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Als ich die Autotür aufschloß, sagte Charles:»Hör nicht auf das, was Jenny von sich gibt, Sid.«

«Nein.«

«Komm nach Aynsford, wann immer du willst.«

Ich nickte.

«Ich meine das ernst, Sid.«

«Ja, ich weiß.«

«Vermaledeite Jenny!«brauste er auf.

«Ach nein. Sie ist nur unglücklich. Sie…«, ich machte eine Pause und fügte dann hinzu:»Ich glaube, sie braucht Trost. Eine Schulter, an der sie sich ausweinen kann, so was.«

«Mit Tränen kann ich gar nichts anfangen«, erwiderte er streng.

«Nein, ich weiß. «Ich seufzte, stieg ins Auto, winkte ihm einen Abschiedsgruß zu und fuhr über das holprige Gras zur Ausfahrt. Die Hilfe, die Jenny brauchte, würde sie von mir nie annehmen, und ihr Vater wußte nicht, wie er ihr helfen konnte. Noch so ein verdammter Schlamassel, noch so eine blödsinnige Ironie des Schicksals.

Ich fuhr in die Stadt und landete nach kurzer Parkplatzsuche in den Redaktionsräumen von Antiques for All, die sich als nur eine von mehreren Fachzeitschriften herausstellte, die ein Zeitungsverlag hier produzierte. Ich erklärte dem Redakteur von Antiques, einem blonden, ernsten jungen Mann mit dickrandiger Brille, die Situation und meine Wünsche.

«Unsere Versandliste?«sagte er zweifelnd.»Adressenlisten sind absolut vertraulich, wissen Sie.«

Ich erklärte ihm alles noch einmal, bauschte die Geschichte noch ein bißchen mehr auf. Mein treusorgendes Weib hinter Gittern, wenn ich den Betrüger nicht ausfindig machen könne — so in dieser Art.

«Na schön«, sagte er schließlich.»Aber wir haben sie im Computer gespeichert, und Sie müssen ein wenig warten, bis der Ausdruck fertig ist.«

Ich wartete geduldig und erhielt am Ende einen Stapel Papier mit 53000 Namen und Adressen, vielleicht abzüglich einiger verstorbener Bezüger.

«Wir wollen sie wiederhaben«, sagte er mahnend.»Ohne Kritzeleien drauf und vollständig.«

«Wie ist Norris Abbot da rangekommen?«fragte ich. Das wußte er nicht, und weder der Name noch die Beschreibung von Abbot/Ashe sagten ihm irgend etwas.

«Könnten Sie mir zusätzlich noch ein Freiexemplar Ihrer Zeitschrift zur Verfügung stellen?«

Ich bekam auch das und machte mich schnell davon, bevor er seine Großzügigkeit bedauern konnte. Wieder im Auto, rief ich Chico an und bat ihn, in meine Wohnung zu kommen.»Warte unten vor dem Haus auf mich«, sagte ich.»Dann kannst du meine Tasche rauftragen und dir dein Gehalt verdienen.«

Er war da, als ich vor einer freien Parkuhr anhielt, und wir gingen zusammen nach oben. Die Wohnung war leer und still und sicher.

«Eine Menge Lauferei, mein Sohn«, sagte ich, holte die Adressenliste aus der Reisetasche, in die ich sie gepackt hatte, und legte sie auf den Tisch.»Das gehört alles dir.«

Er besah sie sich ohne Begeisterung.»Und was ist mit dir?«

«Rennen in Chester«, antwortete ich.»Eins von den Syndikatspferden läuft morgen dort. Wir treffen uns am Donnerstagmorgen um zehn wieder hier, okay?«

«Ja. «Er dachte nach.»Mal angenommen, unser guter Nicky ist noch nicht soweit und läßt seine Spendenaufrufe erst nächste Woche rausgehen, nachdem wir nichts als Nieten gezogen haben?«

«Hm, ja… Nimm besser ein paar Selbstklebeetiketten mit meiner Anschrift mit und bitte die Leute, uns die Briefe herzuschicken, falls sie welche bekommen.«

«Vielleicht haben wir ja Glück.«

«Man kann nie wissen. Niemand läßt sich gern übers Ohr hauen.«

«Na gut, dann will ich mal anfangen. «Er nahm die Adressenliste und das Freiexemplar der Zeitschrift an sich und wandte sich zum Gehen.

