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Ich kannte die Stimme. Untertöne von Manchester, Obertöne vom oberen Teil der sozialen Stufenleiter. Das Selbstbewußtsein der Macht.

Trevor Deansgate.

Zuletzt gesehen in Newmarket, wo er im Pulk nach >Tri-Nitro< gesucht und ihn erkannt hatte, da er im Unterschied zu den meisten anderen den Bereiter kannte. Deansgate, der dann zum Frühstück zu den Caspars gegangen war. Der Buchmacher Trevor Deansgate war ein Fragezeichen gewesen, eine Möglichkeit, jemand, den man in Betracht ziehen, überprüfen mußte. Etwas, was ich getan hätte, aber noch nicht getan hatte.

«Nehmt ihm die Augenbinde ab«, sagte er.»Ich will, daß er mich sieht.«

Irgendwelche Finger brauchten ihre Zeit, bis sie den sehr festgezogenen Stoffknoten aufbekamen. Als das Tuch herunterfiel, war ich einen Augenblick vom Licht geblendet. Was ich danach als erstes erblickte, war der auf mich gerichtete Doppellauf einer Schrotflinte.

«Kanonen auch noch«, sagte ich säuerlich.

Es war eine Scheune, kein Stall. Zu meiner Linken türmte sich ein riesiger Stapel Strohballen, und rechts von mir stand ein paar Schritte entfernt ein Traktor. Meine Füße waren an der Zugstange einer Walze festgebunden. Die Scheune hatte ein hohes, auf Balken ruhendes Dach, von dem eine nackte, schwächliche Glühbirne herabhing und Trevor Deansgate beleuchtete.

«Sie sind ein wirklich schlaues Kerlchen, und das sehr zu Ihrem Schaden«, sagte er.»Wissen Sie, was man über Sie sagt? Wenn Halley hinter dir her ist, dann sieh dich vor. Der pirscht sich an dich ran, wenn du noch meinst, daß er nicht mal was von deiner Existenz weiß, und bevor du getickt hast, was eigentlich läuft, fallen schon die Zellentüren hinter dir zu.«

Ich sagte nichts. Was konnte man darauf schon sagen? Zumal, wenn man wie ein zusammengeschnürter Narr auf der falschen Seite einer Schrotflinte saß.

«Tja, Sie sehen, ich habe nicht auf Sie gewartet«, sagte er.»Ich weiß, daß Sie verdammt nah dran waren, mich einbuchten zu lassen. Haben nur noch Ihre Fallen aufgestellt, wie? Darauf gewartet, daß ich Ihnen in die Hände falle, wie schon so viele andere.«

Er verstummte und überdachte, was er soeben gesagt hatte.»In Ihre Hand«, verbesserte er sich dann.»Und in diese tolle Kralle.«

Er sprach in einer Art zu mir, die unseren gemeinsamen Ursprüngen Rechnung trug, der Tatsache, daß wir es beide, gemessen daran, einigermaßen weit gebracht hatten. Es war nicht so sehr eine Frage des Akzents, sondern des Verhaltens. Es war nicht erforderlich, sich in sozialer Hinsicht etwas vorzumachen. Die Botschaft war schlicht, erfolgte von gleich zu gleich und würde verstanden werden.

Wie schon in Newmarket, trug er auch jetzt einen Straßenanzug, diesmal weißer Nadelstreifen. Dazu eine Krawatte von Gucci. Die gepflegten Hände hielten die Schrotflinte mit der Könnerschaft, zu der einem viele, auf Land-sitzen verbrachte Wochenenden verhelfen. Was spielte es für eine Rolle, dachte ich, wenn die Finger, die den Abzug betätigten, sauber und manikürt waren? Was spielte es für eine Rolle, daß seine Schuhe so blitzblank geputzt waren… Ich konzentrierte mich auf diese bedeutungslosen Einzelheiten, weil ich nicht an den Tod denken wollte.

Er stand eine Weile schweigend vor mir, betrachtete mich nur. Ich saß so bewegungslos wie möglich da und dachte an einen netten, sicheren Job im Büro eines Börsenmaklers.

«Sie kann nichts aus der Fassung bringen, was?«sagte er schließlich.»Überhaupt nichts.«

Ich antwortete nicht.

Die anderen beiden Männer befanden sich rechts hinter mir, außerhalb meines Blickfeldes. Hin und wieder hörte ich ihre Füße übers Stroh scharren. Viel zu weit weg, um sie erreichen zu können.

Ich trug das, was ich für mein Mittagessen mit Charles angezogen hatte. Graue Hosen, Socken, dunkelbraune Schuhe. Ferner Hemd, Schlips und einen erst kürzlich erstandenen, ziemlich teuren Blazer — das Seil war eine Zugabe. Was spielte das schon für eine Rolle? Wenn er mich umbrachte, würde Jenny alles übrige bekommen. Ich hatte mein Testament nicht geändert.

