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«Auch ein Großmeister«, sagte Jenny,»kann Zwangsvorstellungen haben, dumm sein und unter Verfolgungswahn leiden.«

Das Essen verlief in ähnlicher Atmosphäre, und anschließend ging ich hinauf, um meine paar Sachen zu pak-ken. Während ich noch damit beschäftigt war, kam Jenny herein und sah mir zu.

«Du benutzt diese Hand aber nicht sehr oft«, sagte sie.

Ich antwortete nicht.

«Ich weiß wirklich nicht, wozu du sie überhaupt hast.«

«Hör auf, Jenny.«

«Wenn du getan hättest, worum ich dich immer gebeten habe, nämlich mit der Rennreiterei Schluß zu machen, dann hättest du sie auch nicht verloren.«

«Wahrscheinlich nicht.«

«Dann hättest du noch eine richtige Hand und nicht einen halben Arm… einen Stumpf.«

Ich warf meine Waschtasche zu heftig in den Koffer.

«Die Reiterei kam immer zuerst. Immer und ewig. Hingabe und Sieg und Ruhm. Und ich konnte sehen, wo ich blieb. Du hast es wirklich verdient. Wir wären noch verheiratet… du hättest deine Hand noch. wenn du nur deine ach so geliebte Reiterei aufgegeben hättest, als ich dich darum bat. Der Champion zu sein, das war dir immer wichtiger als ich.«

«Das haben wir uns doch alles schon wer weiß wie viele Male erzählt.«

«Jetzt ist dir nichts mehr geblieben, gar nichts mehr. Ich hoffe, du bist zufrieden.«

Das Aufladegerät für die Batterien stand auf einer Kommode, zwei steckten drin. Sie zog den Stecker heraus und warf das Gerät aufs Bett. Die Batterien fielen heraus und rollten über die Tagesdecke.

«Es ist widerlich«, sagte sie und sah darauf nieder.»Abstoßend.«

«Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt. «Mehr oder weniger jedenfalls.

«Dir scheint das gar nichts auszumachen.«

Ich sagte nichts. Es machte mir sehr wohl etwas aus.

«Macht es dir Spaß, ein Krüppel zu sein, Sid?«

Spaß… du lieber Himmel!

Sie ging zur Tür, und ich stand da und sah auf das Ladegerät hinab.

Ich spürte mehr, als daß ich es sah, wie sie unter der Tür stehenblieb, und fragte mich benommen, was ihr eigentlich noch zu sagen blieb.

Ihre Stimme drang klar und deutlich an mein Ohr.

«Nicky hat ein Messer im Strumpf.«

Ich wandte schnell den Kopf. Sie sah mich trotzig, zugleich aber auch erwartungsvoll an.»Stimmt das?«fragte ich.

«Manchmal.«

«Wie pubertär«, sagte ich.

Sie erregte sich.»Und was ist so überaus erwachsen daran, auf Pferden herumzusausen und zu wissen… zu wissen, daß das zu Verletzungen und Knochenbrüchen führen muß?«

«Daran denkt man einfach nie.«

«Und das ist immer ein Irrtum.«

«Ich tu’s ja nicht mehr.«»Aber du würdest, wenn du könntest.«

Darauf gab es keine Antwort, denn wir wußten beide, daß es der Wahrheit entsprach.

«Sieh dich doch an«, sagte Jenny.»Du mußt die Rennreiterei aufgeben, und was tust du? Suchst du dir etwa einen netten, ruhigen Job als Börsenmakler, was du durchaus könntest, und fängst ein ganz normales Leben an? Aber woher denn. Du stürzt dich geradewegs in etwas hinein, was Auseinandersetzungen, Schlägereien und Verfolgungsjagden mit sich bringt. Du kannst ohne Gefahr einfach nicht leben, Sid. Du glaubst das vielleicht nicht, aber die Gefahr ist wie eine Droge für dich. Du brauchst dir nur vorzustellen, du würdest in einem Büro arbeiten, von neun bis fünf, morgens rein, abends raus, wie jeder andere vernünftige Mensch auch, dann weißt du, wie recht ich habe.«

Ich dachte schweigend darüber nach.

