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«Die Beilage liegt in meiner Aktenmappe im Pressezimmer«, sagte er.»Wofür brauchst du sie denn?«

«Interessiert mich halt ganz allgemein.«

«Na, komm schon«, sagte er.»Woran arbeitest du?«

«Und würdest du mich bitte bei deinem nächsten heißen Knüller vorab informieren?«erwiderte ich.

«Gut, gut«, sagte er.»Schon kapiert. Aber das kostet dich eine Flasche vom besten Schampus, der in der Clubbar zu haben ist. Nach dem ersten Rennen, okay?«

«Und könnte ich für ein paar zusätzliche Lachssandwiches auch ein paar Hintergrundinformationen bekommen, die noch nicht im Druck erschienen sind?«

Er grinste häßlich und meinte, er sehe keinen Grund, der dagegen spreche — und zu gegebener Zeit, das heißt nach dem ersten Rennen, hielt er sich an die getroffene Vereinbarung.

«Du kannst es dir doch leisten, Sid, alter Junge«, sagte er, verschlang ein Sandwich mit rosafarbenem Belag und legte schützend die Hand um den mit Goldfolie überzogenen Hals der Flasche, die neben uns auf dem Bartresen stand.»Was möchtest du denn nun wissen?«

«Du bist doch sicher in Newmarket… in Caspars Stall gewesen… damals, als du diesen Artikel geschrieben hast, oder nicht?«Ich deutete auf die Wochenendbeilage, die längs gefaltet neben der Flasche lag.

«Aber klar doch.«

«Dann erzähl mir doch mal, was du nicht geschrieben hast.«

Er hörte zu kauen auf.»Über welchen Daseinsbereich?«

«Was hältst du ganz privat von dem Menschen George?«

Seine Stimme wand sich um Bröckchen braunen Brotes herum.»Das habe ich so gut wie alles in dem Artikel da geschrieben. «Er blickte auf die Beilage hinab.»Er versteht mehr davon, wann ein Pferd fürs Rennen einsatzbereit ist und welches Rennen für es in Frage kommt, als jeder andere Trainer auf dem Turf. Dabei hat er für Menschen soviel Gespür wie ein Stein. Er kennt Namen und Stammbaum, bis zurück zur Sintflut, von jedem einzelnen der über hundertzwanzig Pferde in seinem Stall, und er erkennt sie alle auch noch bei strömendem Regen und von hinten, was praktisch gar nicht möglich ist, aber die vierzig Stallburschen, die für ihn arbeiten, die nennt er alle Tommy, weil er sie absolut nicht auseinanderhalten kann.«»Stallburschen kommen und gehen«, stellte ich sachlich fest.

«Pferde auch. Sein Kopf ist halt darauf geeicht. Leute scheren ihn einen Dreck.«

«Und wie steht’s mit den Frauen?«erkundigte ich mich.

«Er benutzt sie, die armen Dinger. Ich wette, daß er selbst dann, wenn er mit ihnen schläft, noch darüber nachdenkt, welche Pferde er am nächsten Tag laufen lassen soll.«

«Und Rosemary… was hält sie so von alledem?«

Ich füllte sein Glas nach und nahm einen Schluck aus dem meinen. Bobby schlang den Rest seines Sandwiches hinunter und leckte sich die Krümel von den Fingern.

«Rosemary? Die ist schon halbwegs übergeschnappt.«

«Beim Rennen gestern sah sie eigentlich ganz normal aus«, entgegnete ich.»Und heute ist sie doch auch da.«

«Schön und gut, in der Öffentlichkeit kann sie durchaus noch die große Dame mimen, das stimmt schon, aber ich war drei Tage lang Gast in ihrem Haus, und ich kann dir nur sagen, alter Knabe, daß man das, was da vor sich geht, selbst miterlebt haben muß, um es glauben zu können.«

«Was zum Beispiel?«

«Zum Beispiel, daß Rosemary im ganzen Haus rumbrüllt, die Sicherheitsmaßnahmen im Stall seien nicht ausreichend, und George ihr rät, die Schnauze zu halten. Rosemary leidet unter der fixen Idee, daß jemand an ein paar von ihren Pferden rumgepfuscht hat, und ich glaube, sie hat gar nicht so unrecht damit, denn man kann keinen so großen und so erfolgreichen Stall sein eigen nennen, ohne nicht auch eine entsprechende Menge an Ganoven abzubekommen, die Einfluß auf die Gewinnchancen zu nehmen versuchen. Jedenfalls«- er nahm einen großen

