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»Wer, in Hels Namen, ist er?« Er fröstelte plötzlich unkontrollierbar. »Thod erwarb sich in Caithnard das schwarze Gewand der Meisterschaft. Er war ein Rätselmeister. Er kannte meinen Namen, noch ehe ich ihn kannte. Ich hatte einmal den Verdacht, er könnte ein Zauberer von Lungold sein. Ich fragte ihn danach.«

»Was sagte er?«

»Er sagte, er wäre der Harfner des Erhabenen. Darauf fragte ich ihn, was er in Isig getan hätte, als Yrth meine Harfe machte, hundert Jahre vor seiner Geburt. Und er antwortete, ich sollte ihm vertrauen. Blind vertrauen, tiefer als alle Logik, alle Vernunft und alle Hoffnung. Und dann verriet er mich.« Er zog sie an sich, doch der Wind zwängte sich zwischen sie wie eine Messerklinge. »Es ist kalt. Nie zuvor war es so kalt.«

»Was willst du tun?«

»Was will er? Ist er ein Erdherr, der sein eigenes geheimes Spiel um die Macht treibt? Will er mich lebend oder tot? Will er den Erhabenen lebend oder tot?«

»Ich weiß es nicht. Du bist der Rätsellöser. Er hat dich herausgefordert. Frage ihn.«

Er blieb stumm, während seine Gedanken zu dem Harfner auf der Handelsstraße zurückwanderten, der ihn ohne ein Wort, nur mit den stockenden, verkrüppelten Klängen seiner Harfe aus dem Dunkel der Nacht in Ghisteslohms Hände gelockt hatte.

»Er kennt mich zu genau«, flüsterte er. »Ganz gleich, was er haben will, er wird es bekommen, glaube ich.«

Ein Windstoß fegte über sie hinweg, der nach Schnee roch. Mit eisigen Zähnen nagte er an seinem Gesicht und an seinen Händen, er nahm ihm den Atem, blendete ihn. Er sprang auf, und eine heftige Sehnsucht nach Hoffnung erfüllte ihn plötzlich. Als er wieder sehen konnte, gewahrte er, daß Rendel schon die Gestalt gewechselt hatte. Eine Vesta mit goldenen Hufen und goldenen Hörnern blickte ihn aus tief violetten Augen an. Er streichelte sie; ihr warmer Atem strich über seine Hände. Er drückte seine Stirn gegen den Knochen zwischen ihren Augen.

»Gut«, sagte er mit einem sehr winzigen Funken von Ironie, »ich werde mit Thod einen Rätselkampf austragen. In welcher Richtung liegt Isig?«

Sie führte ihn mit Hilfe der Sonne und der Sterne, zuerst südlich durch die Einöde, dann in östlicher Richtung, die Berghänge des Passes hinunter, bis sie am zweiten Morgen das grüne Antlitz des Berges Isig sahen, das sie jenseits der Öse erwartete. Bei Abenddämmerung an einem grauen, wilden Herbsttag erreichten sie das Haus des Königs. Auf den hohen Gipfeln glänzte schpn Schnee; die mächtigen Fichten rund um Harte sangen im Nordwind. In Kyrth nahmen die Wanderer wieder ihre eigene Gestalt an und stiegen die gewundene Bergstraße hinauf nach Harte. Die Tore waren verriegelt und bewacht, doch die Bergleute, mit breiten Schwertern bewaffnet, die in Danans Öfen geschmiedet waren, erkannten sie und ließen sie ein.

Danan und Veit und ein halbes Dutzend Kinder ließen ihr Nachtmahl stehen, um ihnen entgegenzugehen, als sie das Haus betraten. Danan, in wallendem Pelz, hieß sie beide mit einer bärenhaften Umarmung willkommen und trieb Kinder wie Bedienstete an, für ihr Wohl zu sorgen. Doch da er ihre Erschöpfung sah, stellte er nur eine einzige Frage.

»Ich war in der Einöde«, antwortete Morgon. »Ich habe auf meiner Harfe gespielt. Rendel fand mich.« Ihm fiel nicht auf, wie seltsam diese Antwort war. Sich erinnernd fügte er hinzu: »Davor war ich ein Baum an der Öse.«

Er sah, wie ein Lächeln in den Augen des Königs aufleuchtete.

»Was hab ich Euch gesagt?« murmelte Danan. »Ich habe Euch gesagt, daß Euch in dieser Gestalt keiner finden würde.« Er zog sie zur Treppe, die in den Ostturm hinaufführte. »Ich habe tausend Fragen, aber ich bin ein geduldiger alter Baum, sie können bis morgen warten. Yrth wohnt hier in diesem Turm; bei ihm werdet ihr sicher sein.«

Eine Frage nagte an Morgon, als sie die gewundene Treppe hinaufstiegen, doch es dauerte einen Moment, ehe ihm klarwurde, was ihn bewegte.

