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Brothersmith wandte seine Aufmerksamkeit zögernd von künstlichen Gliedmaßen ab und Pferden mit schwachen Herzen zu.

«>Bethesda<«, sagte ich, während ich meinen Hemdsärmel herunterrollte und den Manschettenknopf schloß.

«>Bethesda<?«Er legte die Stirn in Falten, und sein gehetzter Blick verwandelte sich in einen besorgten.»Tut mir leid, ich kann mich nicht.«

«Eine Stute von George Caspar«, sagte ich.»Hat als Zweijährige alle geschlagen und konnte als Dreijährige auf Grund von Herzgeräuschen keine Rennen mehr laufen. Sie kam in die Zucht, aber ihr Herz versagte beim Fohlen.«

«Ach Gott«, sagte er, und zur Besorgtheit gesellte sich Bekümmerung.»Was für ein Jammer. Aber es tut mir leid, ich behandle so viele Pferde und weiß oft nicht einmal ihre Namen. Geht es um eine Versicherungsfrage? Oder etwa um irgendwelche Versäumnisse? Denn ich versichere Ihnen.«

«Nein, nein«, sagte ich besänftigend,»nichts dergleichen. Können Sie sich vielleicht noch erinnern, ob Sie >Gleaner< und >Zingaloo< behandelt haben?«

«Ja, natürlich. Die beiden, ja. Wirklich schade für George Caspar. Absolut enttäuschend.«

«Erzählen Sie.«

«Da gibt’s eigentlich nicht viel zu erzählen. Nichts Ungewöhnliches. Nur, daß sie beide als Zweijährige so gut waren. Wahrscheinlich war das die Ursache ihrer Probleme, wenn man’s bei Licht besieht.«

«Was wollen Sie damit sagen?«fragte ich.

Seine nervöse Angespanntheit entlud sich in kleinen, zuckenden Kopfbewegungen, während er ein paar wenig schmeichelhafte Ansichten zum besten gab.»Nun ja, man zögert natürlich, Spitzentrainern wie Caspar so etwas zu sagen, aber man kann das Herz eines zweijährigen Pferdes nur allzu leicht überfordern, und wenn die Zweijährigen gut sind, dann laufen sie in den großen Rennen, und der Leistungsdruck kann, wegen des Zuchtwertes und so weiter, enorm sein. Ein Jockey, der sich lediglich strikt an die taktischen Anweisungen hält, kann ein junges Pferd dermaßen treiben, daß es zwar gewinnt, dann aber auch für alle Zeiten ruiniert ist.«

«>Gleaner< hat das Doncaster Futurity gewonnen, bei sehr tiefem Geläuf«, sagte ich nachdenklich.»Ich habe das Rennen gesehen. Es war wirklich hart.«

«Das ist richtig«, sagte Brothersmith.»Ich habe ihn danach jedoch sehr gründlich untersucht. Die Schwierigkeiten traten nicht sofort auf, ja, eigentlich war gar nichts festzustellen. Bis er dann bei den 2000 Guineas lief. Von da kam er total erschöpft zurück. Zuerst dachten wir, es wäre das Virus, aber nach ein paar Tagen stellten wir dann einen sehr unregelmäßigen Herzschlag fest, und da war klar, was los war.«

«Was für ein Virus?«fragte ich.

«Da muß ich überlegen… Am Abend vor dem Guineas hatte er ganz leicht erhöhte Temperatur, als bekäme er die Pferdegrippe oder so etwas. Aber das Fieber klang dann wieder ab, es konnte also keine Grippe sein. Es war das Herz, aber das war nicht vorauszusehen.«

«Wie hoch ist der Prozentsatz der Pferde, die einen Herzschaden bekommen?«fragte ich.

Seine chronische Besorgtheit legte sich ein wenig, als er sich nun selbstsicher auf neutralen Boden begab.

«Vielleicht zehn Prozent haben einen unregelmäßigen Puls, was aber nicht immer etwas zu sagen hat. Besitzer kaufen solche Pferde nicht gern, aber sehen Sie sich etwa >Night Nurse< an, die das Championat gewonnen hat — sie hatte ein Herzgeräusch.«

«Aber wie oft haben Sie mit Pferden zu tun, die deswegen keine Rennen mehr laufen können?«

Er zuckte die Achseln.»Vielleicht zwei oder drei von hundert.«

George Caspar, überlegte ich, trainierte jährlich über hundertdreißig Pferde.

«Sind die Pferde von George Caspar im Durchschnitt anfälliger als die anderer Trainer?«erkundigte ich mich.

