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Auf den Gesichtern erschienen tiefe Falten.

«Danach war ich… äh… eine Woche nicht da und verlor leider auch die Notizen, die ich mir gemacht hatte, so daß ich noch mal herkommen mußte. Bei dieser Gelegenheit entdeckte Eddy Keith, daß ich Einsicht in seine Unterlagen genommen hatte, worüber er sich bei Ihnen, Sir Thomas… Sie erinnern sich daran?… beschwerte.«

«Ja, das stimmt. Ich habe ihm gesagt, er solle deswegen nicht so ein Theater machen.«

Ein paar der Anwesenden lächelten, und die Anspannung ließ ganz allgemein ein bißchen nach. Ich verspürte große Müdigkeit in mir.

«Fahren Sie fort, Sid«, sagte Sir Thomas.

Fortfahren, dachte ich. Ich wünschte mir, ich würde mich weniger schwach, weniger zittrig und weniger zerschlagen fühlen. Ich mußte aber weitermachen, da ich nun mal angefangen hatte. Los, mach weiter, fahr fort!

Ich sagte:»Nun ja, Chico Barnes, der am Dienstag mit mir zusammen hier gewesen ist…«Alle nickten.»Also, Chico und ich fuhren nach Tunbridge Wells, um dort Peter Rammileese aufzusuchen. Er war zufällig nicht zu Hause. Seine Frau und sein Sohn waren da, aber seine Frau war vom Pferd gefallen, und Chico begleitete sie und den Sohn ins Krankenhaus, so daß nur noch ich dort übrigblieb… und ein unverschlossenes Haus. Da habe ich. äh. mich mal ein bißchen umgeschaut.«

Die Gesichter sagten zwar» Aber, aber«, nicht jedoch die Münder.

«Ich suchte nach Hinweisen auf eine direkte Verbindung zu Eddy Keith, aber das ganze Haus war geradezu anormal sauber aufgeräumt und sah verdächtig danach aus, als sei es gezielt für einen Besuch der Steuerfahndung hergerichtet worden.«

Die Gesichter deuteten ein Lächeln an.

«Lucas hatte mich gleich zu Anfang darauf hingewiesen, daß er mir, da der Auftrag inoffiziell sei, keine Bezahlung anbieten könne, mir statt dessen aber im Bedarfsfall Hilfestellung geben würde. Ich bat ihn deshalb, mir in der Angelegenheit Trevor Deansgate zu helfen, und das hat er auch getan.«

«Und wie, Sid?«

«Ich bat ihn, einen Brief an Henry Thrace zu schreiben, in dem er diesen aufforderte, den Jockey Club sofort zu verständigen, wenn >Gleaner< oder >Zingaloo< eingehen sollten. Wenn das geschähe, wollte Lucas mir Bescheid geben, damit ich eine gründliche Untersuchung durchführen und eine Obduktion veranlassen könnte.«

Alle nickten, erinnerten sich.

«Und dann«, berichtete ich weiter,»entdeckte ich, daß mir Peter Rammileese im Nacken saß, er und zwei sehr große Burschen, die ganz so aussahen, als brächten sie es fertig, Leuten den Schädel einzutreten und sie blind in den Straßen von Tunbridge Wells liegenzulassen.«

Kein Lächeln.

«Diesmal konnte ich ihnen entwischen und verbrachte die folgende Woche damit, in möglichst unvorhersehbarer Weise in England herumzufahren, damit niemand wußte, wo ich zu finden sei. In diesen Tagen, in denen ich vor allem eine ganze Menge über >Gleaner< und über Herzklappen erfuhr, wurde mir auch zugetragen, daß die beiden Riesen in Diensten von Peter Rammileese für irgendeinen speziellen, seine Syndikate betreffenden Job eigens aus Schottland importiert worden seien. Und ich hörte Gerüchte, daß es ganz oben im Sicherheitsdienst jemanden geben solle, der angeblich gegen angemessene Bezahlung krumme Dinge wieder geradebiege.«

Sie waren erneut schockiert.

«Wer hat Ihnen das gesagt, Sid?«wollte Sir Thomas wissen.

«Jemand, auf den Verlaß ist«, sagte ich nur und dachte mir, daß sie einen gesperrten Jockey wie Jacksy vielleicht weit weniger verläßlich finden würden als ich.