«So ist es doch«, sagte sie.»Du würdest in einem Büro eingehen.«

«Und welche Sicherheit verleiht ein Messer im Strumpf?«fragte ich.»Ich war schon Jockey, damals, als wir uns kennengelernt haben, und du hast gewußt, was das bedeutet.«

«Nicht im einzelnen. Nichts von all den Verletzungen, dem Verzicht auf Essen und Trinken. und die Hälfte der Zeit sogar auf Sex.«

«Hat er dir das Messer gezeigt, oder hast du es zufällig gesehen?«

«Was macht das für einen Unterschied?«

«Ist er nur pubertär… oder wirklich gefährlich?«

«Na bitte, da haben wir’s«, sagte sie.»Dir wäre es lieber, wenn er gefährlich wäre.«

«Um deinetwillen nicht.«»Na ja… ich hab’s gesehen. Er trägt es in einer schmalen Scheide ans Bein geschnallt. Und er hat einen Witz darüber gemacht.«

«Aber du hast es mir erzählt«, sagte ich.»War das als Warnung gedacht?«

Sie wirkte plötzlich unsicher und verwirrt, runzelte die Stirn und entfernte sich unvermittelt den Flur hinunter.

Falls das bedeutete, daß ihre Nachsicht gegenüber dem hochgeschätzten Nicky einen ersten Knacks bekommen hatte, so sollte es mir recht sein.

Am Dienstagmorgen holte ich Chico ab, und wir fuhren zusammen hinauf nach Newmarket. Ein windiger, heller Tag, gelegentlich Regenschauer, ziemlich kühl.

«Wie bist du denn mit deiner Verflossenen zurechtgekommen?«

Er hatte sie nur einmal erlebt und danach als unvergeßlich bezeichnet, wobei der Unterton in seiner Stimme diesem Wort Mehrdeutigkeit verliehen hatte.

«Sie hat Probleme«, sagte ich.

«Schwanger?«

«Es gibt auch noch andere Arten von Problemen.«

«Ehrlich?«

Ich erzählte ihm von dem Betrug und von Ashe und von seinem Messer.

«Da ist sie ja ganz schön im Dreck gelandet«, sagte Chico.

«Volle Bauchlandung.«

«Und wenn wir sie wieder saubermachen… bekommen wir dann was dafür?«

Ich warf ihm einen Seitenblick zu.

«Ach so«, sagte er.»Dachte ich mir’s doch. Wir ma-chen’s mal wieder umsonst, was? Ein Glück, daß du so betucht bist, Sid, von wegen meinem Honorar. Nach Weihnachten mal wieder mit irgendwas ein Vermögen gemacht, wie?«

«Im wesentlichen Silber. Und Kakao. Kauf und Verkauf.«

«Kakao?«Er war fassungslos.

«Bohnen«, sagte ich.»Schokolade.«

«Nußriegel?«

«Nein, Nüsse nicht. Zu riskant.«

«Ich weiß wirklich nicht, wo du die Zeit hernimmst.«

«Braucht nicht länger, als Miezen in der Bar anzumachen.«

«Was willst du eigentlich mit dem ganzen Geld?«

«Ist einfach eine Gewohnheit«, antwortete ich.»Wie essen.«

Wir fuhren in bester Stimmung bis kurz vor Newmarket, besahen uns die Karte, fragten dann ein paar Einheimische und gelangten schließlich zu dem unglaublich gepflegten Gestüt von Henry Thrace.

«Hör dich mal ein bißchen bei den Stallburschen um«, sagte ich, und Chico meinte:»Mach ich. «Dann stiegen wir aus und betraten den sorgfältig geharkten Kiesweg. Ich trennte mich von Chico und begab mich auf die Suche nach Henry Thrace, der sich nach Aussage einer an der Haustür erscheinenden Putzfrau» da hinten rechts, in seinem Büro «befand. Da war er tatsächlich, saß aber fest schlafend in einem Sessel.

Mein Eintritt weckte ihn, und er kam mit der Plötzlichkeit von Leuten zu sich, die an oft unterbrochenen Nachtschlaf gewöhnt sind. Ein noch junger Mann, sehr glatt, das genaue Gegenteil des derben, harten, verschlagenen Tom Garvey. Für Thrace ging es — so die landläufige Meinung — bei der Pferdezucht ausschließlich ums große Geld. Sich mit den Tieren abzugeben, das war Sache der einfacheren Sterblichen. Seine ersten Worte wollten jedoch gar nicht zu diesem Image passen.

«Pardon«, sagte er nämlich.»War die halbe Nacht auf den Beinen… äh, wie war doch gleich der Name? Sind wir miteinander verabredet?«

«Nein. «Ich schüttelte den Kopf.»Ich habe nur gehofft, Sie kurz sprechen zu können. Mein Name ist Sid Halley.«

«So? Irgendwie verwandt mit… großer Gott, Sie sind es selbst.«

«Ja.«

«Was kann ich für Sie tun? Möchten Sie einen Kaffee?«Er rieb sich die Augen.»Mrs. Evans macht uns einen.«

«Bitte keine Umstände. Außer.«