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«Schon ein bißchen rätselhaft«, räumte ich ohne große Überzeugung ein. Pferde, die den in sie gesetzten Erwartungen nicht entsprachen, waren so normal wie verregnete Sonntage.

«Und schließlich >Bethesda<, im Jahr davor!«Sie starrte mich aufgebracht an.»Beste zweijährige Stute, monatelang Favorit für die 1000 Guineas und die Oaks. Bei den Guineas ging sie an den Start, als wäre sie eine Million Dollar wert, und wurde Zehnte. Zehnte, ich bitte Sie!«

«George hat die Pferde doch sicherlich alle untersuchen lassen«, sagte ich begütigend.

«Selbstverständlich. Wochenlang krochen die verdammten Viehdoktoren bei uns rum. Dopingkontrollen, alles. Alle Tests negativ. Drei großartige Pferde und alle drei zu nichts nütze. Und keine Erklärung dafür… Nichts!«

Ich seufzte leise. Das klang in meinen Ohren eher nach dem Schicksal der meisten Trainer als nach dem Anlaß zu melodramatischen Besuchen im Schutze von Perücke und Sonnenbrille.

«Und jetzt«, sagte sie und ließ die Bombe ganz beiläufig platzen,»haben wir da auch noch >Tri-Nitro<.«

Ganz gegen meine Absicht stieß ich die Luft hörbar aus, so daß es fast wie ein Aufstöhnen klang.»Tri-Nitro «füllte gerade die Sportseiten der Zeitungen, wurde als der beste Hengst des ganzen Jahrzehnts gepriesen. Im vergangenen Herbst hatte er als Zweijähriger alle Kontrahenten in den Schatten gestellt, und was seine Vormachtstellung im herannahenden Sommer anging, so wurde sie kaum in Frage gestellt. Ich hatte ihn im September die Middle Park Stakes in Newmarket in Rekordzeit gewinnen sehen, und mir war der weitausholende Schritt, der dieses Pferd in unglaublicher Schnelligkeit über den Turf jagen ließ, noch in lebhafter Erinnerung.

«Bis zu den 2000 Guineas sind es nur noch zwei Wochen«, sagte Rosemary.»Ja, genau noch vierzehn Tage. Stellen Sie sich mal vor, es passiert was… stellen Sie sich vor, es wird wieder genauso schlimm. und er versagt wie die anderen…?«

Sie zitterte wieder, aber als ich den Mund öffnete, um ihr zu antworten, fuhr sie schnell und mit erhobener Stimme fort:»Heute abend war die einzige Möglichkeit. ich konnte nur heute abend herkommen. und George würde fuchsteufelswild werden. Er meint, dem Pferd könne nichts passieren, niemand komme an es heran, sie hätten alles für seine Sicherheit getan. Aber er hat Angst, das weiß ich. Ist nervlich äußerst angespannt, fix und fertig. Ich habe ihm vorgeschlagen, Sie zu bitten, die Bewachung des Pferdes zu übernehmen, aber da ist er fast durchgedreht. Ich weiß nicht, warum. Ich habe ihn noch nie so wütend gesehen.«

«Rosemary«, setzte ich an und schüttelte den Kopf.

«Hören Sie«, schnitt sie mir das Wort ab,»ich möchte Sie bitten, dafür Sorge zu tragen, daß >Tri-Nitro< vor den 2000 Guineas nichts zustößt, das ist alles.«

«Alles…«

«Es wäre nicht sehr sinnvoll, sich hinterher zu wünschen… wenn da irgend jemand was versuchen würde… daß man Sie doch um Hilfe gebeten hätte. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen. Deshalb mußte ich herkommen. Ich konnte nicht anders. Sagen Sie schon ja. Sagen Sie mir, wieviel Sie dafür haben wollen, und ich zahl’s Ihnen.«

«Es geht mir nicht ums Geld«, sagte ich.»Sehen Sie… es ist doch ganz unmöglich, >Tri-Nitro< ohne Wissen und Zustimmung von George zu bewachen. Das geht einfach nicht.«

«Sie schaffen das schon, da bin ich sicher. Sie haben doch schon öfter Dinge getan, von denen die Leute meinten, sie seien nicht machbar. Ich mußte kommen, ich halte das alles nicht mehr aus. George auch nicht… nicht drei Jahre hintereinander. >Tri-Nitro< muß gewinnen. Sie müssen dafür sorgen, daß nichts dazwischenkommt. Sie müssen.«

Sie zitterte plötzlich noch heftiger als zuvor und sah ganz so aus, als würde sie im nächsten Augenblick einen hysterischen Anfall bekommen. Weniger aus dem Gefühl heraus, zur Lösung der mir zugedachten Aufgabe in der Lage zu sein, sondern eher in dem Bemühen, sie zu beruhigen, sagte ich:»Also gut, Rosemary. Ich will es versuchen.«

«Er muß gewinnen«, sagte sie.