«Fahren Sie fort.«

«Eigentlich kam ich bei den Syndikaten nicht so recht voran, aber Peter Rammileese glaubte anscheinend das Gegenteil, denn er und seine zwei Muskelmänner stellten Chico und mir eine Falle. Das war vorgestern.«

Sir Thomas überlegte kurz und sagte dann:»Ich dachte, Sie wollten vorgestern mit Lucas nach Newmarket zu den Caspars fahren. Also einen Tag, nachdem Sie uns hier von Trevor Deansgate berichtet hatten.«

«Ja, wir sind auch in Newmarket gewesen. Und ich beging den Fehler, mein Auto den ganzen Tag über und für jedermann sichtbar hier ganz in der Nähe stehenzulassen. Da warteten dann die beiden Burschen auf uns, als wir zurückkamen. Und… äh… sie entführten Chico und mich, und wir landeten auf dem Hof von Peter Rammileese in Tunbridge Wells.«

Sir Thomas runzelte die Stirn. Die anderen hörten meinem sachlichen Bericht weiterhin ruhig zu, denn obwohl ihnen klar sein mußte, daß es da nicht ohne Gewaltanwendung abgegangen sein konnte, waren sie sich doch stillschweigend darin einig, daß so etwas nun einmal vorkam.

Es hatte wohl selten eine stillere, aufmerksamere Zuhörerschaft gegeben, dachte ich.

«Sie setzten Chico und mir ziemlich arg zu«, sagte ich.»Aber wir kamen schließlich doch wieder raus, und zwar dank des kleinen Sohns von Rammileese, der uns zufällig die Tür aufmachte. So endeten wir nicht auf den Straßen von Tunbridge Wells, sondern im Haus meines Schwiegervaters in der Nähe von Oxford.«

Alle sahen auf Charles, der nickte.

Ich holte tief Luft.»Ungefähr zu diesem Zeitpunkt«, sagte ich,»fing ich an, alles andersherum zu sehen.«

«Wie meinen Sie das, Sid?«

«Bis dahin hatte ich geglaubt, die beiden Schotten sollten uns daran hindern, bei den Syndikaten das zu finden, was wir suchten.«

Alle nickten. Natürlich.

«Aber angenommen, das Gegenteil wäre der Fall. Angenommen, ich wäre auf die Syndikate angesetzt worden, um in die Falle gelockt werden zu können. Angenommen, die Falle wäre Sinn und Zweck des ganzen Unternehmens gewesen.«

Schweigen.

Ich war beim schwierigsten, härtesten Teil meines Berichts angelangt und brauchte die Reserven an Durchstehvermögen und Willenskraft, die ich nicht hatte. Ich spürte nur, wie Charles, der völlig unbeweglich neben mir saß, versuchte, mir etwas von seiner Stärke abzugeben.

Und ich spürte, wie ich zitterte. Trotzdem bemühte ich mich, in sachlichem, kaltem Ton weiterzusprechen und die Dinge zu sagen, die ich nicht sagen mochte, die aber gesagt werden mußten.

«Man zeigte mir einen Feind, nämlich Peter Rammi-leese. Man lieferte mir einen Grund dafür, daß ich zusammengeschlagen wurde, nämlich die Syndikate. Man bereitete mich darauf vor, daß so etwas geschehen würde, nämlich durch Mason und sein Schicksal. Man lieferte mir den Hintergrund zu dem, was geschah — und zwar einen Hintergrund, den ich akzeptieren würde.«

Vollkommene Stille und leere, verständnislose Gesichter.

«Wenn jemand«, fuhr ich fort,»aus heiterem Himmel so über mich hergefallen wäre, hätte ich keine Ruhe gegeben, bis ich herausgefunden hätte, wer das gewesen war und warum er es getan hatte. Deshalb dachte ich jetzt: Mal angenommen, jemand wollte mich attackieren, aber unbedingt so, daß ich nicht dahinterkommen würde, wer’s gewesen war und aus welchem Grund er’s getan hatte. Dann würde ich, wenn man mir einen falschen Wer und ein falsches Warum lieferte, damit zufrieden sein und der Sache nicht weiter nachgehen.«

Ein oder zwei Köpfe nickten ganz leicht.

«Und ich habe auch eine Weile an diesen Wer und dieses Warum geglaubt«, sagte ich.»Aber als der Angriff dann erfolgte, war er so unverhältnismäßig. und aus dem, was einer der Angreifer sagte, konnte ich schließen, daß es gar nicht Peter Rammileese war, der sie bezahlte, sondern jemand anderes.«