»Danan, ich habe Euer Haus nie bewacht erlebt. Waren die Gestaltwandler hier, um mich zu suchen?«

»Ja, sie waren hier«, antwortete der König grimmig. »Ich habe mehrere meiner Bergleute verloren. Ich hätte noch mehr verloren, wenn Yrth nicht hier gewesen wäre, um mit uns zu kämpfen.«

Morgon war stehengeblieben. Der König nahm ihn beim Arm und zog ihn vorwärts.

»Wir haben genug um sie getrauert. Wenn wir nur wüßten, was die Gestaltwandler sind, was sie wollen.« Er witterte etwas in Morgon. Seine grüblerischen Augen zupften erbarmungslos an der Wahrheit. »Ihr wißt es.«

Morgon antwortete nicht. Danan drängte ihn nicht, doch die Furchen in seinem Gesicht vertieften sich.

Er ließ sie in einem Turmzimmer zurück, dessen Wände und Boden und Möbelstücke mit Pelz behangen waren. Die Luft war kühl, Rendel entzündete ein Feuer, und bald danach kamen die Bediensteten mit Speisen und Wein und kostbaren warmen Kleidern. Bere folgte mit einem Kessel dampfenden Wassers. Als er ihn an einem Haken über dem Feuer aufhängte, lächelte er Morgon an, die Augen voller Fragen. Doch er schluckte sie alle mit heldenhafter Anstrengung hinunter. Morgon schlüpfte aus dem verfilzten Schafspelz und aus dem abgetragenen Kittel, um sich den Schmutz vom Körper zu waschen. Als er dann sauber, satt und in Samt und weichen Pelz gekleidet am Feuer saß, dachte er mit ungläubigem Staunen daran zurück, was er getan hatte.

»Ich habe dich verlassen«, sagte er zu Rendel. »Ich kann beinahe alles verstehen, aber das nicht. Ich bin einfach aus der Welt fortgegangen und ließ dich zurück.«

»Du warst müde«, meinte sie schläfrig. »Du hast es selbst gesagt. Vielleicht mußtest du einfach allein sein, um nachzudenken.«

Sie lag ausgestreckt neben ihm in knöcheltiefen Fellen; in ihrer Stimme lag die Wärme von Feuer und Wein, und sie war nahe daran, einzuschlafen.

»Oder vielleicht brauchtest du einfach einen Ort, um anzufangen, auf deiner Harfe zu spielen.«

Ihre Stimme verklang in einem Traum; sie ließ ihn zurück. Er zog Decken über sie, saß eine Weile da, ohne sich zu bewe-gen, während er zusah, wie Licht und Schatten einander auf ih-rem entspannten Gesicht jagten. Die Winde tosten wie Meereswellen um den Turm. In ihnen schwang das Echo eines Tons, der ständig durch seine Erinnerungen geisterte. Automatisch griff er zu seiner Harfe. Dann fiel ihm ein, daß er die-sen Ton in des Königs Haus nicht spielen konnte, ohne seinen Frieden zu stören.

Er spielte andere Töne, Balladen, die in den Gesang des Windes übergingen, der weder Form noch Muster hatte. Nach einer Weile wurden seine Finger still. Immer wieder zupfte er lautlos ein und dieselbe Saite, während sich in den Flammen immer von neuem ein Gesicht bildete und wieder zerfiel. Schließlich stand er auf und lauschte. Das Haus schien still, nur hier und dort war ein fernes Murmeln im Inneren seiner Mauern zu hören. Leise schlich er an Rendel vorbei, an den Wachen vor der Tür, deren Geist er blendete, so daß sie ihn nicht bemerkten. Er stieg die Treppe hinauf zu einer Tür, vor der weiße Felle hingen. Ein dünner Lichtstreifen fiel unter den Behängen nach draußen. Er teilte den Vorhang mit sachter Hand, trat ins Halbdunkel und blieb stehen.

Der Zauberer schlummerte, ein alter Mann, der in einem Sessel am Feuer eingenickt war. Seine von Narben gezeichneten Hände lagen offen auf seinen Knien. Er sah größer aus, als Morgon ihn in Erinnerung hatte, mit breiten Schultern und doch mager und sehnig unter dem langen dunklen Gewand, das er anhatte. Noch während Morgon ihn betrachtete, erwachte er, schlug helle Augen auf, in denen keine Überraschung stand. Seufzend beugte er sich zum Boden nieder, tastete nach Holz und schob es sorgsam in den Kamin, während seine Finger durch die müden Flammen strichen. Das Feuer loderte auf, erhellte ein Gesicht wie aus Granit, so verwittert wie ein Baumstumpf, der undenkliche Zeiten in Sonne, Wind und Regen gestanden hatte. Der Zauberer schien plötzlich zu merken, daß er nicht allein war; einen Herzschlag lang war sein Körper reglos wie Stein. Morgon spürte eine beinahe unmerkliche Berührung in seinem Geist. Der Zauberer regte sich wieder, zwinkerte mit den hellen Augen.