Trevor Deansgate wandte seine Aufmerksamkeit den beiden Männern hinter mir zu.

«Hört zu«, sagte er,»und bringt mir nichts durcheinander. Nehmt die beiden Stricke da und bindet einen an seinen rechten und einen an seinen linken Arm. Paßt auf, falls er irgendwelche Tricks versucht.«

Er hob das Gewehr ein wenig, so daß ich nun direkt in die Läufe hineinschauen konnte. Wenn er von da aus schoß, dachte ich, würde er seine beiden Kumpel treffen.

Es sah doch nicht nach einer schnellen Exekution aus. Seine Kumpel waren damit beschäftigt, die beiden Stricke an meinen Handgelenken festzubinden.

«Nicht am linken Gelenk, du Blödmann«, rief Trevor Deansgate.»Das geht doch ab. Benutz mal deinen Verstand. Bind ihn weiter oben fest, über dem Ellbogen.«

Der betreffende Kumpel tat wie geheißen, zog den Knoten fest und hob dann fast beiläufig eine wie ein Brecheisen aussehende Metallstange auf, die er so fest packte, als fürchte er, ich könne mich wie Superman doch noch befreien und mich auf ihn stürzen.

Brechstange… plötzlich überliefen Schauder häßlicher Vorahnungen meine Kopfhaut. Ich war schon einmal einem Schurken begegnet, der genau gewußt hatte, wo er mich am empfindlichsten treffen konnte. Er hatte meine ohnehin schon unbrauchbare linke Hand mit einem Schürhaken zerschmettert und eine Verkrüppelung in einen Totalverlust verwandelt. Der Verlust meiner richtigen Hand hatte mich oft geschmerzt, ich hatte immer wieder still darunter gelitten, aber mir war bis zu diesem Übelkeit erregenden Augenblick gar nicht klar gewesen, wie teuer mir der verbliebene Rest war. Die Muskeln, die die Elektroden aktivierten — sie verhalfen mir doch zumindest zu etwas, das einer funktionierenden Hand nahekam. Wenn sie noch einmal verletzt würden, hätte ich nicht einmal mehr das. Und was den Ellbogen anbetraf… wenn er mich auf längere Zeit außer Gefecht setzen wollte, brauchte er nur die Brechstange zu benutzen.

«Das gefällt Ihnen gar nicht, wie, Mr. Halley?«meinte Trevor Deansgate.

Ich wandte mich wieder ihm zu. In seiner Stimme und in seinem Gesicht war plötzlich eine Mischung aus Triumph und Befriedigung — und so etwas wie Erleichterung.

Ich sagte nichts.

«Sie schwitzen ja«, bemerkte er.

Er gab seinen Kumpanen einen weiteren Befehl.»Macht das Seil um seine Brust los. Und Vorsicht dabei. Haltet die Stricke an seinen Armen gut fest.«

Sie lösten den Knoten und zogen das beengende Seil weg. Meine Fluchtchancen erhöhten sich dadurch allerdings nicht. Sie überschätzten meine Fähigkeiten, ihnen einen Kampf zu liefern, doch gewaltig.

«Legen Sie sich hin«, sagte Trevor zu mir, und als ich nicht sofort gehorchte, sagte er:»Stoßt ihn um. «So oder so, ich endete auf dem Rücken liegend.

«Ich habe nicht die Absicht, Sie umzubringen«, sagte er da.

«Natürlich könnte ich Ihre Leiche irgendwo verschwinden lassen, aber das gäbe zuviele Fragen. Das Risiko kann ich nicht eingehen. Wenn ich Sie aber schon nicht umbringe, muß ich Ihnen wenigstens das Maul stopfen, ein für allemal.«

Ich hatte keine Ahnung, wie er das machen wollte, ohne mich umzubringen — ich war ja so begriffsstutzig!

«Zieht den Arm zur Seite, vom Körper weg!«befahl er.

Mein linker Arm wurde mit Macht beiseite gezogen, und ich konnte nichts dagegen tun. Ich drehte den Kopf in diese Richtung und versuchte, nicht zu betteln und nicht zu weinen.

«Doch nicht den, du verdammter Schwachkopf!«brüllte Trevor los.»Den anderen, den rechten. Zieh ihn weg, zur Seite.«

Jetzt zog der Kerl zu meiner Rechten mit aller Kraft am Seil, bis mein Arm im rechten Winkel zu meinem Körper und gerade ausgestreckt lag, die Handfläche nach oben.

Trevor Deansgate trat auf mich zu und senkte das Gewehr, bis die beiden Läufe direkt auf das Handgelenk des ausgestreckten rechten Arms zeigten. Dann senkte er sie vorsichtig noch weiter, bis sie meine Haut berührten, und drückte das Gelenk nach unten auf den strohbedeckten Boden. Ich konnte die metallenen Ränder der Läufe hart auf den Knochen, Nervensträngen und Sehnen des Handgelenks spüren — auf der Brücke zu einer gesunden Hand.