«Bienenwachs!«sagte ich ungläubig.
Er nickte.»Bienenwachs, Paraffin und Terpentin, das ist das, was in der Politur drin ist. «Er rauchte genüßlich, nahm sich Zeit.»Eine reizende Dame hat mir sehr nett geholfen. Wir haben viel Zeit damit zugebracht, in den Auftragsbüchern zurückzublättern. Die Leute bestellen selten so große Mengen, wie Jenny es getan hat, und verlangen noch seltener, daß die Dosen in weißen Schachteln, also versandfertig, geliefert werden. «Seine Augen strahlten über der Glut der Zigarre.»Um genau zu sein, waren es nur drei Leute… und alle im vergangenen Jahr.«
«Drei… glaubst du… daß es jedesmal Nicholas Ashe war?«
«Es war jedesmal etwa die gleiche Menge«, sagte er genüßlich.»Verschiedene Namen und Adressen, versteht sich.«
«Die du dir notiert hast?«
«Die ich mir notiert habe. «Er zog ein zusammengefaltetes Papier aus der Innentasche seines Jacketts und reichte es mir.
«Da sind sie.«
«Wir haben ihn«, sagte ich mit größter Zufriedenheit.»Er ist doch ein Dummkopf.«
«Übrigens tauchte auch ein Polizeibeamter dort auf, der das gleiche Anliegen hatte«, sagte Charles.»Er kam, kurz nachdem ich mir die Namen aufgeschrieben hatte. Es sieht ganz so aus, als ob sie tatsächlich hinter Ashe her wären.«
«Gut. Sag mal… hast du ihnen was von der Adressenliste gesagt?«
«Nein, habe ich nicht. «Er hielt sein Glas gegen das Licht und betrachtete es mit blinzelnden Augen, als sei ein Pink Gin nicht wie der andere und als gelte es deshalb, sich seine Farbe einzuprägen.»Ich fände es ganz schön, wenn du ihn vor ihnen findest.«
«Hm. «Ich dachte darüber nach.»Wenn du meinst, daß Jenny mir dafür dankbar sein wird, irrst du dich.«
«Aber du hättest ihr immerhin aus der Patsche geholfen.«
«Ihr wäre es lieber, wenn das die Polizei täte. «Sie wäre, dachte ich, vielleicht sogar wieder netter zu mir, wenn sie wüßte, daß ich versagt hatte — aber an dieser Art von Nettigkeit lag mir nichts.
Chico rief im Laufe des frühen Nachmittags an.
«Was hast du um diese Tageszeit im Schlafzimmer zu suchen?«verlangte er zu wissen.
«Ich schaue mir die Rennen in Chester im Fernsehen an.«
«Das leuchtet ein«, sagte er resignierend.»Also, ich hab das Gelände erkundet und festgestellt, daß es sich gut machen läßt. Nur mußt du vor vier Uhr durch den Haupteingang reingegangen sein. Ich habe die kleinen Scheißer nach Hause geschickt. So, und nun das, was du zu tun hast. Du gehst zum Eingang rein, klar, als ob du da echt was zu tun hättest. Weiter. Unten in der Eingangshalle gibt’ s zwei Aufzüge. Mit dem einen kommt man zu ein paar Firmen im ersten und zweiten Stock und auch in den dritten, wo sich nur der Jockey Club breitgemacht hat. Das ist dir ja bekannt.«
«Ja«, sagte ich.
«Wenn nun all die kleinen Angestellten und die Obermohren und so weiter nach Hause gegangen sind, bleibt dieser Lift über Nacht mit geöffneter Tür im dritten Stock stehen, damit ihn keiner benutzen kann. Das besorgt der Nachtwächter, der danach aber keinen Rundgang mehr macht, sondern unten hocken bleibt. Ach ja, wenn er mit dem Lift oben fertig ist, geht er durchs Treppenhaus runter und schließt auf jedem Treppenabsatz die Zwischentür zur nächsten Etage ab, also insgesamt drei. Alles klar?«
«Ja.«
«Schön. Dann ist da also noch der andere Lift, der für die oberen vier Etagen des Gebäudes da ist, wo sich acht
Wohnungen befinden, zwei auf jeder. Und zwischen diesen Etagen und dem Jockey Club gibt’s nur eine Tür im Treppenhaus, die abgeschlossen ist.«
«Kapiert«, sagte ich.
«Gut. Ich denke mir jetzt, daß der Portier, oder wie immer man den nennen soll, der unten am Eingang sitzt, dich vielleicht vom Sehen her kennt und es wohl etwas seltsam finden dürfte, wenn du nach Büroschluß dort auftauchst. Du gehst also besser vorher rein und fährst mit dem Lift zu den Wohnungen hoch, und zwar bis ganz nach oben, und da treffen wir uns. Guter Platz, denn da gibt’s so eine Art Bänkchen neben einem der Flurfenster. Nimm dir was zu lesen mit oder so.«
«Wir seh’n uns also später«, sagte ich.