Ich erwiderte besänftigend:»Warum sollte er auch nicht.«

Ihrem unfehlbaren Gespür entging der Unterton nicht, der sich ganz gegen meinen Willen in meine Worte eingeschlichen hatte: die Skepsis und eine selbstgefällige Neigung, ihr Drängen als Ergebnis der Hirngespinste einer nur allzu leicht erregbaren Frau abzutun. Ich konnte diese Nuancen selbst hören, hörte sie voller Unbehagen mit ihren Ohren.

«Du liebe Güte, ich verschwende nur meine Zeit, nicht wahr?«sagte sie bitter und stand auf.»Sie sind wie alle Männer. Sie glauben, mir sind die Wechseljahre aufs Gehirn geschlagen, und das erklärt dann alles.«

«Das stimmt nicht. Ich habe doch gesagt, daß ich’s versuchen will.«

«Ja. «Ihre ganze Verachtung lag in diesem einen Wort. Sie war dabei, ihren eigenen Zorn anzufachen, brauchte wohl eine Explosion. Genau genommen reichte sie mir ihr leeres Glas nicht, sondern warf es nach mir. Ich konnte es nicht auffangen, und es fiel auf die Kante des Couchtisches, wo es zerbrach.

Sie blickte auf die glitzernden Glassplitter hinab und rang um Beherrschung.

«Tut mir leid«, sagte sie kurz.

«Ist schon gut.«

«Schreiben Sie’s meiner Überanstrengung zu.«

«Ja.«

«Ich muß los und mir diesen Film ansehen. George wird danach fragen. «Sie schlüpfte in ihren Regenmantel und ging mit unsicheren Schritten zur Tür, da ihr ganzer Körper noch vor Anspannung zitterte.»Ich hätte nicht herkommen sollen. Aber ich dachte.«

Ich sagte mit Entschiedenheit:»Ich habe zugesagt, daß ich’s versuchen will, Rosemary, und mein Wort gilt.«

«Niemand weiß, wie das ist, was ich durchmache.«

Ich folgte ihr in den Flur hinaus und hatte fast das Gefühl, als versetze ihre schrille Verzweiflung die Luft regelrecht in Schwingungen. Sie nahm die schwarze Perücke von dem kleinen Garderobentischchen und setzte sie sich auf den Kopf, wobei sie ihr eigenes braunes Haar mit wilden, unwilligen Bewegungen darunterstopfte, voll Haß auf sich selbst, auf ihre Verkleidung und auf mich — sie haßte diesen Besuch, die Lügen, die sie George auftischen mußte, die miese Heimlichkeit ihres Tuns. Sie schminkte ihre Lippen wieder dunkelrot — mit unnötigem Kraftaufwand, als attak-kiere sie sich selbst. Dann zog sie mit heftigem Ruck den Knoten des Kopftuches fest und wühlte in ihrer Handtasche nach der Brille mit den dunkel getönten Gläsern.

«Vorhin habe ich mich auf der Toilette in der U-Bahn-Station umgezogen«, sagte sie.»Das Ganze ist widerlich. Aber ich möchte nicht, daß mich jemand von hier fortgehen sieht. Da ist was im Gange, ich weiß es. Und George hat Angst.«

Sie blieb vor der Wohnungstür stehen und wartete darauf, daß ich ihr öffnete — eine schmächtige, elegante Frau, die unbedingt häßlich aussehen wollte. Es wurde mir bewußt, daß sich wohl keine Frau ohne zwingende Gründe so verhielt — Gründe, die wichtiger waren als alle Selbstachtung. Ich hatte nichts getan, um ihre Sorgen zu verringern, und das lag wohl daran, daß ich sie viel zu lange in einer ganz anderen Rolle gekannt hatte. Sie hatte immer ganz selbstverständlich das Sagen gehabt, und ich war seit meinem 16. Lebensjahr respektvoll ihren Wünschen nachgekommen. Es ging mir durch den Kopf, daß ich ihr an diesem Abend wahrscheinlich mehr gedient hätte, wenn ich sie zum Weinen gebracht, ihr Wärme, menschliche Nähe, vielleicht sogar einen Kuß gegeben hätte. Aber die Sperre war da und ließ sich so leicht nicht lösen.