Die Besorgtheit kehrte in voller Stärke zurück.»Ich weiß nicht, ob ich diese Frage beantworten sollte.«

«Wenn die Antwort nein ist«, sagte ich,»wo liegt dann das Problem?«

«Aber der Grund Ihrer Frage.«

«Ein Klient«, log ich mit beklagenswerter Leichtigkeit,»möchte wissen, ob er George Caspar einen vielversprechenden Einjährigen anvertrauen kann. Er hat mich gebeten, mich nach >Gleaner< und >Zingaloo< zu erkundigen.«

«Ah, ich verstehe. Also nein, ich glaube nicht, daß es bei ihm mehr sind. Jedenfalls nicht signifikant mehr. Caspar ist natürlich ein vorzüglicher Trainer. Wenn Ihr Klient nicht der Habgier erliegt, sobald sein Pferd zwei Jahre alt ist, geht er nicht das geringste Risiko ein.«

«Vielen Dank«, sagte ich, stand auf und gab ihm die Hand.

«Ich nehme an, daß >Tri-Nitro< nichts am Herzen hat?«

«Überhaupt nichts. Der ist kerngesund. Sein Herz schlägt wie ein Gong, laut und rein.«

Kapitel 6

Das wär’s dann wohl«, sagte Chico, als wir bei Bier und Shepherd’s Pie im» White Hart Hotel «saßen.»Fall abgeschlossen. Mrs. Caspar hat eine winzigkleine Meise, und niemand ist an George Caspars Tierchen rangekommen außer Caspar selbst.«

«Das wird sie gar nicht gern hören«, sagte ich.

«Sagst du’s ihr?«

«Auf der Stelle. Wenn ich sie überzeugen kann, beruhigt sie sich vielleicht wieder.«

Ich rief also bei den Caspars an und fragte nach Rosemary, wobei ich mich als Mr. Barnes ausgab. Sie kam an den Apparat und sagte in jenem fragenden Tonfall» Hallo«, mit dem man unbekannte Anrufer zu begrüßen pflegt.

«Mr. Barnes?«

«Sid Halley hier.«

Sie war augenblicklich beunruhigt.»Ich kann jetzt nicht mit Ihnen sprechen.«

«Können wir uns irgendwo treffen?«

«Natürlich nicht. Ich habe keinerlei Anlaß, nach London zu fahren.«

«Ich bin hier in der Stadt bei Ihnen um die Ecke«, sagte ich.»Ich habe Ihnen einiges zu erzählen. Und ich glaube ehrlich gesagt nicht, daß es diesmal irgendwelcher Verkleidungen oder so bedarf.«

«Man darf mich nicht mit Ihnen zusammen in Newmarket sehen.«

Sie war dann aber doch bereit, mit ihrem Auto loszufahren, unterwegs Chico aufzulesen und sich von ihm den Weg zeigen zu lassen. Dann suchten Chico und ich uns auf der Karte einen Ort aus, der auf Paranoiker eigentlich beruhigend wirken müßte — den Friedhof von Barton Mills, acht Meilen in Richtung Norwich gelegen.

Wir parkten die Wagen nebeneinander vor dem Friedhofstor, und Rosemary und ich spazierten zwischen den Gräbern auf und ab. Sie trug wieder ihren rehbraunen Regenmantel und ein Kopftuch, darunter aber keine Perücke. Der Wind blies ihr Strähnen ihres kastanienbraunen Haars ins Gesicht, und sie strich sie ungeduldig zurück — nicht ganz so angespannt wie an dem Abend, als sie in meine Wohnung gekommen war, aber doch mit größerer Heftigkeit, als nötig gewesen wäre.

Ich berichtete ihr, daß ich Tom Garvey und Henry Thrace aufgesucht hatte. Ich erzählte auch von meinem Gespräch mit Brothersmith. Sie hörte mir zu und schüttelte schließlich den Kopf.

«Die Pferde sind mit Drogen müde gemacht worden«, sagte sie stur.»Da bin ich mir sicher.«

«Und wie?«

«Das weiß ich nicht. «Ihre Stimme hob sich, wurde scharf, und die Erregung ließ die Muskeln um ihren Mund zucken.»Ich hab’s Ihnen doch gesagt. Ich hab Ihnen gesagt, daß sie sich an >Tri-Nitro< ranmachen werden. Noch eine Woche bis zu den Guineas. Sie müssen ihn in dieser einen Woche schützen.«

Wir gingen einen Weg zwischen stillen Grabstellen und verwitterten Steinen entlang. Das Gras war gemäht, aber nirgends waren Blumen oder trauernde Angehörige zu se-hen. Die Toten hier waren schon lange dahin und vergessen, der frische Schmerz und die Tränen dem neuen Städtischen Friedhof vor den Toren der Stadt vorbehalten — braune Erdhaufen, leuchtend bunte Gebinde und Trauer in ordentlichen Reihen.