Ich fuhr im Taxi hin, gewappnet mit einer plausiblen Erklärung für meinen Besuch, falls ich in der Halle einem Bekannten begegnete. Aber ich traf niemanden und erreichte völlig problemlos den Lift, der mich nach oben brachte. Dort stand, wie Chico gesagt hatte, neben einem der Fenster eine Bank, auf der ich mich niederließ, um über eine Stunde lang unproduktiv über dies und das nachzudenken. Niemand betrat oder verließ die beiden Wohnungen dort oben. Niemand kam im Lift herauf. Als sich dann seine Türen zum erstenmal öffneten, war es Chico.
Er trug einen weißen Overall und hatte eine Werkzeugtasche bei sich. Ich betrachtete ihn spöttisch von Kopf bis Fuß.
«Na ja«, sagte er, sich verteidigend,»man muß seiner Rolle doch gerecht werden. Auch im Aussehen. Ich war in diesem Kostüm vorhin schon mal da und hab beim Gehen dem Kerl unten gesagt, daß ich Ersatzteile holen müßte. Als ich eben reinkam, hat er mir nur zugenickt. Wenn wir fertig sind, werd ich ihn ablenken, bis du dich verdrückt hast.«
«Wenn’s noch der gleiche Bursche ist.«
«Er geht um acht. Bis dahin sollten wir besser fertig sein.«
«War der Lift zum Jockey Club noch in Betrieb?«erkundigte ich mich.
«Ja, war er.«
«Und die Tür zwischen Jockey Club und vierter Etage ist abgeschlossen?«
«Ja.«
«Dann laß uns runtergehen, damit wir hören, wenn der Portier mit dem Lift raufkommt und ihn da stehenläßt.«
Er nickte. Wir betraten durch die Tür neben dem Lift das Treppenhaus, das schnörkellos nüchtern war und von elektrischem Licht beleuchtet wurde. Dort stellten wir die leicht klappernde Werkzeugtasche ab. Vier Stockwerke tiefer kamen wir an die verschlossene Tür, wo wir stehen blieben und warteten.
Die schmucklose Tür, wahrscheinlich aus Preßspan hergestellt, war auf unserer Seite mit einer silbrigen Metallplatte verstärkt und mit einem versenkten Steckschloß gesichert, gehörte mithin zu jener Art von Hindernissen, die zu überwinden Chico für gewöhnlich nur drei Minuten Zeit kostete.
Wie bei solchen Exkursionen üblich, hatten wir uns Handschuhe mitgebracht. Ich erinnerte mich an eine unserer allerersten Unternehmungen, bei der Chico gemeint hatte:»Einen Vorteil hat deine Hand ja — sie hinterläßt keine Abdrücke. «Ich trug aber trotzdem einen Handschuh drüber, da sie so viel weniger auffiel — falls uns jemand zufällig irgendwo sah, wo wir nichts zu suchen hatten.
Ich hatte mich nie so richtig daran gewöhnen können, irgendwo einzubrechen, jedenfalls nicht so weit, daß mein Pulsschlag sich nicht beschleunigte und mein Atem nicht schneller ging. Und auch Chico, der da über sehr viel mehr Erfahrung verfügte, verriet sich dadurch, daß sich die Haut über seinen Backenknochen straffte, so daß die Lachfält-chen um seine Augen verschwanden. Und so warteten wir mit allen körperlichen Anzeichen von Anspannung, denn wir kannten das Risiko.
Dann hörten wir, wie der Lift heraufkam und stehenblieb. Hielten die Luft an, um mitzubekommen, ob er auch wieder nach unten fahren würde, was er jedoch nicht tat. Statt dessen ließ uns das Geräusch erstarren, mit dem jemand die Tür, hinter der wir uns befanden, aufschloß. Ich fing Chicos erschrockenen Blick auf, als er vom Schloß weg und zu mir auf die andere Seite der Tür sprang, wo wir uns beide flach an die Wand drückten.
Die Tür öffnete sich, bis sie meine Brust berührte. Der Portier hüstelte und schniefte auf der anderen Seite des uns trennenden Holzes und blickte, so stellte ich mir vor, die Treppe hinauf, um sich zu vergewissern, daß alles so war, wie es sein sollte.
Die Tür schloß sich wieder, der Schlüssel drehte sich im Schloß. Ich ließ den angehaltenen Atem langsam und leise zischend entweichen, und Chico bedachte mich mit einem kränklichen Grinsen, das dem allmählichen Nachlassen seiner Anspannung entsprang.