Schluck und griff nach der Flasche, um seine Vorräte großzügig wieder aufzufüllen —»packte sie mich eines Tages in der Diele am Jackett — und die Diele ist so groß wie eine geräumige Scheune —, packte mich also buchstäblich am Jackett und erklärte mir, daß ich lieber mal was über >Gleaner< und >Zingaloo< und über Manipulationsversuche schreiben solle… du erinnerst dich doch, diese beiden superschnellen Zweijährigen, mit denen es dann irgendwie nicht weiterging… und George kam aus seinem Arbeitszimmer und sagte, sie sei neurotisch und leide unter den Wechseljahren, und dann kam es in meiner Gegenwart zu einer regelrechten Schlammschlacht. «Er holte Luft und nahm einen Schluck.»Das Komische ist, daß sie sich trotzdem irgendwie mögen, glaube ich. Soweit er überhaupt jemanden mögen kann.«

Ich fuhr mir mit der Zunge über die Zähne und gab mir den Anschein, nur mäßig interessiert zu sein, so, als sei ich in Gedanken ganz woanders.»Und was meinte George zu ihrer Geschichte von >Gleaner< und >Zingaloo<?«fragte ich.

«Er ging einfach davon aus, daß ich sie nicht ernst nehmen würde, aber wie dem auch sei, er sagte mir dann doch, daß sie wahnsinnige Angst habe, jemand könnte >Tri-Nitro< klauen, und daß sie immer alles übertreibe. Das sei halt ihr Alter, sagte er. Er meinte, Frauen führten sich in diesem Alter immer so eigenartig auf. Er sagte, die Sicherheitsmaßnahmen, die man wegen ihrer ständigen Drängelei im Falle von >Tri-Nitro< ergriffen habe, seien schon doppelt so intensiv wie das, was er normalerweise für notwendig erachte, und mit Beginn der neuen Saison werde er sogar für Nachtwächter mit Hunden und dergleichen sorgen. Das heißt also jetzt. Er sagte mir, daß Rosemary sich irre, wenn sie glaube, >Gleaner< und >Zingaloo< seien manipuliert worden, aber sie habe nun mal diese

Zwangsvorstellung, und er wolle ihr bis zu einem gewissen Grad entgegenkommen, um zu verhindern, daß sie völlig überschnappt. Es scheint, daß beide… ich meine die Pferde… ein Herzgeräusch hatten, was natürlich die miserable Leistung erklären würde, die sie brachten, als sie älter und schwerer wurden. Das ist alles. Keine Story. «Er leerte sein Glas und füllte es wieder.»Also, mein lieber Sid, was willst du denn nun wirklich über George Caspar wissen?«

«Hm«, sagte ich.»Glaubst du, daß er vor irgend etwas Angst hat?«

«George?«sagte er ungläubig.»Was sollte das sein?«

«Ich weiß nicht, irgend etwas.«

«Als ich dort war, hatte ich den Eindruck, daß er soviel Angst hatte wie eine Tonne Stahlbeton.«

«Er wirkte nicht beunruhigt?«

«Nicht im geringsten.«

«Oder nervös?«

Er zuckte die Achseln.»Nur seiner Frau gegenüber.«

«Wann warst du eigentlich dort?«

«Warte mal…«Er überlegte.»Nach Weihnachten. Ja… es war in der zweiten Januarwoche. Wir müssen diese Wochenendbeilagen immer schon so lange im voraus produzieren.«

«Du glaubst also nicht«, sagte ich langsam und mit einem Unterton von Enttäuschung,»daß ihm an einem zusätzlichen Schutz für >Tri-Nitro< gelegen wäre?«

«Das ist’s also, was dich beschäftigt?«Er griente anzüglich.

«Da läuft nichts, mein lieber Sid. Versuch’s bei einem mit kleinerer Schuhgröße. George hat seinen ganzen verdammten Stall verrammelt. Abgesehen davon handelt es sich um eines dieser alten Dinger, die von einer Mauer eingeschlossen sind wie eine Festung. Und dann gibt’s da drei Meter hohe Doppeltore mit einer Krone aus Stahlspitzen oben drauf.«

Ich nickte.»Ja… hab ich gesehen.«

«Na bitte. «Er zuckte mit den Schultern, als sei die Sache damit erledigt.

In allen Bars von Kempton waren Fernsehgeräte vorhanden, um auch die ernsthaften Trinker über den Stand der Rennen draußen auf dem laufenden zu halten, und Bobby Unwin und ich sahen uns auf dem am nächsten stehenden Gerät das zweite Rennen an. Das Pferd, das mit sechs Längen Vorsprung gewann, gehörte zu denen, die von George Caspar trainiert wurden, und während Bobby nachdenklich den Rest des Champagners betrachtete, der noch in der Flasche war, betrat George die Bar. Hinter ihm kam ein fülliger Mann in kamelhaarfarbenem Mantel herein, dem deutlich der zufriedene, weil siegreiche Besitzer anzusehen war. Strahlendes Siegerlächeln, große Gesten, die Runde übernehme ich.