«Ach, Chico… bleib doch bitte noch, bis ich meine Tasche gepackt habe. Ich denke, ich mach mich gleich auf den Weg nach Norden. Warte noch, bis ich fertig bin.«

Er war verwirrt.»Wenn du meinst. Aber wieso?«

«Äh…«

«Na los, Sid, raus damit.«

«Peter Rammileese und zwei Typen waren gestern in Highalane Park hinter mir her. Deshalb wär's mir lieber, du bleibst noch, bis ich hier raus bin.«

«Was für Typen?«fragte er argwöhnisch.

Ich nickte.»Eben solche. Harter Blick und harte Stiefel.«»Typen, die in Tunbridge Wells Leute halb zu Tode treten?«

«Möglicherweise.«

«Du bist ihnen also entwischt, wie ich sehe.«

«In einem Heißluftballon. «Ich erzählte ihm von der Wettfahrt, während ich ein paar Sachen in meinen Koffer packte. Er lachte über die Geschichte, kam dann aber sehr ernst wieder zur Sache.

«Diese beiden Typen von dir, das klingt gar nicht nach den üblichen Mietganoven«, sagte er.»Laß mich mal das Jackett da zusammenlegen. Du trittst ja sonst total zerknittert in Chester auf.«

Er nahm mir das Packen ab, erledigte es schnell und gekonnt.

«Hast du die Ersatzbatterien? Im Bad liegt noch eine. «Ich holte sie.»Weißt du, Sid, diese Syndikate gefallen mir gar nicht. «Er machte die Schlösser zu und trug den Koffer in den Flur.»Laß uns Lucas Wainwright sagen, daß wir von dem Auftrag zurücktreten.«

«Und wer sagt Peter Rammileese Bescheid?«

«Wir. Wir rufen ihn an und sagen’s ihm.«

«Dann mach’s«, sagte ich.»Jetzt gleich.«

Wir standen im Flur und sahen uns an. Dann zuckte er die Achseln und nahm den Koffer auf.»Hast du alles?«fragte er.

«Regenmantel?«Wir gingen hinunter zum Auto und verstauten den Koffer im Gepäckraum,»Hör zu, Sid, paß auf dich auf, ja? Ich mag keine Krankenhausbesuche, das weißt du.«

«Und verschmeiß du mir ja die Adressenliste nicht«, sagte ich.

«Sonst wird der Redakteur von Antiques sehr, sehr böse.«

Ich quartierte mich unbehelligt in einem Motel ein und verbrachte den Abend vor dem Fernseher. Am Nachmittag des folgenden Tages gelangte ich dann problemlos zum Rennen nach Chester.

Die übliche Menschenmenge hatte sich versammelt, stand wie üblich herum und führte die üblichen Gespräche. Es war das erste Mal seit der trübseligen Woche in Paris, daß ich wieder auf eine Rennbahn kam, und es schien mir, als ich sie betrat, daß die Veränderung, die sich in mir vollzogen hatte, deutlich zu sehen sein müßte. Aber natürlich bemerkte niemand das brennende Gefühl der Scham, das mich erfüllte, als ich George Caspar vor der Waage stehen sah, und es gab auch niemanden, der mir anders als sonst begegnet wäre. Ich war es, ich allein, der wußte, daß ich das freundliche Lächeln und die Begrüßung der Menschen nicht verdiente. Ich war ein Betrüger. Ich wand mich innerlich, hatte nicht geahnt, daß ich mich so mies fühlen würde.

Der Trainer aus Newmarket, der mir angeboten hatte, mal wieder mit seinem Lot rauszureiten, war da und wiederholte seine Einladung.

«Also wie steht’s? Komm doch schon am Freitag zu uns, übernachte bei uns und reite dann am Samstag mit zur Morgenarbeit.«

Man hätte mir, so ging mir durch den Kopf, wirklich nichts Schöneres bieten können — außerdem würde es Peter Rammileese und seinen lustigen Gesellen nicht gerade leichtfallen, mich dort ausfindig zu machen.

«Gut, Martin… ja, ich komme sehr gern.«

«Großartig. «Er schien wirklich erfreut zu sein.»Komm am Freitagabend zum Rundgang durch die Ställe.«

Er verschwand in der Waage, und ich fragte mich, ob er mich wohl auch eingeladen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, wie ich den Tag der 2000 Guineas verbracht hatte.

Bobby Unwin nagelte mich mit fragendem Blick fest.»Wo hast du denn gesteckt? Ich habe dich gar nicht bei den Guineas gesehen.«

«Ich war nicht dort.«

«Ich dachte, du hättest gar nicht anders gekonnt, als dabei zu sein, wo du dich doch so lebhaft für >Tri-Nitro< interessiert hast.«