ganz so aus. «Sie öffnete die Wohnungstür während ich mich bückte, mühsam den braunen Karton aufhob und dabei zu verhindern versuchte, daß der kleine weiße, den ich oben draufgestellt hatte, herunterrutschte.

«Ich danke Ihnen sehr für Ihre Hilfe«, sagte ich.

«Lassen Sie mich den Karton nach unten tragen.«

«Danke, ich schaffe das schon«, wehrte ich ab.

Sie sah mir kurz in die Augen.»Natürlich schaffen Sie das, aber Sie brauchen trotzdem nicht so verdammt stolz zu sein. «Sie nahm mir einfach den Karton aus dem Arm und ging zielstrebig voraus. Ich folgte ihr die Treppe hinunter auf die Straße und kam mir dabei wie ein Narr vor.

«Ihr Wagen?«fragte sie.

«Hinterm Haus. Aber.«

Ich hätte auch tauben Ohren predigen können. Ich ging neben ihr her, deutete matt auf den Scimitar und öffnete den Kofferraum. Sie bugsierte Karton und Schachtel hinein, und ich schloß die Haube.

«Danke«, sagte ich noch einmal.»Für alles.«

Die Andeutung eines Lächelns kehrte in ihre Augen zurück.

«Wenn Ihnen noch irgend etwas einfällt, was Jenny helfen könnte«, sagte ich,»würden Sie mir dann bitte Bescheid sagen?«

«Wenn Sie mir Ihre Adresse geben.«

Ich angelte eine Visitenkarte aus der Brusttasche meines Jacketts und überreichte sie ihr.»Steht alles da drauf.«

«Schön. «Sie blieb noch einen Moment stehen, mit einem Gesichtsausdruck, den ich nicht zu deuten wußte.»Eins muß ich Ihnen noch sagen«, meinte sie dann.»Nach allem, was mir Jenny von Ihnen erzählt hat… habe ich Sie mir wirklich ganz anders vorgestellt.«

Kapitel 5

Von Oxford aus fuhr ich westwärts nach Gloucestershire und erreichte das Gestüt von Garvey zu einer schicklichen Besuchszeit — Sonntagvormittag, elf Uhr dreißig. Tom Garvey, der sich gerade auf dem Hof mit seinem Futtermeister unterhielt, kam, als ich den Wagen zum Stehen gebracht hatte, zu mir herüber.

«Sid Halley!«rief er aus.»So eine Überraschung. Was wollen Sie?«

Ich grinste ihn durch das offene Seitenfenster an.»Wieso glaubt eigentlich jeder, der mich sieht, ich wollte was von ihm?«

«Na, hören Sie mal! Der im Augenblick beste Schnüffler der Branche, wie es heißt. Wir kriegen auch das eine oder andere mit, wir tumben Landbewohner, doch, doch.«

Ich kletterte lächelnd aus dem Auto und reichte einem sechzigjährigen Beinaheschurken die Hand, der vom tum-ben Landbewohner ungefähr so weit entfernt war wie Alaska vom Kap Hoorn. Ein Baum von einem Mann mit unerschütterlichem Selbstvertrauen, einer lauten, gebieterischen Stimme und der Verschlagenheit eines Zigeuners. Seine Hand in der meinen war so hart wie sein Geschäftsgebaren und so trocken wie seine ganze Art. Grob zu Menschen, sanft zu Pferden. Sein Erfolg war dauerhaft, und wenn ich gründliche Blutuntersuchungen der Fohlen in seinem Stall hätte vornehmen lassen, ehe ich von ihrer